Die Rektorin der Herzen wird emeritiert

Sarah Springman hat bewegt. Als Rektorin half sie nicht nur die Lehre an der ETH auf allen Stufen weiterzuentwickeln, sondern sie hat mit ihrem Herzblut auch alle Menschen mitgerissen, die mit ihr zu tun hatten – innerhalb und ausserhalb der Hochschule.

Vergrösserte Ansicht: Sarah Springman hat sich mit grosser Begeisterung für gute Lehre eingesetzt. (Bild: Markus Bertschi)
Sarah Springman hat sich mit grosser Begeisterung für gute Lehre eingesetzt. (Bild: Markus Bertschi)

Sarah Springman war 18 Jahre Professorin für Geotechnik an der ETH Zürich, als sie 2015 ihr Amt als Rektorin antrat. In den sieben Jahren ihrer Amtszeit hat sie auf allen Stufen der Lehre bedeutende Reformen umgesetzt oder angestossen. Ihr Motto, das sie bei ihrem Handeln leitete, war immer «Students first».

Grundlegende Reformen umgesetzt

Zwei grosse Reformen gehen auf Initiativen ihres Vorgängers bzw. ihrer Vorvorgängerin zurück: Unter Springman wurde in den meisten Studiengängen die Basisprüfung in zwei Teile gesplittet. Statt erst nach einem Jahr erhalten neu eintretende Bachelorstudierende so bereits nach sechs Monaten eine Rückmeldung zu ihren Leistungen. Zum anderen hat sich die ETH von den jahrelang zur Diskussion gestellten Testaten verabschiedet. Stattdessen setzt sie auf die Eigenverantwortung der Studierenden und auf Instrumente, die ihre intrinsische Motivation fördern.

Viel Zeit und Energie widmete die abtretende Rektorin auch dem Doktorat. Sie kümmerte sich intensiv um Fälle, in denen es vor und während ihrer Zeit als Rektorin Verstimmungen zwischen Betreuenden und Doktorierenden gab. Und sie nahm diese Fälle zum Anlass, unter Einbezug der ganzen ETH eine neue Doktoratsverordnung zu erarbeiten, in deren Zentrum die gute Betreuung und die persönliche Entwicklung der Doktorierenden stehen.

Daneben hat Springman ein grosses Projekt rund um Computational Competencies angestossen. Sie sollen in allen Studiengängen neben Mathematik und Physik zum dritten Standbein der fachlichen und methodischen Ausbildung werden.

Bildung als umfassende Aufgabe verstanden

Um das Sich-Aneignen von überfachlichen Kompetenzen geht es in zwei anderen Projekten, die Springman vorangetrieben hat: Die Initiative ETH Talent soll in den einzelnen Studiengängen soziale Kompetenzen wie Teamarbeit und Leadership, aber auch persönliche Kompetenzen wie kreatives und kritisches Denken gezielt fördern.

Im Student Project House können Studierende eigene Ideen verwirklichen und gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen anderer Fachrichtungen aussercurriculare Projekte realisieren. Dieser Think- und Makerspace startete 2019 als Pilotprojekt auf dem Hönggerberg. Vor zwei Monaten übergab die Rektorin den Studierenden ein 1600 Quadratmeter grosses Haus im Zentrum.

Schliesslich seien als letzte der grossen Projeke die Youth Academy und die School for Continuing Education erwähnt, wobei mit letzerer die Weiterbildung an der ETH nicht nur ein neues Gesicht erhielt, sondern auch eine Verdoppelung des Angebots erfuhr.

«Ich bewundere deine beeindruckenden Leistungen als Wissenschaftlerin, Mentorin und Führungskraft zutiefst und habe persönlich sehr von deinem Mentoring profitiert.»Joël Mesot, Präsident der ETH Zürich

Die Menschen mitgerissen

Allerdings wird eine Aufzählung von Projekten Springman in keiner Weise gerecht. So hat sie etwa mit ihrem unermüdlichen Einsatz für Frauen und Diversität am altehrwürdigen «Poly» Veränderungen geprägt, die noch lange nachwirken.

Springman hat in ihrer Zeit an der ETH für die Lehre, für die Hochschule und für die Schweiz so viel bewegen können, weil sie mit ihrem Herzblut, ihrer Anteilnahme und ihrem britischen Humor Menschen mitzureissen wusste. Sie hat die Herzen bewegt. Nicht nur von Studierenden, wovon Social-Media-Beiträge zeugen, sondern von unzähligen Menschen innerhalb wie auch ausserhalb der ETH.

So wird Sarah Springman nicht nur als zweite Rektorin nach Heidi Wunderli-Allenspach in die Geschichte der ETH Zürich eingehen. Vielen, die mit ihr zusammenarbeiteten, wird «Sarah» auch als Rektorin der Herzen in Erinnerung bleiben, wie nicht zuletzt aus den nebenstehenden Abschiedsworten hervorgeht.

Zur Ruhe kommt Springman auch nach ihrer Emeritierung an der ETH nicht. Sie wird Anfang Februar ihr Amt als Principal am St. Hilda’s College an der University of Oxford antreten.

So würdigen Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter an der ETH Sarah Springman:

«Ich bewundere deine beeindruckenden Leistungen als Wissenschaftlerin, Mentorin und Führungskraft zutiefst und habe persönlich sehr von deinem Mentoring profitiert. Natürlich schätze ich deine immensen Beiträge zur Zukunft des Lehrens und Lernens, aber ganz besonders schätze ich dein kontinuierliches Engagement für das wichtige Thema der Vielfalt. Dank unseren vielen Gesprächen und deinen Ermutigungen hast du mir die Kraft gegeben, die nötigen Schritte zu unternehmen, um die Vielfalt an der ETH Zürich weiter zu verbessern. Wir haben zwar Fortschritte gemacht, aber es liegt noch ein langer Weg vor uns. Ich danke dir, Sarah, von Herzen für deinen Dienst an der ETH und der Schweiz und dafür, dass du deinen Humor und deine Leidenschaft über so viele Jahre mit uns geteilt hast.»

Joël Mesot, Präsident der ETH Zürich
 

«Es waren schöne und anregende Jahre, in denen wir mit Sarah zusammenarbeiten durften. Unseren Vorschlag, einen ‹Sarah Springman Prize› ins Leben zu rufen, lehnte sie bescheiden ab. Gemeinsam entwickelten wir die Idee des ‹Rector’s Impulse Fund›, mit dem wir über die Jahre viele ihrer kreativen Vorschläge unterstützen und deren Umsetzung wir erleben durften. Unvergesslich bleiben uns auch die privaten gemeinsamen Momente bei uns oder bei einem feinen Essen. Die ETH und wir werden Sarah vermissen, wünschen ihr aber viel Freude und Erfolg bei ihrer neuen Aufgabe und alles Gute ‹Back to Great Britain›.»

Isabelle und Adrian Weiss, Adrian Weiss Stiftung
 

«Sarah Springman war als ETH-Rektorin sehr präsent – als offene Führungspersönlichkeit und als hoch engagierte Wissenschaftlerin. Damit war und ist sie ein Vorbild für Frauen in der ETH-Community und im gesamten MINT-Bereich. Die Wissenschaft braucht Frauen wie Sarah Springman. Denn sie tragen entscheidend dazu bei, dass unser Bildungs- und Forschungsangebot heute so attraktiv ist und es auch in Zukunft bleibt. Ich danke Sarah Springman sehr herzlich; ihr Wirken für die ETH – und für Zürich – ist von grösster Bedeutung.»

Corine Mauch, Stadtpräsidentin Zürich
 

«Es hat mich von Anfang an beeindruckt, mit wie viel Herzblut Sarah sich für die Studierenden, die Lehre an der ETH und die Hochschule insgesamt eingesetzt hat. Sie hat studentische Anliegen stets ernst genommen und auch massgeblich dazu beigetragen, dass wir als ETH so gut durch die Pandemie gekommen sind. Die Zusammenarbeit mit ihr war für mich wahnsinnig lehrreich und hat mir immer viel Freude bereitet.»

Luca Dahle, ehem. VSETH-Präsident
 

«Es war mir eine grosse Ehre, eng mit Sarah zusammenzuarbeiten. Als Präsidentin der IDEA League hat sie unsere Hochschulallianz durch die grösste Herausforderung in der 20-jährigen Geschichte geführt. Als die weltweite Pandemie ausbrach und sich in ganz Europa Tragödien abspielten, zeigte Sarah grosse Führungsstärke. Sie sorgte dafür, dass alle unsere Rektoren einen geschützten Rahmen hatten, um ihre Sorgen zu teilen, sich gegenseitig bei der Bewältigung der dringenden Probleme der Krise zu unterstützen und Wege zu finden, wie wir unsere Universitäten umgestalten können, um noch stärker aus der Pandemie hervorzugehen.»

Leslie Zachariah, Generalsekretärin IDEA League
 

«Doing the right things!» Unter diesem Motto hat Sarah als Rektorin der ETH ihre Prioritäten gesetzt und ihre Visionen mit der Konsequenz der ambitionierten Leistungssportlerin vorangetrieben. Den akademischen Diensten und ihrem ganzen Team brachte sie dabei viel Vertrauen entgegen und hat uns alle jederzeit unterstützt und gefördert. Ihre Wertschätzung hat uns dazu motiviert, die richtigen Dinge zu tun. Danke, Sarah!

Dieter Wüest, langjähriger Leiter der Abteilung akademische Dienste
 

«We're on the same page!» Das charakterisiert meine fast fünfjährige, inspirierende und bereichernde Zusammenarbeit mit Sarah Springman. Ihr Engagement und ihre Offenheit hinsichtlich Betreuung und Unterstützung von Doktorierenden sowie Ihre Beharrlichkeit, das Doktorat reformieren zu wollen, haben die ETH Zürich entscheidend weitergebracht. Die Institution, aber auch alle Studierenden und Doktorierenden haben Sarah sehr viel zu verdanken.

Antonio Togni, von 2016 bis 2021 Prorektor Doktorat
 

Sarah Springman verblüffte mich damit, mit welcher Leichtigkeit und mit wie viel Spass sie ihre Auftritte meistert. Durch sie lernte ich auch, welche Frage wir immer wieder stellen sollten: «Wo sind die Frauen?» Je bekannter sie wurde, desto mehr Fanpost erhielt sie. Und so kam es, dass wir Autogrammkarten bis nach China und Japan verschickten! Wir beide lieben Oscar Wilde und manchmal trug sie einige Passagen in Englisch vor: Die beste Lady Bracknell, die ich je gehört habe! Sarah: Ich werde deinen Humor vermissen!

Marianne Mandrin, Assistentin der Rektorin Springman
 

Für viele junge Wissenschaftlerinnen ist Sarah mit ihrer eindrücklichen beruflichen und sportlichen Karriere ein grosses Vorbild. Ihr riesiges Engagement an der ETH galt nie nur der Lehre. Sie hat weit darüber hinaus vieles bewegt, nicht zuletzt für uns Frauen. Sie lebt vor, was jede von uns mit harter Arbeit, Begeisterung und Mut erreichen kann. Danke Sarah, es war mir eine sehr grosse Ehre, so eng mit dir zusammenzuarbeiten!

Ulrike Lohmann, Leiterin Konferenz des Lehrkörpers
 

Als AVETH-Mitglied habe ich Sarah Springman als eine starke Unterstützung erlebt, die sich für die Menschen einsetzt, die unter Ungerechtigkeit oder schwierigen Umständen leiden. Später, als Präsidentin von AVETH, habe ich gesehen, mit welcher Liebe zum Detail und mit welcher Energie sie gegen Ungleichheit vorgeht. Wir danken ihr dafür, dass sie in dieser Hinsicht einen so hohen Standard gesetzt hat.

Florentine Strudwick, Präsidentin AVETH
 

Als Ingenieurwissenschaftlerin hat Sarah die Auswirkungen von Naturgegebenheiten auf Bauwerke erforscht, und mit ihrem scharfen Verstand konnte sie als Rektorin Parallelen zum Lernen ziehen: Bildungsangebote lassen sich nicht gegen die Natur des menschlichen Denkens und Erlebens durchsetzen. Aber wenn man zugrundeliegende Mechanismen kennt, kann man in Einklang mit der Natur solide Fundamente schaffen – weshalb sie zum Beispiel die Youth Academy zum MINT-Lernen ins Leben gerufen hat.

Elsbeth Stern, Professorin für empirische Lehr- und Lernforschung
 

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