App lernt Schweizer Dialekt
Wer Kurznachrichten und E-Mails auf seinem Handy oder Tablett auf Schweizerdeutsch schreibt, bekommt bald Eingabehilfe von einer an der ETH entwickelten App.
«Hoi shaz i chume grad!» Kurznachrichten in Mundart zu schreiben, ist ein Phänomen unserer Zeit. Wer zum schnelleren Tippen gerne die Unterstützung eines Wörterbuchs nutzt, musste bisher allerdings mit Hochdeutsch Vorlieb nehmen. Nun soll die App «Kännsch» für Abhilfe sorgen. Entwickelt wurde das Programm während der letzten fünf Monate von Elektrotechnikstudentin Laura Peer in der Distributed Computing Group im Rahmen ihrer Masterarbeit.
Möchte man eine Tastatur-Applikation entwickeln oder ein gängiges Keybord optimieren, ist nicht nur Geschick im Bereich der Informatik und des Programmierens gefragt, sondern auch eine fundierte sprachbasierte Recherche im Vorfeld. Im Falle von «Kännsch» haben die Beteiligten zuerst linguistische Daten regionaler Gruppen auf Facebook ausgewertet und so ein Schweizerdeutsches Wörterbuch erstellt. Dieses enthält etwa 1'000 Wörter, die in allen Dialekten gebräuchlich sind und häufig verwendet werden.
Lernfähige Applikation
Auf den ersten Blick ist «Kännsch» eine Erweiterung der gängigen Open-Source-Google-Tastatur, welche auf Geräten mit dem Betriebssystem Android fest installiert ist. Beim Tippen einer Nachricht macht die App Wortvorschläge in allen gewünschten Sprachen, unter anderem auch in Schweizerdeutsch. Das Besondere daran ist, dass sie sich jedes neue, ihr bisher unbekannte Wort «merkt» und sofort im Wörterbuch zur Verfügung stellt. So passt sich «Kännsch» ihrem Benutzer und seinem Wortschatz an. Dies ist umso hilfreicher, als dass Schweizerdeutsch keine Schriftsprache ist und jeder seine eigene Ausdrucks- und Schreibweise hat.
Android-Nutzer können «Kännsch» ab sofort kostenlos im Play Store herunterladen. Auf der Projektwebsite finden Interessierte weitere Informationen über das gesamte Projekt.
Mit wenigen Handgriffen lässt sich «Kännsch» auf jedem androidfähigen Gerät installieren und ist praktisch sofort einsatzbereit. Tatsächlich ist die Texteingabe, unter anderem dank der Swipe-Funktion, erstaunlich einfach. Bei Swipe kann man mit dem Finger oder dem Eingabestift quer über die Tastatur streichen ohne zwischen den Buchstaben abzusetzen. «Kännsch» als Worterkennungssystem identifiziert das gewünschte Wort und erspart einem so mühsames Tippen.
Laufend aktualisiert
Die App ist aber nicht nur userfreundlich, sie soll auch wissenschaftlichen Zwecken dienen. Dereinst könnten regionale Unterschiede im Sprachgebrauch genauer untersucht und vielleicht sogar Dialektanalysen durchgeführt werden. Dazu übermittelt die App regelmässig Daten zur statistischen Auswertung an den Server des Forschungsteams an der ETH Zürich. Vor der endgültigen Installation auf dem Smartphone oder Tablet wird der Nutzer darüber informiert und muss damit einverstanden sein, dass getippte Zeichen und Wörter sowie der Standort aufgezeichnet werden können.
Peer betont, dass die Privatsphäre jedes Einzelnen durch die unumkehrbare Erstellung einer anonymen ID jederzeit gewährleistet sei. «Auch für uns Forschende sind keine Rückschlüsse auf einzelne Personen möglich», erklärt die junge Wissenschaftlerin. «Die laufend aktualisierten Daten erlauben es uns, die Applikation noch besser an die individuellen Bedürfnisse der Nutzer anzupassen. Denkbar wäre auch, unsere gesammelten Daten der linguistischen Forschung zur Verfügung zu stellen.»
Ausweitung des Marktes
Ideen, wie die Zukunft von «Kännsch» aussehen könnte, hat Laura Peer viele: «Es wäre möglich, die App so zu programmieren, dass sie erkennt, in welcher Sprache oder welchem Dialekt der Nutzer schreibt. So könnten noch gezieltere Wortvorschläge gemacht werden. Auch eine Ausweitung auf das iOS Betriebssystem von Apple wäre denkbar und wünschenswert, weil damit ein grosser zusätzlicher Markt eröffnet würde.»
Wie ihre eigene berufliche Zukunft aussehen wird, weiss Peer noch nicht genau. Ihre Masterarbeit wird sie im September 2014 abschliessen. Mit ihrer für Frauen eher ungewöhnlichen Studienwahl ist sie nach wie vor zufrieden: «Ich könnte mir vorstellen zu doktorieren, eventuell auch im Ausland.» Mit einem Augenzwinkern fügt sie hinzu: «Zuerst will ich aber surfen gehen und zwar nicht im Internet.»