Kurzauswertung

Die Umfrage wurde am Ende der Lockdown-Phase durchgeführt. Sie stützte sich auf bestehende Netzwerke des Projektteams ab und die befragte Gruppe ist nicht repräsentativ, weder für die Hochschule, noch für die Gesamtbevölkerung. Bei der Umfrage ging es um einen allgemeinen Eindruck im Sinne einer Momentaufnahme. Eine Aussage über die Befindlichkeit der Gesamt- bevölkerung oder der Hochschulangehörigen als Ganzes war nie beabsichtigt und kann aus den Daten auch nicht herausgelesen werden.

Bei den Hochschulangehörigen dominiert die Altersgruppe der 20- bis 50-Jährigen, was für eine Hochschule recht repräsentativ ist. Die Hälfte der teilnehmenden Gruppe steht zudem noch in der Ausbildung (Studium/Doktorat). Für die andere Hälfte, die in einem Anstellungsverhältnis an der Hochschule arbeitet, lief die Arbeit während des Lockdowns ohne Unterbruch weiter und es ist auch für die nähere Zukunft keine Gefährdung der Anstellungssituation in Sicht.

Typisch ist für diese Gruppe ist, dass sie materiell noch durch Ausbildungsunterstützung abgesichert ist oder einen sicheren Job hat. Die Studierenden und Doktorierenden sind zudem grossteils noch in einer Lebenssituation, wo es um das Finden des eigenen Platzes im sozialen und beruflichen Kontext geht. Bei den Hochschulmitarbeitenden (konkret v.a. Stabs- und Dienststellenmitarbeitende, nur wenig Dozierende, nicht repräsentativ für die Personalzusammensetzung einer Hochschule) dürften zudem viele Personen zu finden sein, die gerne in einem intellektuell anspruchsvollen, dynamischen Umfeld mit vielen Kontakten zu anderen – v.a. auch jüngeren – Menschen arbeiten.

Bei den Rückmeldungen der Hochschulangehörigen zeigt sich, dass die Auswirkungen des Lockdowns schwergewichtig vor dem Hintergrund der aktuellen persönlichen Beziehungs- und Arbeitssituation gesehen werden. Die Phase des Lockdowns wurde als Einschnitt in die Möglichkeiten der sozialen Interaktion, des fehlenden persönlichen Austausches, der Einsamkeit und der Isolation wahrge- nommen. Gleichzeitig wurde die veränderte Arbeitssituation mit Homeoffice und digitaler Kommu- nikation auch als Experiment mit positiven Implikationen für die Zukunft wahrgenommen, welches die Möglichkeit bot, neue zukunftsorientierte Arbeits- und Kommunikationsformen auszuprobieren. Umgekehrt werden materielle Existenzängste (Jobverlust, Bedrohung der Gesundheit etc. nur selten geäussert und eine gesamtgesellschaftliche Perspektive, in welche die Erfahrungen eingebettet werden, ist auch von untergeordneter Bedeutung.

Bei den Hochschulexternen dominiert die Altersgruppe der über 50-Jährigen, was für die Gesamt- bevölkerung nicht repräsentativ ist. Die 20-35-Jährigen sind dagegen praktisch nicht vertreten. Die meisten Teilnehmenden sind in einer gefestigten Berufs- und Familiensituation, rund ein Viertel ist bereits pensioniert.

Typisch für die Personen dieser Gruppe ist, dass sie sich entweder selbst über einen Job finanzieren müssen oder als Pensionierte zwar über ihre Rente wirtschaftlich abgesichert sind, aber aufgrund des Alters und der Gesundheit zu der Gruppe der durch die Corona-Pandemie stärker Gefährdeten gehören bzw. nahe Angehörige (Eltern, Lebenspartner) in dieser Risikogruppe haben. Gleichzeitig sind die meisten dieser Personen gut in ein soziales und regionales Netzwerk (Familie, Berufsumfeld, Vereinsaktivitäten etc.) eingebunden, das auch während des Lockdowns weiter funktionierte. Diese beruflich-soziale Abstützung und die Lebenserfahrung erlaubt zudem, den Einbruch der Corona-Krise mit früheren Ereignissen zu vergleichen, zu bewerten und im grösseren Kontext einzuordnen.

Bei den Rückmeldungen der Hochschulexternen zeigt sich, dass die Auswirkungen des Lockdowns schwergewichtig vor dem Hintergrund der individuellen Sicherheit (Arbeitsstelle, Gesundheit) und den übergeordneten sozialen, wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen (Bedrohung des sozia- len Zusammenhalts, des Wohlstands und des Friedens) gesehen werden. Die Pandemie löst mate- rielle und gesundheitliche Existenzängste und Befürchtungen bezüglich dem Auseinanderbrechen des sozialen Zusammenhalts aus und weckt Hoffnungen auf eine Rückbesinnung auf tragfähige soziale, ökonomische und ökologische Systemstrukturen. Umgekehrt wurden die Einschränkungen der sozia- len Interaktion und der Bewegungsfreiheit während des Lockdowns nur wenig thematisiert. Diese zumeist gut und gefestigt sozialisierten Menschen äusserten sich im Gegenteil nicht selten positiv darüber, dass die Bremsung der Lebensabläufe durch den Lockdown als Befreiung von sozialen und wirtschaftlichen Zwängen (Ruhe, Beschaulichkeit, Durchbrechen der Alltagsroutine) wahrgenommen wurde.

In der Summe kann die Umfrage so gelesen werden, dass die Hochschulangehörigen (wie viele andere tendenziell urbane, in Ausbildung stehende oder in einem lebendigen Ausbildungsumfeld arbeitende Menschen) vor allem unter dem sozialen Lockdown gelitten haben. Die individuelle soziale Lebenssituation stand für sie im Vordergrund, während materielle oder gesamtgesellschaft- liche Aspekte für sie eher zweitrangig und entsprechend weniger belastend waren.

Die (mehrheitlich in der zweiten Lebenshälfte stehenden) Hochschulexternen dagegen litten stärker unter der wirtschaftlichen, gesundheitlichen und gesamtgesellschaftlichen Unsicherheit, während ihre individuelle soziale Einbettung offensichtlich nur wenig vom Lockdown betroffen war und sie die mit den Einschränkungen einhergehende Ruhe und Entschleunigung sogar als Gewinn betrachteten.

Beide Gruppen beurteilten zudem die Erfahrung mit neuen Arbeitsformen und digitalen Kommuni- kationsmitteln als Gewinn, wobei auch die Schattenseiten (fehlender sozialer Austausch, viel Online- meetings, viel Bildschirmzeit etc.) durchaus erwähnt wurden. Umgekehrt ist das in der öffentlichen Diskussion stark präsente Thema „Homeschooling“ bei beiden Gruppen nur wenig präsent, was damit zusammenhängen dürfte, dass nur wenige Umfrageteilnehmende (geschätzt ca. 10-15%) als Eltern oder Lehrpersonen direkt von dieser Problematik betroffen waren.

Bezüglich der Frage nach der Rolle der Wissenschaft in der Corona-Pandemie ist das Resultat nicht eindeutig. Die eingegangenen Antworten lassen auf ein sehr positives Bild der Wissenschaft schlies- sen. Allerdings ist bei den Hochschulexternen eine verstärkte skeptische bis kritische Haltung wahr- nehmbar und es könnte sein, dass diese Haltung in einer repräsentativeren Umfrage, bei der auch Personen ohne Hochschulabschluss und aus bildungsferneren Schichten angemessen vertreten wären, wesentlich prominenter zum Ausdruck käme.

Auswertung:
Hansjürg Büchi, Dr. sc. nat. ETH, Koordinator Critical Thinking ETH; 27. August 2020

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert