Von Spasern und Chimären
Der Europäische Forschungsrat (ERC) zeichnet dieses Jahr fünf Forscher der ETH Zürich mit einem ERC Advanced Grant aus. Jeder Forscher erhält zwischen 3 und 4 Millionen Schweizer Franken für sein Projekt. Der ERC Advanced Grant gilt als besondere Auszeichnung.
Aus nicht weniger als 2‘400 Projekten musste der Europäische Forschungsrat die besten auswählen. Unter den prämierten Forschenden, die einen ERC Advanced Grant erhalten, sind erfreulicherweise auch deren fünf der ETH Zürich. ETH-News stellt die fünf ausgezeichneten ERC-Projekte vor:
Chimäre aus Photon und Elektron
Der Westschweizer Jérôme Faist (*1962) ist seit 2007 Professor am Institut für Quantenelektronik der ETH Zürich. Er möchte in seinem Projekt neue Quantenstrukturen mit Hilfe von Mikro- und Nanofabrikationstechniken entwickelt. Es handelt sich um eine Art Chimäre der Quantenmechanik: Eine Struktur, die sich bewegen wie Photonen, aber interagieren wie Elektronen. Faist möchte untersuchen, wie dabei aus «virtuellen Photonen» durch abrupte Änderung der Randbedingungen «reale Photonen» werden können, die ein bis lang nicht erklärbares Verhalten zeigen. Das Projekt soll quantenoptische Experimente im Terahertz-Spektralbereich ermöglichen. Damit möchte der Forscher neuartige Zustände von Graphen vorhersagen und untersuchen. Jérôme Faist sieht aber noch viel Arbeit auf sich zukommen: «Ich freue mich sehr über den ERC Grant, aber die Finanzierung des Projekts ist nur der erste Teil – mit ihr kommt die Verantwortung, verwertbare Ergebnisse zu erzielen.»
Fliessbewegungen simulieren
Petros Koumoutsakos (*1963) ist seit 2000 ordentlicher Professor für Computational Science am Departement Maschinenbau und Verfahrenstechnik (D-MAVT). Mit seiner Gruppe untersucht er sowohl Grundlagen als auch Schnittstellen der Computerwissenschaften, der Mathematik, der Fluidmechanik und den Life Sciences. In seinem ERC-Projekt will er erstmals bis anhin unerreichte Simulationen auf verschiedenen Skalen durchzuführen, von Fliessbewegungen abhängige Wechselwirkungen in der Natur. Deren Spektrum reicht von Fischschwärmen bis hin zu metastasierenden Krebszellen, die sich über Blutgefässe verbreiten. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sind insofern bedeutend, da sie helfen, grundlegende physikalische Phänomene besser zu verstehen. Überdies könnten die erhofften Resultate dazu dienen, Windenergie-Parks zu verbessern oder die Verabreichung von Wirkstoffen in Nanopartikelform bei Krebstherapien zu optimieren.
Nanolichtquellen für optische Anwendungen
Der 45-jährige US-Amerikaner David J. Norris ist seit 2010 Professor für Materialtechnik und Leiter des Laboratoriums für Optische Materialtechnik am Departement Maschinenbau und Verfahrenstechnik (D-MAVT). Norris erforscht Nanomaterialien und versucht, Substanzen mit neuen und nützlichen optischen Eigenschaften zu schaffen. In seinem ERC-Projekt will er einen sogenannten Spaser entwickeln. Ähnlich wie ein Laser Licht intensiviert, verstärkt ein Spaser spezielle elektromagnetische Wellen auf der Oberfläche von Metallen. Diese Wellen – auch Plasmonen genannt – können Licht auf extrem begrenztem Raum konzentrieren, wie es sonst nicht möglich ist. Ein Spaser hat damit den entscheidenden Vorteil, dass er Lichtquellen erzeugen kann, die kleiner als die Wellenlänge des sichtbaren Lichts sind. Solche Nanolichtquellen sind potenziell in einer Vielzahl optischer Anwendungen einsetzbar, etwa in der Sensorik oder Solartechnik. «Der ERC-Grant ehrt mich enorm. Ein wenig schüchtert er mich aber auch ein: wir haben uns eine höchst anspruchsvolle Aufgabe vorgenommen – nun stehen wir in der Pflicht!», freut sich Norris.
Partikel einfrieren
Lukas Novotny (*1966) studierte und doktorierte an der ETH Zürich studiert und war bis letztes Jahr an der University of Rochester (USA) tätig, bevor er als Professor für Photonik an die Zürcher Hochschule zurückkehrte. In seinem ERC-Projekt möchte er die Dynamik eines Nanopartikels, welcher frei schwebend in einer Vakuumkammer mit Laserlicht festgehalten wird, studieren. Durch eine Modulation des Lichts lässt sich die Bewegung des Partikels einfrieren. «Wir haben bereits gezeigt, dass ein Nanopartikel mit Laserlicht auf eine Temperatur von 50 MilliKelvin abgekühlt werden kann. Das nächste Ziel ist, in den Mikrokelvin-Bereich vorzudringen», so Novotny. Die Gesetze der Quantenmechanik verbieten jedoch den absoluten Stillstand des Partikels und limitieren die Genauigkeit, mit welcher der Partikel gemessen werden kann. Beim Projekt soll der Übergang zwischen klassischer Mechanik und Quantenmechanik an einem makroskopischen Objekt – in diesem Fall einem Quarz-Partikel – erforscht werden. Die dabei entstehende Messgenauigkeit könnte in Zukunft Sensoren wesentlich verbessern.
Quanten-Chips verbinden
Andreas Wallraff (*1971) kam 2006 von der Yale University als Assistenzprofessor an die ETH Zürich und ist seit 2012 ordentlicher Professor. Bereits 2009 erhielt er einen ERC Starting Grant. Ab 2014 wird Andreas Wallraff mit den Mitteln des ihm jetzt zugesprochenen Advanced Grants Möglichkeiten untersuchen Netzwerke für neuartige Computer zu entwickeln, die auf der Grundlage der Quantenphysik funktionieren: sogenannte Quantencomputer. Die Technologie basiert auf integrierten elektronischen Schaltungen, die supraleitende Materialien verwenden, und in denen Informationen bei Mikrowellenfrequenzen verarbeitet werden. Der Fokus des Projekts liegt auf der Entwicklung von Netzwerken, die einzelne Quanten-Chips auf Distanzen von einigen Zentimetern bis zu einigen Metern miteinander verbinden können. Der Wissenschaftler und seine Mitarbeiter erwarten, dass sie mit solchen auf Basis der Physik und der Ingenieurwissenschaften entwickelten Systemen in Zukunft komplexe Probleme lösen und grundlegende Eigenschaften der Quantenphysik untersuchen können.