Wie wir unsere Städte kühlen können
Südeuropa kämpft derzeit mit einer Hitzewelle. Jan Carmeliet erklärt, wie Städte der Sommerhitze begegnen können. Es ist ein Balanceakt, bei dem verschiedene Massnahmen aufeinander abgestimmt werden müssen.
- Vorlesen
- Anzahl der Kommentare
Wir sind in den Sommermonaten häufiger heftigen Hitzewellen ausgesetzt. Immer mehr Menschen werden sich dessen bewusst, Stadtbewohnende noch mehr als andere. Der Wärmeinseleffekt macht städtische Agglomerationen anfälliger für extreme Hitze als ländliche Gebiete. Denn mit Asphalt und Beton versiegelte Flächen heizen sich tagsüber stärker auf als Grünflächen. Hinzu kommt, dass menschliche Aktivitäten wie Verkehr und Industrie in Städten mehr Wärme erzeugen. Die nächtliche Abkühlung ist in Städten hingegen geringer, da die Wärmestrahlung in den Himmel durch die Gebäude stärker abgeschirmt wird.
Oft wird die Frage gestellt, was getan werden kann, um extreme Hitze in Städten zu reduzieren. Leider gibt es keine Patentlösung, denn das Stadtklima ist etwas sehr Komplexes. Dennoch gibt es einige Stellschrauben. Oft wird vorgeschlagen, Bäume zu pflanzen, da sie Schatten werfen und den Fussgängern Kühlung verschaffen. Ausserdem werden Belüftungskorridore wie zum Beispiel Hauptstrassen entlang der Hauptwindrichtungen als wirksame Massnahme zur Wärmeregulierung genannt, da sie zur Wärmeabfuhr durch den Luftstrom beitragen. Die Verwendung von hellen Farben, die das Sonnenlicht reflektieren, und poröse, befeuchtete Strassenbeläge sind weitere Kühlmassnahmen. Insbesondere Beschattung und Belüftungskorridore können sehr wirksam sein, aber man muss dabei die Details und mögliche Zielkonflikte beachten.
Bäume sind nicht die Ultima Ratio
Bäume spenden Schatten und bewirken dadurch in der Tat lokal eine Abkühlung. Diese hängt jedoch stark von ihrer Art, Grösse und ihrem Alter ab. Am wirksamsten sind grosse, ausgewachsene Laubbäume mit vielen Blättern und einem ausgedehnten Wurzelsystem, mit dem sie viel Wasser aus dem Boden aufnehmen und verdunsten können. Bei weiträumiger Betrachtung tragen Bäume jedoch auch zur Erwärmung von Städten bei, wenn auch in geringerem Ausmass, da sie Luftströme blockieren und dadurch die Wärmeabfuhr einschränken. In Belüftungskorridoren sollten grosse Bäume, die den Luftstrom blockieren, vermieden werden, um das Kühlungspotenzial dieser Korridore zu maximieren.
«Belüftungskorridore können dann zu Heissluftkorridoren werden.»Jan Carmeliet
Strassenschneisen ohne Bäume können sich jedoch tagsüber stark aufheizen, da unbeschattete Strassenbeläge und Wände Sonnenwärme absorbieren und speichern. Belüftungskorridore können dann zu Heissluftkorridoren werden, die für Fussgängerinnen und Fussgänger ungeeignet sind. Da Fussgänger kühle Wege brauchen, müssen Stadtplanende die positiven und negativen Auswirkungen von Bäumen kennen.
Anpassungsstrategien sind notwendig
Um mit extremen Hitzewellen klar zu kommen, müssen wir damit beginnen, die oben erwähnten Milderungstrategien mit Anpassungsstrategien zu kombinieren. Anpassung an die Hitze bedeutet, dass Städte eine umfassende Hitzereaktionsplanung durchführen, Hitzewellen vorhersagen und überwachen und die Bevölkerung darüber informieren und sensibilisieren, wie sie sich während Hitzewellen verhalten soll. Es braucht auch neue Infrastruktur wie Cooling Center. Das sind klimatisierte, ruhige Räume, in denen sich die Menschen für einige Stunden vom Hitzestress erholen können. Bei der Planung von Schutzmassnahmen, wie zum Beispiel kühlen Fusswegen, müssen Stadtplanende die Nutzung von Freiflächen und die Erreichbarkeit von Cooling Centern berücksichtigen.
Bei all diesen Massnahmen müssen wir auch die allgemeinen klimatischen Bedingungen beachten. In feucht-warmem Klima sind Bäume weniger effektiv für die Kühlung, da sie dort wegen der hohen Luftfeuchtigkeit weniger Wasser verdunsten. Das Querlüften von Innenräumen, das Stadtbewohnenden oft empfohlen wird, erhöht das Schwitzen, wenn es feucht und heiss ist, es ist aber in trocken-heissen Regionen nicht wirksam.
Lokale Hitze-Hotspots finden
Um die verschiedenen Milderungs- oder Anpassungsmassnahmen aufeinander abzustimmen und sie zu optimieren, benötigen wir umfassende Modelle, die eine Vielzahl von physikalischen und meteorologischen Phänomenen sowie ökologische, soziale und wirtschaftliche Prozesse berücksichtigen. Darüber hinaus müssen die Modelle mit Klimadaten validiert werden, um die Komplexität des Stadtklimas vor dem Hintergrund der grundlegenden regionalen Klimabedingungen korrekt abzubilden.
Wir haben solche Modelle entwickelt, mit denen sich das Stadtklima für eine Sommerperiode einschliesslich verschiedener Hitzewellen mit einer Auflösung von zehn Zentimetern simulieren lässt. Diese Simulationen erfordern jedoch eine Vielzahl von Eingabedaten, wie zum Beispiel klimatische Randbedingungen wie Temperatur und Windgeschwindigkeit, die Geometrie und Materialeigenschaften von Gebäuden, Strassenbeläge und die Vegetation. Sie ermöglichen es, den Temperaturkomfort in einem Quartier im Ist-Zustand zu bewerten, lokale Hitze-Hotspots zu finden und wirksame Hitzeschutzszenarien zu entwerfen.
Die Ergebnisse solcher Simulationen müssen den Entscheidungsträgern und Bewohnenden in leicht verständlicher, grafischer und interaktiver Form vermittelt werden. Dies – und vor allem die langfristige Eindämmung des Klimawandels durch die Reduktion von Treibhausgasemissionen – wird es uns ermöglichen, in den Städten die Luft- und Oberflächentemperaturen zu senken und den Temperaturkomfort zu verbessern.