Was die Erneuerbaren wirtschaftlich bringen
Das Abkommen von Paris ist ein Meilenstein für den Klimaschutz; doch was bedeutet es aus ökonomischer Sicht? Laut der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien können Investitionen in Erneuerbare ein spürbares globales Wachstum und eine Vielzahl neuer Stellen schaffen.
Morgen Freitag treffen sich Regierungsvertreter zahlreicher Länder am UN-Hauptsitz in New York, um das Pariser Klimaschutzabkommen zu unterzeichnen. Will die Staatengemeinschaft die Erderwärmung tatsächlich auf maximal zwei Grad begrenzen, wie vergangenen Dezember in Paris vereinbart, so muss sie die Erneuerbaren Energien schnell und massiv ausbauen. Was so ein tiefgreifender Umbau der Energiesysteme für die Weltwirtschaft und den globalen Handel bedeutet, hat die Internationale Agentur für Erneuerbare Energien IRENA im kürzlich publizierten Bericht «Renewable Energy Benefits: Measuring the Economics» [1] untersucht.
Verdoppelung bis 2030
Die Studie modelliert 59 relevante Länder und ihre Wechselwirkungen in den Bereichen Energie, Wirtschaft, Emissionen und Technologie mit Hilfe des E3ME-Tools von Oxford Econometrics [2], das Regierungen weltweit für Planungszwecke verwenden. Damit untersuchten die Autoren das Szenario einer Verdopplung der Erneuerbaren Energien bis 2030. Da der Aufbau von Windfarmen, Solarkraftwerken und Stauseen sehr kapitalintensiv ist, erwartet das Szenario weltweit jährliche Investitionen zwischen 500 und 750 Milliarden Dollar während der nächsten 15 Jahre. Nach Abzug der verringerten Investitionen in fossile Energien entspricht das einem Zuwachs von 1,8 Prozent. Nach Ansicht der Autoren ist das durchaus verkraftbar; erst bei einem noch intensiveren Ausbau könnten die Erneuerbaren andere wichtige Investitionen verdrängen (schädliches «crowding out»). Interessant ist, dass das Gros der Mittel für die umfangreichen Investitionen der private Sektor aufbringen kann. Die öffentliche Hand bleibt mit einem Anteil von etwa 15 Prozent konstant, ist aber weiterhin wichtig als Katalysator.
Gewinner und Verlierer
Der beschleunigte Umstieg auf Sonne, Wasser, Wind und Co. wirkt sich in den meisten Länder positiv auf Wirtschaft und Beschäftigung aus. Die Haupteffekte sind: weniger Energieimporte – allein die EU kann ihre Handelsbilanz um 15 Milliarden Dollar verbessern – sowie ein markanter Zuwachs an Arbeitsplätzen. Im Vorteil sind Länder, die schon eine starke Erneuerbare Industrie besitzen, etwa China als Hauptexporteur von Solarmodulen. Umgekehrt leiden jene Länder, die stark von fossilen Energien abhängig sind, wie Saudi-Arabien, Venezuela oder Russland. Die zur Zeit um 4 Prozent geschrumpfte Wirtschaft von Saudi Arabien liefert dafür einen Vorgeschmack.
Insgesamt überwiegen jedoch die positiven Effekte: Das Verdoppelungs-Szenario könnte gemäss den Modellen zu einem zusätzlichen weltweiten Wirtschaftswachstum von 1,1 Prozent führen und 24 Millionen neue Stellen im Bereich der Erneuerbaren schaffen. Dabei profitieren investierende Länder von höheren Skaleneffekten mit entsprechenden Kostensenkungen infolge des gleichzeitigen weltweiten Ausbaus.
Verschiebung der globalen Handelsströme
Heute machen die fossilen Treibstoffe 17 Prozent des Welthandels aus; in den letzten 20 Jahren ist dieser Anteil um den Faktor acht gewachsen. Bei einer Verdoppelung der Erneuerbaren geht der Import von Kohle bis 2030 um 50 Prozent zurück, jener von Öl um 7 Prozent. Die Nachfrage nach Produkten, Anlagen und Dienstleistungen für Erneuerbare steigt hingegen an, verteilt sich aber anders als die bisherigen Handelsströme. Die diversen Segmente der Wertschöpfungskette der Erneuerbaren erlauben es Schwellen- und Entwicklungsländern, lokale Aktivitäten aufzubauen. Und von den entwickelten Ländern werden vermehrt spezialisierte Dienstleistungen wie F&E, Ausbildung, Engineering und Beratung nachgefragt. So bieten sich Chancen für neue Geschäftsmodelle: Heute haben beispielsweise über eine Milliarde Menschen keinen Zugang zu Elektrizität. Mehr als die Hälfte davon könnte künftig durch Insel- oder Mini-Netz-Anlagen mit Strom versorgt werden (siehe dazu diesen Blogbeitrag von Tim Reutemann).
Die Weichen richtig stellen
Die Ergebnisse der Studie können uns als Wegweiser dienen, wenn es darum geht, langlebige Investitionsprojekte im Energie-Sektor zu planen. Wer die Dynamik der Erneuerbaren nicht einbezieht, läuft schnell Gefahr, sich zu verrechnen. Anderseits ist es noch zu früh, das fossile Zeitalter gänzlich auszuläuten. Zwar ist die Sensibilität für die Gefahr einer «Kohlenstoffblase» in Wirtschaft und Gesellschaft gestiegen, und viele Investoren ziehen bereits Gelder aus diversen Kohle- und Öl-Projekten ab. Wichtige fossile Segmente wie der Strassen- oder Flugverkehr planen aber immer noch unverändert mit den bisherigen Wachstumskennzahlen. Wie lange noch, wird sich weisen.
Weiterführende Informationen
[1] Bericht externe Seite IRENA
[2] Planungswerkzeug externe Seite E3ME