Die Erde als Werkstoff (Teil 2)
Lehmhaltige Erde ist weltweit verfügbar, billig und daher ein ideales Baumaterial insbesondere für Länder der Dritten Welt. Dort aber gilt das Material als rückständig und unmodern. Dieser Ruf verhinderte bis anhin, dass lehmbasierte Bautechniken in diesen Gebieten weiterentwickelt werden und so neues Wissen entstehen kann.
In meinem letzten Beitrag (Teil 1) berichtete ich von der Lehmhaus-Konstruktion externe Seite SUDU sowie von den (gesetzlichen) Hürden, die derzeit eine Verbreitung in der Stadt noch verhindern. Weitaus einfacher war der Transfer der Techniken aufs Land.
SRDU – Sustainable Rural Dwelling Unit
In einem Schwesterprojekt, genannt externe Seite Sustainable Rural Dwelling Unit (SRDU), welches von der Arthur Waser Stiftung in Luzern bereits seit einigen Jahren finanziert und von ETH Global mitbetreut wird, haben wir neue ländliche Wohnhaus-Typologien entwickelt, die erstens traditionelle Materialien aufgreifen (Lehm und Bambus), diese aber mit weiterentwickelten Techniken verarbeiten (Lehren aus dem externe Seite SUDU-Projekt). Zweitens sieht der Entwurf die Trennung von Mensch und Tier vor – ein Problem, das auf dem Land noch immer zu vielen Krankheiten führt. Zudem wurden die traditionell in mitten der Rundhütten angelegten Kochstellen durch nicht-rauchende Biogaskocher ersetzt, wobei das Gas durch die Nutzung des Tierdungs erzeugt wird. Lungenerkrankungen gehören bei Frauen noch immer zu den am häufigsten auftretenden Todesursachen im ländlichen äthiopischen Raum, auch eine Folge der derzeitigen Bautypologien.
Unterstützung durch Trendsetter
Der Erfolg dieses Projektes, das mittlerweile vom ETH Future Cities Laboratory Singapore (FCL) und dem EiABC (Ethiopian Institute of Architecture, Building Construction and City Development) betrieben wird, zeigt sich in der Tatsache, dass sich zur Zeit elf sogenannte Trendsetter dazu entschlossen haben, ebenfalls ein solches Gebäude zu errichten. Diese Trendsetter sind hoch angesehene Persönlichkeiten aus der Region um Wolkite, einer kleineren Siedlung 250 km südlich von Addis Ababa. Bezahlt werden diese Häuser von den Bauherren selbst, wobei die Forscher des EiABC und des FCL Singapore fachliche Beratung leisten. Ebenfalls wurden im Rahmen des Forschungsprojektes neue Lehrpläne entwickelt, um in den Berufsschulen der Region diese natürlichen Ressourcen und deren Verarbeitung vertieft zu unterrichten und weiterzuentwickeln – eine wichtige Voraussetzung für eine Langlebigkeit des Projektes.
Lehmhäuser auch in der Schweiz
Jedoch gibt es neben diesen einfachen Ansätzen derzeit auch vielfältige Forschungsprojekte, die durchaus das Potenzial haben, dieses traditionelle Baumaterial neu zu entdecken und den Gebrauch innovativ und zukunftsorientiert voran zu treiben.
Alleine hierzulande wird man in näherer Zukunft mehrere Projekte sehen können, die sich diesem Baustoff widmen. Die ETH Professoren Herzog & de Meuron haben gerade gemeinsam mit dem Architekten und Inhaber des UNESCO Chair of Earthern Architecture Martin Rauch ein neues externe Seite Gebäude aus Lehm für die Firma Ricola errichtet. Und die Professorin Annette Spiro des Departements Architektur der ETH hat mit ihrem Team, allen voran Gian Salis, zusammen mit Martin Rauch eine externe Seite Stampflehmkuppel geschaffen, die bald am ETH-Standort Hönggerberg zu besichtigen ist. In beiden Fällen kommen neue Produktionsmethoden und Anwendungen zum Einsatz, die weit über das bisherige Verständnis des Materials und dessen Verarbeitung hinausgehen und seinen Ruf als «altbacken» gänzlich widerlegen.
Baustein aus Wüstensand
Forschungsarbeiten gehen auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten und den USA voran, wo die Architektin Ginger Krieg Dosier komplett neue Wege geht und externe Seite Wüstensand – der normalerweise nicht für die Bauindustrie zu gebrauchen ist – mit Hilfe von Bakterien zu neuen Natursteinen wachsen oder reifen lässt. Diese Steine versprechen härter als gebrannte Tonziegel zu sein und dies, ohne gefeuert zu werden. Die Forscher sprechen von einer Revolution, da sich hiermit der CO2-Ausstoss aller normalerweise benötigten Brennanlagen einsparen lassen würde, was immerhin der Hälfte der jährlich von allen Flugzeugen ausgestossenen Emissionen entspricht. All diese Ansätze, wie utopisch sie zur Zeit auch klingen mögen, versprechen eine Entwicklung, die nach vorne und nicht mehr zurück gerichtet ist.
Weiterführende Informationen
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