Bilanz ziehen und ausstellen
Das Future Cities Laboratory (FCL) der ETH Zürich forscht seit bald fünf Jahren in Singapur an konkreten Projekten im Bereich nachhaltige Stadtentwicklung und architektonischer Entwurf. Zum ersten Mal ist eine Auswahl der Forschungsprojekte an einer Ausstellung in Zürich zu sehen.
Auf rund 20 Tischen in der Haupthalle der ETH zeigen die Forschenden, wie sie in Singapur arbeiten. Auf den weissen Tischen sind Projekte zu sehen, die von einzelnen Forschungsgruppen in einer Disziplin erarbeitet wurden, wie zum Beispiel das «3For2». In Singapur nehmen technische Systeme und Bauelemente in der Regel bis zu einem Drittel des Raumvolumens ein. Mit integrierten Systemen, die im Gebäudekern verlaufen, könnte man in der Höhe, die bisher für zwei Stockwerke benötigt wurde, neu drei Stockwerke unterbringen – wie der Name schon sagt: drei für zwei. Gleichzeitig schafft das neue System ein angenehmes Raumklima und steigert die Energieeffizienz um das Zweifache.
Neue Tropische Stadt und Fliesen aus Kaffeesatz
Auf den schwarzen Tischen werden Synergieprojekte, die disziplinübergreifend erarbeitet wurden, vorgestellt. Besonders eindrücklich ist beispielsweise das Projekt Tropical Town. Drei Modelle in verschiedenen Massstäben zeigen die Idee von einem erweiterbaren Haus mit einheimischen Materialien, über die geplanten Wohneinheiten mit Bambuszucht, gemeinsamen Klärbehältern und Regenwasserspeichern, bis hin zum Stadtplan einer Tropical Town, die auf 16 Hektaren bis zu 9000 Menschen beherbergen könnte. Das Projekt bündelt ETH-Kompetenzen in vielen Bereichen wie Architektur, Stadtplanung, Materialwissenschaft und Bautechnik. Es wurde auf Einladung des Stadtplanungsdezernates von Batam und Jakarta entwickelt – Tropical Town ist also nicht nur eine Gedankenspielerei, sondern könnte dereinst tatsächlich gebaut werden.
Auf die Frage, was ihm als Kurator der Ausstellung besonders gefalle, antwortet Dirk Hebel, Professor für Architektur und Konstruktion an der ETH Zürich: «Ich bin begeistert von den vielen Objekten, die massstäblich zu sehen sind, sei es der bauende Roboter oder neue Baumaterialien, die aus der grössten Ressource unserer Städte hergestellt sind: aus Müll.» Tatsächlich ist dieser Ausstellungstisch besonders farbig. Da werden gehäckselte alte Jeans zu Dämmmaterial, aus PET-Flaschen machen die Forschenden stabile Bauelemente und es sind sogar Fliesen aus altem Kaffeesatz ausgestellt.
Engagement in Singapur lohnt sich
Ein kurzer Blick zurück erklärt, wie es zum ETH-Engagement in Singapur gekommen ist: 2010 unterzeichnete die ETH Zürich mit der Singapore National Research Foundation (NRF) ein Abkommen, um eine neue Plattform für nachhaltige Stadtentwicklung in Singapur aufzubauen. Das Future Cities Laboratory wurde als interdisziplinäres Forschungsprogramm im September des gleichen Jahres als erstes Programm des Singapore ETH-Centre for Global Environmental Sustainability (SEC) gestartet. Bereits 2012 konnte das SEC dann im CREATE (Campus for Research and Technological Entreprise) einziehen und offiziell eingeweiht werden.
Professor Peter Edwards, der Direktor des Singapore-ETH Centre, legt im Zukunftsblog ausführlich dar, warum es sich gelohnt hat, in Singapur einen Standort aufzubauen. Neben den vielen wertvollen wissenschaftlichen Erkenntnissen, die man gewinnen konnte, sei Singapur ein idealer Standort, um die Herausforderungen einer schnellwachsenden Stadt zu studieren. Zudem helfe das SEC und die Arbeit des FCL dabei, den Bekanntheitsgrad der ETH Zürich in der Region enorm zu steigern und biete Studierenden eine einmalige Chance, sich in einem globalen Umfeld zu bewegen.
Alternativen denken und zeigen
Nach fast fünf Jahren Arbeit vor Ort präsentiert das FCL nun eine Art Bilanzausstellung in Zürich, um einem interessierten Publikum die Forschung, die im fernen Singapur entstanden ist, näherzubringen. Dirk Hebel gibt zu bedenken: «Wir sind uns alle einig, dass diese Welle von zukünftigen städtebaulichen Entwicklungen nicht gleich verlaufen kann wie in Europa oder Nordamerika. Dazu fehlen uns schlechthin die Ressourcen.» Mit dem FCL erforscht die ETH Zürich, welche Alternativen denkbar sind und welche Fragen am dringendsten beantwortet werden müssen. Welche nicht-fossilen Energiequellen nutzt man und wie kann man bestehende Systeme effizienter machen? Wie organisiert man städtische Systeme, deren Einwohnerzahlen bei über zehn Millionen Menschen liegen? Wie sehen Mobilitätskonzepte der Zukunft aus? «All diejenigen, die diese Fragen interessieren – sei es nun professionell oder eher von einem Bauchgefühl her, das wir hier anfangen müssen, uns Gedanken zu machen – sollten sich diese Ausstellung anschauen», meint der Kurator.