Schlüsselkompetenz Mathematik
Die Erhebung und Auswertung von Daten wird in der heutigen Zeit immer wichtiger. Dies gilt insbesondere auch für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung von ärmeren Ländern. Deshalb ist es dringend notwendig, die mathematische Ausbildung in diesen Ländern zu stärken, wie sich am Mittwoch am Science and Development Forum zeigte.
Wie kann die Wissenschaft die Entwicklung von ärmeren Ländern unterstützen? Bei dieser Frage denken die meisten wohl an Disziplinen wie Agronomie, Medizin, Verkehrsplanung oder Wasserversorgung. Vergessen geht dabei, dass auch die Mathematik einen wichtigen Beitrag leisten kann. Denn in vielen Bereichen lassen sich wirtschaftliche und gesellschaftliche Fortschritte nur erzielen, wenn entsprechende statistische Daten vorliegen und das Wissen vorhanden ist, wie diese Daten interpretiert werden können.
Paradoxe Situation
Wie wichtig Mathematik, Statistik und Datenverarbeitung für Entwicklungs- und Schwellenländer sind, zeigte sich am diesjährigen Science and Development Forum, das am Mittwoch gemeinsam vom Departement Mathematik und ETH Global durchgeführt wurde. So stellen beispielsweise die 230 Indikatoren, die im Rahmen der Sustainable Development Goals der UNO erhoben werden, gerade diese Länder vor völlig neue Herausforderungen, wie Johannes Jütting, Manager der OECD-Initiative «Partnership in Statistics for Development in the 21st Century» in seinem Referat aufzeigte.
Gerade in Afrika, so hielt Jütting fest, sei die Situation besonders paradox: So stehen heute aufgrund der hohen Verbreitung von Mobiltelefonen eine Fülle an neuartigen Daten zur Verfügung, die beispielsweise für die Verkehrsplanung genutzt werden können. Gleichzeitig fehlt es in vielen Ländern nach wie vor an elementaren Grunddaten, beispielsweise zur Bevölkerungsentwicklung oder Schulausbildung. Immer wieder kommt es zudem vor, dass Ministerien, statistische Ämter und internationale Organisationen völlig divergierende Angaben zu bestimmten Kenngrössen machen. «Wie soll eine Regierung aufgrund einer solchen Ausgangslage sinnvolle Entscheide treffen?», fragte Jütting.
Das Potenzial wird nicht ausgeschöpft
Unbestritten war am Forum, dass es in den meisten afrikanischen Ländern – genauso wie in vielen Regionen Südamerikas und Asiens – einen eklatanten Mangel an Fachkräften gibt, die über ein ausreichendes mathematisches Fachwissen verfügen. «Afrikas Potenzial an Talenten wird noch längst nicht ausgeschöpft», erklärte Barry Green. Als Akademischer Direktor des African Institute for Mathematical Sciences (AIMS) setzt er sich aktiv dafür ein, dass sich dies in den nächsten Jahren ändern wird.
Das AIMS wurde vor 15 Jahren in Südafrika gegründet und ist heute auch in Senegal, Ghana, Kamerun, Ruanda und Tansania mit eigenen Zentren tätig. Die Studierenden am AIMS, die jeweils aus einer Vielzahl von Bewerbern aus unterschiedlichen Ländern ausgewählt werden, erhalten in zwei Jahren eine viertiefende mathematische Ausbildung. Unterrichtet werden sie von Professorinnen und Professoren aus Europa, Nordamerika und Asien, die auf freiwilliger Basis jeweils für drei Wochen an den Zentren Kurse in ihrem Fachgebiet anbieten. Zusätzliche werden die Studierenden von Tutorinnen und Tutoren unterstützt, welche sich jeweils für mehrere Monate für einen Aufenthalt in Afrika verpflichten.
Bereichernde Erfahrung
Dass man am AIMS ausserhalb der bekannten akademischen Bahnen Erfahrungen sammeln kann, findet Peter Bühlmann, Vorsteher des Departements Mathematik, sehr reizvoll: «Wir Mathematiker können so einen konkreten Beitrag zur Entwicklung dieser Länder leisten und gleichzeitig auch Erfahrungen machen, die den Horizont erweitern und deshalb ungemein wertvoll sind.»
Diese Einschätzung teilt auch Werner Stahel, emeritierter Professor am Seminar für Statistik der ETH Zürich. Er unterrichtete kürzlich als Lecturer in Ruanda drei Wochen lang Grundlagen der Statistik. «Der Aufenthalt war für mich in verschiedener Hinsicht eine Herausforderung. So musste ich beispielsweise erkennen, dass die Studierenden dort gewisse Sachen völlig anders aufnehmen als ich das von der ETH her gewohnt war. Gleichzeitig beeindruckte es mich aber auch, mit welchem Elan die Studierenden bei der Sache waren.» Auch Pawel Morzywolek, der nach seinem Masterabschluss an der ETH ein halbes Jahr als Tutor in Südafrika tätig war, erlebte seinen Aufenthalt am AIMS als sehr bereichernd: «Es war eine intensive und sehr lehrreiche Zeit, die ich keinesfalls missen möchte.»
Lecturer und Tutoren gesucht
Bewerbungen von Lecturers und Tutorinnen und Tutoren sind auch ausserhalb der auf der AIMS-Website angegebenen Bewerbungsfristen willkommen. Wer am AIMS tätig sein möchte, setzt sich am besten direkt mit dem Studiendirektor des jeweiligen Zentrums in Verbindung. Informationen zum Programm finden sich unter: externe Seite https://www.nexteinstein.org/apply/