Bio als Treiber für eine nachhaltige Landwirtschaft

Biolandbau ist gewiss kein Allheilmittel. Mit den richtigen Politikinstrumenten kann er aber eine tragende Rolle in einer nachhaltigen Landwirtschaft spielen, meint Adrian Müller.

Adrian Müller

Wenn wir den Verlust an Biodiversität und fruchtbare Böden stoppen und Erosion und Gewässerverschmutzung reduzieren wollen, dann muss sich die Landwirtschaft künftig grundlegend verändern. Sonst werden wir auch die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDGs), von denen viele direkt mit der Landwirtschaft zu tun haben1, nie erreichen.

Blick auf Feld
Gesucht: Weg zu einem schonenderen Agrarsystem. (Bild: iStock/SimonSkafar)

Darüber, wie wir unsere Landwirtschaft nachhaltiger gestalten können, wird derzeit heftig gestritten. Exponenten agrarökologischer Produktionsmethoden (wie zum Beispiel Biolandbau) heben die Vorteile dieser Ansätze für die Umwelt hervor und behaupten, dass nur diese zu einer nachhaltigen Landwirtschaft beitragen können. Exponenten intensiver Produktion betonen hingegen die Notwendigkeit hoher Erträge auf weniger Fläche, um den Welthunger zu stillen. Sie argumentieren, dass ökologische Methoden wegen ihrem erhöhten Landverbrauch nie nachhaltig sein können.  

Diese polarisierte Debatte ist nicht zielführend. Es wäre besser, auf Politikansätze zugunsten der SDGs zu fokussieren anstatt auf die Vor- und Nachteile einzelner Produktionsmethoden.

Vier Empfehlungen zuhanden der Politik

In einem kürzlich in Nature Sustainability2 publizierten Kommentar diskutieren wir vier Ansätze für die Politik, die den Übergang zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft begünstigen.

  • Erstens kann die Politik alternative (ökologische) Produktionsmethoden fördern. Dies kann über Direktzahlungen, Beratung und Wissensvermittlung oder über Forschungsförderung erfolgen. Ziel ist nicht, eine bestimmte Methode zu bevorzugen und überall umzusetzen. Es geht vielmehr darum, das Potential aller ökologischer Methoden bestmöglich zu nutzen und diese als beispielhaft nachhaltige Methoden weiterzuentwickeln.
  • Zweitens kann man das Bewusstsein der Konsumenten für Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft fördern, ebenso wie das Engagement der Händler, entsprechende Produkte anzubieten.
  • Drittens helfen verschiedene Instrumente, die Landwirtschaft gesamthaft nachhaltiger zu machen. Mittels Steuern auf Pflanzenschutzmittel, Mineraldünger und auf Stickstoff in importierten Futtermitteln (und in importierter Biomasse) lassen sich Pestizide und Überdüngung reduzieren.
  • Viertens können Regierung und Industrie darauf hinarbeiten, die rechtlichen Vorgaben zu verschärfen, um beispielsweise besonders schädliche Substanzen zu verbieten.

Flexibel zu mehr Ökologie

Diese Politikansätze sind flexibel, weil sie weder Biolandbau, integrierte Produktion, Präzisionslandwirtschaft oder sonst eine Produktionsmethode bevorzugt behandeln. In einer entsprechenden Landwirtschaftspolitik finden all diese Methoden Platz, solange sie nachweislich zu Verbesserungen führen.

Ein Beispiel: Ein konventioneller Betrieb, der mit weniger Stickstoff auskommt, wird belohnt, während ein Biobetrieb, der sehr stickstoffintensiv produziert und viele Nährstoffe von ausserhalb einträgt, benachteiligt würde.

Biolandbau als Vorreiter

Biolandbau als prominentester Vertreter alternativer Produktion kann in dieser Debatte eine wichtige Rolle spielen. So hat der Biolandbau viel Erfahrung darin, die notwendigen Institutionen aufzubauen, um sich als alternative Methode zu entwickeln und zu wachsen. Alle vier genannten Politikansätze können davon profitieren.

«Als besonders wichtig erachte ich, dass die Politik Inkonsistenzen ausräumt – wie etwa gleichzeitige Subventionen für Pestizide und Biodiversität.»Adrian Müller

Darum sollten Regierungen mit ihrer Nachhaltigkeitspolitik nur diejenige Landwirtschaft fördern, die dazu beiträgt, die SDGs zu erreichen. Als besonders wichtig erachte ich, dass die Politik Inkonsistenzen ausräumt – wie etwa die gleichzeitige Vergabe von Subventionen für Pestizide oder Dünger und für die Förderung der Biodiversität.

Die aktuelle Diskussion zur zukünftigen Agrarpolitik AP 22+ der Schweiz bietet Gelegenheit dafür3. Eine zentrale Frage in dieser Debatte ist etwa, wie man eine landwirtschaftliche Produktion, die an die lokalen Gegebenheiten angepasst ist und die Tragfähigkeit lokaler Ökosysteme nicht überschreitet, am besten fördern kann.

Politik ist jedoch stets herausfordernd, weil mächtige Lobbys und starke Interessen im Spiel sind, was nicht unbedingt der Nachhaltigkeit förderlich ist.

Bauern und Bürger, Wissenschaft, Politik und Wirtschaft müssen daher am gleichen Strick ziehen, wollen sie erreichen, dass die Landwirtschaft von morgen wirklich anders aussieht als die heutige. Sonst werden wir 2030 zwar noch von den SDGs sprechen, diese stünden dann aber eher für die Sustainable Development Gaps (Nachhaltigkeitslücken) der Vereinten Nationen.

Besuchen Sie unsere Webinare

Die Autoren dieses Blogs und der Publikation2 organisieren mit Helvetas und dem World Food System Center eine Reihe von Webinaren mit politischen Entscheidungsträgern zum Thema «Kohärente Richtlinien für nachhaltige Ernährungssysteme»:

Zum Beispiel am 16. Mai 2019 mit Bernard Lehmann, Direktor, Bundesamt für Landwirtschaft, und Neeraja Adidam vom indischen Landwirtschaftsministerium.

Die Webinare richten sich an ein breites Publikum und sind frei zugänglich, werden jedoch auf Englisch gehalten. Hier geht’s zum externe Seite Programm.

Referenzen

1 Die UN-Nachhaltigkeitsziele: externe Seite The Sustainable Development Goals. Beispiele sind SDG 1 «Keine Armut»; SDG 2 «Kein Hunger»; SDG 6 «Sauberes Wasser und Sanitäre Versorgung»; SDG 12 «Verantwortungsvoller Konsum und Produktion» oder SDG 15 «Leben an land». Siehe auch diesen Blogbeitrag.

2 Eyhorn F, Muller A, Reganold J, Frison E, Herren H, Luttikholt L, Müller A, Scialabba N, Seufert V, Smith P (2019), externe Seite Organic farming drives sustainability in global agriculture, Comment in Nature Sustainability 2:253-255. Freier externe Seite Zugang.

3 Agrarpolitik 2022: externe Seite AP 22+

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