Sie macht Unternehmen zu Mitstreitern

Sie war an der Entwicklung der genauesten Uhr der Welt beteiligt – und hilft heute Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit auf die Sprünge: Petrissa Eckle, Leiterin des «sustainability in business lab» an der ETH Zürich.

Pragmatische Umsetzerin mit vielen Ideen: Petrissa Eckle. (Bild: Peter Rüegg / ETH Zürich)
Pragmatische Umsetzerin mit vielen Ideen: Petrissa Eckle. (Bild: Peter Rüegg / ETH Zürich)

Eigentlich könnte sich die Physikerin Petrissa Eckle in ihrem geräumigen Büro mit dem grossen Fenster bequem einrichten. Doch sie verzichtet auf das Privileg. Lieber teilt sie sich das Büro mit ihren Kolleginnen. «Ich möchte bei meinem Team sein», sagt sie. Im «sus.lab» der ETH Zürich wird zwar hart an aktuellen Problemen gearbeitet, aber die Stimmung im Team soll darunter nicht leiden. «Sie hören es ja», sagt sie, als aus dem Flur Gelächter ertönt. «Wir versuchen, nicht immer alles so ernst zu nehmen – selbst wenn wir an so schweren Themen wie dem Klimawandel arbeiten.» Manchmal, so Eckle, seien sie und ihre Mitarbeiterinnen – in der Mehrheit Frauen – geradezu überwältigt von der Grösse der Probleme. Etwas Galgenhumor helfe oft, bei der Arbeit nicht zu verzweifeln.

Gegründet wurde das sus.lab 2016 von Volker Hoffmann, Professor für Nachhaltigkeit und Technologie, angesichts der zunehmenden Dringlichkeit von Nachhaltigkeitsthemen.  Die Gruppe um Petrissa Eckle will eine Brücke bauen zwischen der ETH-Forschung und der Industrie: auf Basis der wissenschaftlichen Erkenntnisse hilft sie Unternehmen, nachhaltiger zu werden. Die Themen reichen von Food-Waste-Management über die Nutzung von CO2-Emissionen bis hin zum Einsatz von Block-Chain-Technologien für klimarelevante Aktionen.

Ideen entwickeln und umsetzen

Kürzlich hat das sus.lab ein Projekt mit den Schweizer Salinen, dem Schweizer Monopolisten für Salz abgeschlossen. Deren Geschäftsführer Urs Hofmeier wollte Nachhaltigkeit in allen Unternehmensbereichen verankern, basierend auf den Nachhaltigkeitszielen der UNO. In verschiedenen Workshops hat Eckles Team gemeinsam mit den Schweizer Salinen 300 Ideen entwickelt und diese in 20 konkrete Projekte gebündelt. «Sie reichen von Sonnen- und Wassertanks auf den Fabrikdächern bis hin zu Projekten für mehr Geschlechtergerechtigkeit und für die Gesundheitsförderung», sagt Eckle. Manche kleinere Projekte werden bei den Salinen bereits umgesetzt, andere haben einen Zeithorizont von fünf Jahren.

Ideen entwickeln und umsetzen: Das ist genau Petrissa Eckles Ding. «Man würde über mich wohl sagen, dass ich immer viele Ideen habe und bei der Umsetzung relativ pragmatisch bin», sagt sie. Eine Qualität, die sehr gefragt ist, wenn es darum geht, den Transfer von Wissen in die Wirtschaft und die Gesellschaft zu beschleunigen.

«Ich bin gerade 40 geworden. Und nur schon die Veränderungen, die ich aktiv mitbekommen habe, zeigen wie dringend es ist, zu handeln.»Petrissa Eckle

Alle Team-Mitglieder bringen Erfahrung in der Forschung und in der Beratung oder Industrie mit. Eckle selbst hat nach ihrem Physikstudium in München an der ETH bei Ursula Keller in Experimentalphysik doktoriert: «Dort haben wir die genaueste Uhr der Welt gebaut», sagt sie. Nach dem Doktorat analysierte sie als Oberassistentin am Paul Scherrer Institut verschiedene Energieträger, um der Politik eine Entscheidungsgrundlage zu geben. Doch das war ihr zu wenig konkret: «Wir schrieben Berichte, aber die Aktion war woanders», resümiert sie.

Eckle wuchs in einer Familie auf, in der die Umwelt ein wichtiges Thema war. «Schon meine Oma war Greenpeace-Mitglied», sagt sie. Und ihr war klar: «Ich will etwas machen, das gesellschaftlich relevant ist.» 2011 schmolzen im Atomkraftwerk von Fukushima drei Reaktoren, in Deutschland wurde die Energiewende eingeleitet – und Eckle wollte an vorderster Front dabei sein. Bevor sie zum sus.lab stiess, arbeitete sie deshalb fünf Jahre in der Beratungsbranche. Dabei war es ihr stets wichtig, die Forschung für die Praxis nutzbar zu machen. «Von Banken bis zur Pharma-Industrie war alles dabei» sagt sie.

Traumjob an der ETH

Seit Dezember 2017 ist sie Leiterin des sus.lab. «Ich habe meinen Traumjob gefunden», betont sie. Es gehe ihr wirklich darum, etwas zu bewirken. «Und ohne arrogant zu klingen: Ich bin mit meinem Hintergrund in einer guten Position, um Sachen voranzutreiben.» Dennoch: Ist es nicht frustrierend, in einem Feld zu arbeiten, das so unendlich weit ist und keine schnellen Lösungen zulässt? Eckle wird nachdenklich. «Ich bin gerade 40 geworden», sagt sie. «Und schon nur die Veränderungen, die ich aktiv mitbekommen habe, zeigen wie dringend es ist, zu handeln.» Veränderungen erlebt sie zum Beispiel in ihrer Freizeit, sie ist oft in der Natur unterwegs, sei es auf einem Segelboot oder in den Bergen. Oder in Heidelberg, wo sie aufgewachsen ist: In den umliegenden Weinanbaugebieten müssen die Trauben wegen der zunehmenden Hitze jährlich ein paar Höhenmeter weiter am Berg gepflanzt werden. Dafür reifen im elterlichen Garten jetzt Feigen heran. «Das wäre früher undenkbar gewesen», sagt sie.

Andererseits sieht sie in ihrer täglichen Arbeit, wie das Umdenken einsetzt – und was Einzelne bewirken können. «Bei unseren Kunden sind es oft Einzelpersonen, die intrinsisch motiviert sind und dann mit uns Projekte umsetzen. Es reicht, wenn man ein, zwei motivierte Mitstreiter hat».

Industry Day: Forschung trifft Industrie

Mit dem jährlich stattfindenden Industry Day wendet sich die ETH Zürich an die Industrie. Sie präsentiert neue Forschungsergebnisse, herausragende Spin-off-Firmen und gemeinsame Projekte mit Unter­nehmen. Industrievertreter haben die Gelegenheit, Kontakte mit For­schenden und Jungunternehmerinnen und Jungunternehmern zu knüp­fen. Der diesjährige Event zeigte unter dem Titel «From idea to market», wie an der ETH Wissen in Zusammenarbeit mit der Industrie zu Produkten und Services werden kann

Weitere Informationen: www.ethz.ch/industryday

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