Smart essen

Klimawandel, wachsende Weltbevölkerung und schwindende Lebensvielfalt bedrohen das Ernährungssystem. Vier ETH-Forschende wissen, wie wir Nahrungsmittel nachhaltiger produzieren, verarbeiten und konsumieren können.

Ernährungskreislauf
Bei der Suche nach Lösungen untersucht das World Food System Center der ETH die gesamte Wertschöpfungskette. (Grafik: ETH Zürich)

Umwelt und Klima

Sonia Seneviratne
Sonia Seneviratne, Professorin für Land-Klima-Dynamik (Alle Fotos: Annick Ramp)

«Umwelt, Klima und Ernährung sind eng miteinander verwoben. So ist die Landwirtschaft stark vom Klimawandel betroffen, stösst aber auch viel CO2 aus. Die Herausforderungen, die sich damit für die Produktion von Nahrungsmitteln ergeben, sind gross.

Schon heute ist es auf der Erde im Schnitt ein Grad wärmer als in vorindustrieller Zeit. Hitzeextreme nehmen weltweit zu. Regen fällt vielerorts heftiger aus. Und das Risiko für Trockenheit steigt in einigen wichtigen Agrar­regionen. Auch in der Schweiz stellen zunehmend heisse und trockene Sommer eine Gefahr für die Landwirtschaft dar. Ein sich rasch erwärmendes Klima bedroht überdies die Biodiversität. Schwindet die Artenvielfalt, beeinträchtigt das auch Naturleistungen wie fruchtbare Böden, sauberes Wasser oder Bestäubung, auf denen unsere Ernährung basiert.

Die Land- und Forstwirtschaft verursacht zusammen mit weiteren Formen der Landnutzung netto rund 25 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen. Treiber sind Abholzung, Düngung, Bodenbearbeitung und Viehwirtschaft. Angepasste Bodenpraktiken wie die Direktsaat, vor allem aber mehr pflanzliche Nahrung und weniger Viehwirtschaft könnten die Emissionen stark reduzieren.»

Produktion

Achim Walter
Achim Walter, Professor für Kulturpflanzenwissenschaften

«Wir müssen unsere Nahrung nachhaltiger herstellen, das heisst für mich primär ökologischer, um Lebensgrundlagen wie die biologische Vielfalt langfristig zu erhalten. Die Produktion muss aber auch ökonomisch tragfähig und sozial verträglich sein. Das wird für unterschiedliche Anbausysteme, Produkte und Anbauregionen vielfältige Anpassungen erfordern – eine simple Einheitslösung gibt es nicht.

Vielversprechende Ansätze gibt es hingegen: Die reifende Digitalisierung, gepaart mit Fortschritten in Robotik und Biotechnologie, birgt das Potenzial, die Landwirtschaft ressourcenschonend und lebensfreundlich zu gestalten. Sensoren und Algorithmen machen agrarbetriebliche Daten nutzbar. Autonome Drohnen und Roboter können helfen, Dünger, Pflanzenschutz und Bewässerung präzise nach dem Vegetationszustand zu portionieren. Pflanzenzüchtung kann Krankheitsresistenzen und Stresstoleranzen der Kulturen erhöhen.

Für die Umwelt ist kluge Technik Trumpf – aber sie muss den Menschen mitnehmen. Es braucht die Bereitschaft der Bevölkerung, Biodiversität zu fördern und den Klimawandel zu bekämpfen. Mehr Ökologie, Transparenz und ein achtsamer Umgang mit den Daten können das Vertrauen der Konsumenten in die Landwirtschaft und ihre Produkte stärken.»

Verarbeitung

Erich Windhab
Erich Windhab, Professor für Lebensmittelverfahrenstechnik

«Lebensmittelverarbeitung findet heute entlang der gesamten Wertschöpfungskette statt, von der agrarischen Produktion bis zur ernährungsbiologischen Umsetzung im Körper. Massgebliche Verarbeitungsschritte sind beispielsweise die Separation von mit Schimmel befallenen Getreidekörnern schon bei der Ernte, das Massschneidern, Haltbarmachen und Verpacken in der industriellen Fabrikation sowie die Finalisierung der Essware für den Verzehr in Gastronomie oder Privathaushalt.

Übergeordnetes Ziel ist die globale Ernährungssicherheit. Das heisst: Zugang zu sicheren, gesunden und nahrhaften Lebensmitteln für bis zu 10 Milliarden Menschen im Jahr 2050. Dass wir uns dann Ineffizienzen wie Nahrungsmittelverluste oder den täglichen Luxus von Fleisch ökologisch schlicht nicht mehr leisten sollten, liegt auf der Hand.

Neue lebensmitteltechnologische Verfahren können dazu beitragen, die wachsende Lust auf Fleisch alternativ und nachhaltig zu befriedigen: In Form von pflanzenbasierten Lebensmitteln, die reich an Proteinen, Fasern und Mikronährstoffen sind und als vollwertige Produkte Fleisch nicht vermissen lassen. Idealerweise werden dabei auch hochwertige Komponenten aus Nebenströmen von der Verarbeitung anderer Lebensmittel verwertet.»

Konsum

Michael Siegrist
Michael Siegrist, Professor für Konsumentenforschung

«Der Mensch ist ein Allesfresser, und die Kultur beeinflusst, was auf dem Speiseplan steht. Wenn es um das Essverhalten geht, sind die meisten Konsumentinnen und Konsumenten konservativ. Es braucht Zeit, bis sie neue Lebensmittel akzeptieren. Das gilt insbesondere auch für alternative Proteinquellen als Ersatz für Fleisch.

Die Ökobilanz von Fleisch ist in der Regel schlechter als jene von pflanzlichen Proteinen. Das Bevölkerungswachstum in den Entwicklungsländern lässt die Nachfrage speziell nach Fleisch weiter zunehmen. In Europa und Nordamerika stagniert der Fleischkonsum zwar, ist aber deutlich höher als in den Entwicklungsländern. Sobald die Einkommen in diesen Ländern steigen, nimmt auch deren Fleischkonsum zu.

Den meisten Konsumenten fällt es dabei schwer, den Umwelteinfluss von Lebensmitteln richtig einzuordnen: Der Einfluss von Bio- oder konventioneller Produktion wird über-, der von tierischen Proteinen unterschätzt. So glauben viele, dass konventioneller Tofu die Umwelt deutlich stärker belastet als Bio-Rind. Darum ist es wichtig, die Konsumenten für die Konsequenzen unseres Speiseplans zu sensibilisieren. Neben der Motivation, den eigenen Fussabdruck zu senken, braucht es auch entsprechendes Wissen.»

Dieser Text ist in der aktuellen Ausgabe des ETH-Magazins Globe erschienen.

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