Wie Roboter in Pandemien helfen können
Roboter ermöglichen es Menschen, ohne direkten Kontakt miteinander zu interagieren, und schützen uns so vor Infektionskrankheiten. Allerdings wurde dies in der Robotik bisher zu wenig berücksichtigt, schreibt Brad Nelson.
«Social distancing» – dieser Begriff hat in den vergangenen Wochen Eingang gefunden in unseren Wortschatz. Wir alle wissen, was mit dieser räumlichen Distanzierung gemeint ist. Dennoch gibt es auch während einer Pandemie Situationen, in denen Menschen schlecht auf Distanz gehen können, sondern miteinander interagieren müssen. Saubere, virusfreie Roboter können in diesen Fällen als Bindeglied zwischen zwei Personen eine Interaktion ermöglichen, ohne dass es zu einem direkten physischen Kontakt kommt. Dadurch können Roboter die Verbreitung des Krankheitserregers drastisch reduzieren.
Einige Beispiele: Wenn Sie krank sind, gehen Sie zu einem Arzt und lassen sich untersuchen. Wenn Sie wirklich krank sind, müssen Sie vielleicht operiert werden. Menschen müssen auch Lebensmittel oder Medikamente einkaufen gehen oder sich solche nach Hause liefern lassen. In all diesen Situationen kann die Krankheit übertragen werden.
Ingenieure haben Roboter entwickelt, es wurden Unternehmen gegründet und Märkte geschaffen, um bei solchen Aufgaben zu helfen. Dennoch sehen wir diese Roboter nicht täglich um uns herum, auch nicht in der gegenwärtigen Pandemie. Ich weiss allerdings, dass die Pandemie die Robotiker nun motiviert, Roboter zu entwickeln, die in einer solchen Situationen wirklich helfen können. Und ich hoffe, dass die Pandemie dazu führt, Roboter auch in Zukunft auf sinnvollere Weise einzusetzen.
Vor einer Infektion schützen
Beginnen wir mit dem Gesundheitswesen. Wenn sich Pflegende und Ärzte von ihren Patienten anstecken lassen und sie erkranken, fehlen sie bei der Arbeit. Und noch schlimmer: Wenn sie ihre Patienten anstecken, führt das zu einer rasanten Verbreitung des Virus, und unser Gesundheitssystem gerät an seine Belastungsgrenze.
Die Robotik entwickelt seit vielen Jahren Lösungen für das Gesundheitssystem, aber nicht aus der Perspektive einer Pandemie. Es gibt Spitäler, die Roboter einsetzen, über die Ärzte aus der Ferne mit Patienten in Bild und Ton kommunizieren können. Bisher ging es bei solchen telemedizinischen Systemen darum, dass Ärzte ihre Patienten untersuchen können, ohne ihre Zeit mit Reisen zu verbringen. Im Fall einer Pandemie geht es um etwas anderes: Ärzte und Patienten vor einer möglichen Infektion zu schützen.
Distanz ermöglichen
Seit fast zwei Jahrzehnten werden Roboter auch von Chirurgen eingesetzt, um minimal-invasive Eingriffe an Patienten aus der Ferne durchzuführen, in der Regel ist das eine Entfernung von wenigen Metern, da der Chirurg im Operationssaal anwesend ist. Das Unternehmen, das bei diesem Ansatz Pionierarbeit leistete, verfügt heute über 5500 robotergestützte Operationssysteme in Kliniken auf der ganzen Welt. Mehr als 5 Millionen Eingriffe wurden bisher damit durchgeführt. Die Marketingstrategie für diese Systeme war bisher darauf ausgerichtet, solche minimal-invasive Eingriffe zu fördern, da sich die Patienten von solchen schneller erholen. Dass die Chirurgen keinen direkten physischen Kontakt mehr haben mit den Patienten, war bisher nur ein Nebeneffekt. Während einer Pandemie wie jetzt ist dies allerdings der entscheidende Effekt. Covid-19 wird die Sichtweise der Chirurgen auf die direkte Interaktion mit den Patienten grundlegend verändern.
Wenn wie jetzt in vielen Ländern Läden geschlossen sind oder es gar Ausgangssperren gibt, kaufen viele von uns vermehrt online ein. Einige Unternehmen haben Laufroboter und Radroboter entwickelt, um die letzten Meter zwischen Lieferwagen und Wohnung zu überbrücken. Auch die ETH war in diesem Bereich aktiv. Auch hier ging es bisher um etwas anderes: Indem diese Roboter ermöglichen, dass ein Lieferant mehrere Häuser gleichzeitig bedienen kann, tragen sie zur Effizienzsteigerung bei. Während einer Pandemie hingegen ermöglichen die Roboter das «social distancing» von Lieferant und Kunde.
«Wir werden feststellen, dass die Robotik verändern kann, wie wir miteinander interagieren – in aufreibenden Zeiten wie diesen sowie im normalen Alltagsleben.»Bradley Nelson
Und als letzte Beispiele: China erforscht den Einsatz von Robotern zur autonomen Desinfektion öffentlicher Bereiche, und eine Firma aus Dänemark verkauft einen Roboter, der Innenräume desinfizieren kann.
Roboter können mehr
All diese Beispiele zeigen, dass Roboter in einer Pandemie viel mehr leisten können als wir bisher von ihnen gesehen haben.
Damit Roboterfirmen aber tiefer in ihre jeweiligen Märkte eindringen können, brauchen wir nun Modelle und Messwerte, die verdeutlichen, warum ein bestimmter Roboter-Ansatz Infektionen stärker reduziert als andere Methoden. Wir müssen auch quantifizieren, wie der Roboter seine Bediener sicherer macht. Von entscheidender Bedeutung ist, wie ein Roboter eine zufriedenstellende, nützliche Verbindung zwischen Menschen herstellen kann, von denen die meisten eine direkte physische Interaktion mit einem anderen Menschen bevorzugen würden. Wenn wir diese Fragen angehen können, werden wir feststellen, dass die Robotik die Art und Weise verändern kann, wie wir miteinander interagieren – in aufreibenden Zeiten wie diesen sowie auch im hoffentlich später wieder einkehrenden normalen Alltagsleben.
Referenz
Yang GZ et al.: Combating COVID-19 – The role of robotics in managing public health and infectious diseases, Science Robotics 2020. 5: eabb5589, doi: externe Seite 10.1126/scirobotics.abb5589