Das Werben um die besten Köpfe
Stipendien für talentierte Studierende aus dem Ausland: So lockt die Schweiz die besten Köpfe ins Land. Das ist kein «Brain drain», sagt eine gemeinsame Studie der ETH und der Universität Zürich, sondern ein Vernetzungswerkzeug, von dem alle Beteiligten profitieren.
Die Universität und die ETH in Zürich locken Studierende aus aller Welt mit Spitzentechnologien, einem innovativen, inspirierenden Forschungsumfeld und Ausbildungsmöglichkeiten, die manchen Studierenden in ihren Herkunftsländern so nicht zur Verfügung stünden. Stipendien helfen Studierenden aus Entwicklungs- und Schwellenländern, die finanzielle Hürde zu überwinden, die mit einem Studium in der Schweiz verbunden ist.
Aber wie sieht der weitere Karriereweg der Nachwuchstalente aus? Verleiten Stipendien die besten Köpfe dazu, aus ärmeren in reichere Länder abzuwandern – der sogenannte «Brain drain»-Effekt? Oder kehren die Stipendiaten mit neuem Wissen in ihr Herkunftsland zurück, um dessen Forschung und Wirtschaft anzukurbeln? Diese Fragen standen im Mittelpunkt einer gross angelegten Umfrage der ETH Zürich und der Universität Zürich. Daran nahmen über 300 Alumni aus insgesamt fünf Stipendienprogrammen teil: Sie beantworteten einen umfassenden Fragebogen zu ihrem derzeitigen Aufenthaltsort, ihrer derzeitigen Anstellung, ihrem sozialen Hintergrund und ihren Kontakten zu ihrem Herkunftsland.
Rückkehr nicht zwingend für Wissenstransfer
Zwar war nur etwa die Hälfte der Stipendiats-Alumni bis zum Zeitpunkt der Befragung wieder in ihr Herkunftsland zurückgekehrt. Dennoch würde sie nicht von einem «Brain drain»-Effekt sprechen, sagt Emma Lindberg, Hauptautorin und zur Zeit der Studie Mitarbeiterin bei ETH Global. Auch viele Alumni, die nicht zurückgekehrt seien, hielten enge Kontakte zu ihrem Heimatland, pflegten die Zusammenarbeit mit dortigen Forschenden oder forschten an Themen, die für ihr Herkunftsland von Bedeutung sind. «Eine physische Anwesenheit ist nicht zwingend für den inhaltlichen Austausch und Wissenstransfer», sagt Lindberg.
Dennoch zieht es die andere Hälfte der Alumni – insbesondere die aus Entwicklungsländern – zurück in ihre Heimat. Gründe dafür, welche Lindberg und ihre Kollegen feststellten, waren zum einen Freunde und Familie, zum anderen aber auch bessere Aufstiegschancen als in reicheren Ländern. «Die Rückkehrenden haben mit ihrer Auslandserfahrung und einer exzellenten Ausbildung grosse Chancen, schnell eine Professur oder eine hohe Managementposition zu erreichen», erklärt Lindberg. Diejenigen, die in der Schweiz oder anderen Industrieländern blieben, erreichten bis zum vergleichbaren Zeitpunkt in ihrer Karriere keine solch hohen Positionen.
Die derzeitige Anstellung und die Anzahl der Auslandsaufenthalte nach dem Stipendium waren denn auch die einzigen Punkte, in denen die Forschenden einen signifikanten Unterschied zwischen Frauen und Männern feststellten. Die Frauen sind in hohen Positionen gegenüber der Gesamtstichprobe unterrepräsentiert. Was Rückkehrquote und bestehende Verbindungen zum Herkunftsland angeht, gab es keine geschlechtsspezifischen Unterschiede.
Konkurrenz um die Besten
«Es hat ein Wandel stattgefunden: Die neue Generation ist mobiler. Für Nachwuchstalente stellt sich nicht mehr die Frage, ob sie ins Ausland studieren gehen, sondern wohin», erklärt Barbara Becker, Direktorin für Global Transformation Affairs bei ETH Global. In vielen Schwellenländern gibt es inzwischen ebenfalls hervorragende Hochschulen. So konkurrieren die Schweiz und andere Länder mit Stipendien um die besten Köpfe.
Die Mobilität von Studierenden und Forschenden sei nicht mehr so wie früher von einer Ost-West- und Süd-Nord-Richtung dominiert, sagt Yasmine Inauen, Leiterin der Stelle für Internationale Beziehungen der Universität Zürich. «Länder wie China oder Indien ziehen heute auch schon viele Studierende und Forschende aus anderen Ländern an, und sie holen ihre eigenen im Ausland ausgebildeten Forschenden mit attraktiven Angeboten wieder zurück.» Daher setze sich der Begriff «Brain circulation» gegenüber «Brain drain» durch.
«Netzwerk nicht nur mit den Harvards der Welt»
Für die Bedeutung der Stipendien für die Einzelnen spreche auch der hohe Rücklauf: Fast 80 Prozent der Angefragten nahm sich die Zeit, die ausführlichen Fragebögen zu beantworten. Auch bekundeten fast alle Teilnehmenden ein grosses Interesse an Alumni-Netzwerken, was die fortwährende Verbundenheit der ehemaligen Stipendiaten mit der ETH und der Universität Zürich unterstreicht.
«Mit so einem einfachen Mittel wie diesen Förderprogrammen pflegen die ETH und die Universität ein Netzwerk, das eben nicht nur die Harvards dieser Welt einschliesst, sondern auch wertvolle Kollaborationspartner in Entwicklungs- und Schwellenländern», sagt Becker