Wie Salzstress die Membran verändert

ETH-Forscher finden einen unbekannten Mechanismus, mit dem Bakterien Salzstress bewältigen: Sie bauen in die Membran, die sie umgibt, das Lipid Ubiquinon-8 ein. Dieses stabilisiert die Membran und verhindert, dass die Zelle kollabiert.

Vergrösserte Ansicht: membranmodell
Unter starken Salzstress bauen E.coli-Bakterien vermehrt Ubiquinon-8 in die Mitte der Zellmembran ein. (Grafik: D. Sévin / ETH Zürich)

Eine Zelle ist im Prinzip ein mit zahlreichen wasserlöslichen Stoffen gefüllter eng umgrenzter Raum, der in einem wässrigen Medium umher schwimmt. Ist die Konzentration der wasserlöslichen Substanzen im Medium viel kleiner als in der Zelle, strömt Wasser in diese ein, um das Konzentrationsgefälle auszugleichen. Ist hingegen im Medium eine höhere Stoffkonzentration als in der Zelle vorhanden, dann fliesst Wasser aus ihr in die Umgebung. Im ersten Fall droht die Zelle zu platzen, im zweiten Fall schrumpft sie beträchtlich. Solche Situationen, die Biologen sprechen von osmotischem Stress, wirken von Zeit zu Zeit auf alle Zellen, unabhängig davon ob es Pflanzenzellen, Bakterien oder Zellen des menschlichen Körpers sind. Gegen solche Situationen sind Zellen auch gut gerüstet. Mit verschiedenen, der Forschung bekannten Strategien verhindern sie, dass sie bei Änderungen des sie umgebenden Milieus platzen oder kollabieren, wie zum Beispiel in dem sie ihren Stoffwechsel hochfahren und verschiedene Zucker produzieren.

Quer zur Hauptrichtung

Die beiden ETH-Forscher Uwe Sauer und Daniel Sévin haben nun bei Coli-Bakterien (Escherichia coli) einen neuen bisher unbekannten und überraschenden Modus gefunden, wie die Mikroorganismen mit Salzstress – also einem hohen Salzgehalt in der Umgebung, der für starken osmotischen Druck sorgt - fertig werden. Die entsprechende Arbeit ist soeben in Nature Chemical Biology erschienen. Bei stark salzhaltiger Umgebung produzieren die Bakterien ein besonderes Lipid, das Ubiquinon-8 (Q8), und zwar in grossen Mengen. Dieses Lipid wird dann zur Verstärkung in die Membranen des Bakteriums eingebaut.

Membranen bestehen aus einer Doppelschicht von Lipiden. Diese selbst bestehen aus einem Phosphatkopf, an welchen lange Kohlenstoffketten gebunden sind. Der Kopf ist «wasserfreundlich», die Ketten hingegen sind «wasserscheu». So wenden sich diese einander zu, Kontakt zu wässrigen Lösungen ausschliessend, und die Köpfe bilden quasi die Begrenzung nach aussen ins umgebende Milieu respektive ins Zellinnere. Die beiden ETH-Forscher konnten nun zeigen, dass Q8 in die Membran eingelagert wird und wahrscheinlich wie eine Querstrebe zwischen die Reihen aus Kohlenstoffketten zu liegen kommt.

Ein Prozent ist bereits genug

Je höher der Salzgehalt des Mediums steigt, desto mehr solche Lipide enthält die Membran, bei einem extrem hohen Salzgehalt von 500 Millimolar beträgt deren Anteil 1 Prozent. Bei einer wässrigen Lösung von normalem Salzgehalt (50 millimolar) hingegen ist der Q8-Anteil so klein, dass er nicht mehr messbar ist. «Offenbar reicht dieses eine Prozent bereits, um die Membran fester zu machen», sagt Uwe Sauer, «ein kompletter Membranumbau ist demnach nicht nötig.»

Dass Q8 respektive die menschliche Variante Q10 der Verstärkung der Membran dienten, überprüften die Forscher unter anderem auch mit künstlich erzeugten Vesikeln, kleinen Bläschen, die wie Zellen von einer Doppellipidmembran umgeben sind. Enthielten diese Vesikel einen Q10-Anteil von drei bis fünf Prozent, waren sie stabiler als solche, die kein Q10 enthielten.

Zufallsfund bei Routinecheck

Q8 ist für die Forscher kein unbekanntes Molekül, spielt es doch bei der Zellatmung eine Rolle als Transportvehikel für Elektronen. Dass es als Schutz vor Salzstress in der Zelle in grosser Zahl gebildet wird, war aber bisher unbekannt. Dass Q8 in grosser Zahl synthetisiert wird, konnten Sauer und Sévin mittlerweile auch bei anderen Bakterien- und Hefezellen beobachten.

Sauer und Sévin stiessen eher zufällig auf Q8 als weiteren Mechanismus, mit dem die Zelle Salzstress begegnet. Ihre ursprüngliche Absicht war es, mit einer bestimmten Massenspektrometriemethode die Stoffwechselprodukte in Coli-Bakterien zu messen, die als Salzstressantwort produziert werden. Dabei stiessen sie auf das hochregulierte Q8 und den oben beschriebenen Effekt.

Welche Konsequenz diese Beobachtung hat, ist noch unklar. Der Effekt lässt sich allenfalls in der Biotechnologie ausnützen. So könne es hilfreich sein, die Bildung von Q8 in Bakterienkulturen anzuregen, um eine höhere Stressresistenz in Industriereaktoren zu erreichen. Es gebe auch Krankheiten des Menschen, wie das nephrotische Syndrom, bei dem die Q10-Konzentration herabgesetzt ist. Bei Mäusen wurde gezeigt, dass eine Mutation im Q10-Biosyntheseweg zu Parkinson ähnlichen Symptomen führt. «Früher hat man dies meist mit Problemen bei der Zellatmung in Verbindung gebracht. Unsere Entdeckung deutet aber darauf hin, dass es mit der Stabilität der Membran zu tun haben könnte», betont der Systembiologe.

Literaturhinweis

Sévin DC & Sauer U. Ubiquinone accumulation improves osmotic-stress tolerance in Escherichia coli. Nature Chemical Biology, published online 9th February 2014. DOI: externe Seite 10.1038/nchembio.1437

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