Zerbrechliche Sprossen auf der Karriereleiter flicken
Renate Schubert ist seit 2008 Gender-Delegierte des Präsidenten der ETH Zürich. Im Interview stellt sie «Fix the leaky pipeline!», das Förderprogramm des ETH-Bereichs für junge Nachwuchswissenschaftlerinnen, vor.
Frau Schubert, Sie haben die Entwicklung des 2010 lancierten Karriereförderprogramms «Fix the leaky pipeline!» von Anfang an begleitet. Im Frühjahr 2014 startet das Programm in eine neue Runde. Welche Stossrichtung verfolgt es?
Renate Schubert: Wir wollen mit unseren verschiedenen Nachwuchsförderungsangeboten gezielt junge Wissenschaftlerinnen ab der Doktoratsstufe unterstützen. Daher sind die Angebote auf typische, ganz konkrete Bedürfnisse angehender Forscherinnen zugeschnitten. Dank der Evaluation des Programms im letzten Jahr konnten wir unser Angebot noch spezifischer an ihre Wünsche und thematischen Anregungen anpassen.
Bei welchen Fragen haben Nachwuchswissenschaftlerinnen Beratungsbedarf?
Vor allem bei den sogenannten Soft Skills wie Networking und Führungskompetenz. Im Durchschnitt sind Frauen im akademischen Betrieb und in der wissenschaftlichen Community weniger «sichtbar» als Männer. Sie treten weniger offensiv auf und nehmen seltener an Socializing-Events teil – sei es, weil zu Hause ein Kind auf sie wartet oder weil sie diese Form der Kommunikation weniger mögen.
In unseren Kursen können sie lernen, sich generell besser zu «vermarkten» und sich – zum Beispiel in akademischen Bewerbungsgesprächen – erfolgreicher zu präsentieren.
Häufig entscheiden sich Wissenschaftlerinnen in der Zeit nach der Promotion gegen eine akademische Karriere.
Richtig. Unser Gender-Monitoring zeigt jedes Jahr aufs Neue, dass die Frauenquote nach der Promotion beziehungsweise nach der Postdoc-Stufe und dann noch mal auf dem Weg von der Assistenz- zur ordentlichen oder ausserordentlichen Professur deutlich sinkt. Es gibt für Frauen also zwei auffällige «Bruchstellen» auf der wissenschaftlichen Karriereleiter.
Woran liegt das?
Die Gründe sind vielfältig. Einer liegt sicherlich darin, dass viele Wissenschaftlerinnen in der Zeit nach der Promotion an eine Familiengründung denken. Es ist daher Aufgabe der ETH Zürich klare Signale zu setzen, die zeigen, wie sich akademische Karriere und Familie vereinbaren lassen.
Vieles wird schon praktiziert: Flexible Arbeitszeiten, familientaugliche Sitzungszeiten und vor allem Möglichkeiten der Kinderbetreuung, die auf die Arbeitspensen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern abgestimmt sind.
Neben der Familienplanung gibt es aber noch andere Gründe, warum uns viele junge Frauen verloren gehen. Dazu gehört etwa, dass Frauen die mit einem Job in der Wissenschaft verbundenen Unsicherheiten als unattraktiv wahrnehmen – auch weil sie keine konkreten Vorstellungen von möglichen nächsten Schritten in ihrer persönlichen akademischen Karriere haben.
Forscherinnen wird oft keine greifbare Laufbahnperspektive eröffnet. Daher bieten wir einen eigenen Kurs zum Thema Karriereplanung an und besprechen diesbezügliche Fragen auch individuell in unseren Coaching groups.
«In unseren Kursen können Frauen lernen, sich erfolgreicher zu präsentieren.»Renate Schubert, Gender-Delegierte des Präsidenten der ETH Zürich
Im Frühjahr beginnen wieder fünf neue Coaching groups. Was erwartet die Teilnehmerinnen?
Wir bieten jungen Wissenschaftlerinnen die Gelegenheit, über einen Zeitraum von bis zu einem halben Jahr in kleinen Gruppen bis maximal acht Personen und unter der Leitung erfahrener Coaches ihre wissenschaftlichen Ziele und ihre individuellen Problemstellen zu formulieren und zu besprechen.
Auf diese Weise können Sie ihre persönlichen Herausforderungen gestärkt anpacken. Da die Teilnehmerinnen häufig ähnlichen Schwierigkeiten begegnen oder ähnliche Erfahrungen gemacht haben, bietet es sich an, im gegenseitigen Austausch gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Je nach Bedürfnis können aber auch Einzelsitzungen mit den betreuenden Coaches gebucht werden.
Was unterscheidet «Fix the leaky pipeline!» von anderen Frauenförderprogrammen an der ETH Zürich?
Unser Programm steht dem weiblichen Nachwuchs des gesamten ETH-Bereichs offen. Damit sollen angehende Forscherinnen die Chance bekommen, sich über die einzelnen Institutionen hinweg kennenzulernen und innerhalb der ETH-Gemeinschaft besser zu vernetzen.
Welche Ziele verfolgt die ETH Zürich im Hinblick auf den Anteil der Professorinnen?
Bereits 2008 hatten wir uns das Ziel gesetzt, bis 2015 einen Frauenanteil von 10 Prozent bei Professuren zu erreichen. Rechnet man die Assistenzprofessorinnen mit ein, hatten wir das Ziel schon 2011 erreicht. Sieht man sich aber nur die ordentlichen und ausserordentlichen Professuren an, liegen wir momentan bei knapp 9 Prozent. Hier zeigt sich also noch Handlungsbedarf.
Konkret soll etwa der Betreuungsprozess auf der Stufe Assistenzprofessur verbessert und die aktive Suche nach exzellenten Professorinnen verstärkt werden. Zudem soll die Sensibilität für die Bedeutung von geschlechtsbezogenen Stereotypen bei der Beurteilung von Bewerbungsdossiers ETH-weit erhöht werden.
Diese Punkte sowie etliche weitere Massnahmen sollen im Übrigen in einem «Gender Action Plan» für die ETH Zürich zusammengefasst werden, der vermutlich in den nächsten Wochen durch die Schulleitung verabschiedet wird.
«Fix the leaky pipeline!»
Am Mittwoch 5. Februar 2014 findet von 11 bis 12.30 Uhr im Alumni-Pavillon (GEP) eine Informationsveranstaltung zu «Fix the leaky pipeline!» statt.
Das Förderprogramm «Fix the leaky pipeline!» unterstützt junge Nachwuchswissenschaftlerinnen im akademischen Jobmarkt. Weitere Informationen zu den Kursangeboten 2014/15 und den neuen Coaching groups unter: externe Seite www.fix-the-leaky-pipeline.ch.
Renate Schubert ist Professorin für Nationalökonomie am Departement am Departement Geistes-, Sozial- und Staatswissenschaften und seit 2008 Gender-Delegierte des Präsidenten der ETH Zürich.