Berthold stellt die Weichen für die Medizin von morgen
Das Generationenprojekt «Berthold» soll die universitäre Medizin im Zentrum Zürich stärken: Rund um die Universität, das Universitätsspital und die ETH Zürich sollen neue Gebäude, Parks und ein Campus-Boulevard entstehen. Die ETH erhält mehr Raum.
Eine Spitalgründung aus dem Mittelalter wird zur Vision für das Hochschulgebiet im Zentrum von Zürich: Um 1200 gründete der Zähringer Herzog Berthold das erste Spital in Zürich. Das Heiliggeistspital am Wolfbach stand nahe beim heutigen Hirschenplatz. Von 1835 bis 1842 baute Zürich das erste Spital am Standort des heutigen Universitätsspitals, 1864 folgte das Hauptgebäude der ETH Zürich. Seither lehren und forschen Ingenieure, Naturwissenschaftler und Mediziner in Zürich in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander.
Die Zusammenarbeit zwischen Medizintechnik und klinischer Medizin hat in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Ursache dafür sind technologische Durchbrüche wie zum Beispiel die Gensequenzierung, die medizinbezogene Robotik und die bildgebenden Verfahren. Der Wissensaustausch zwischen Ingenieurwissenschaften und Medizin ist heute ein entscheidender Standortfaktor im internationalen Wettbewerb.
«Die räumliche Nähe im Zentrum schafft für die Zusammenarbeit von Universitätsspital, Universität und ETH Zürich ein einzigartiges Potenzial, dass sich der Standort Zürich als international führende Adresse für universitäre Medizin weiterentwickeln und die Forschung zu einer lebenswerten Zukunft beitragen kann», sagt Ralph Eichler, Präsident der ETH Zürich.
Zürcher Zentrum für Universitäre Medizin
Das heute vorgestellte und gemeinsam von Kanton und Stadt Zürich, Universitätsspital, Universität und ETH Zürich getragene Generationenprojekt «Berthold – Das Zürcher Zentrum für Universitäre Medizin» will Zürich als ein europaweit einzigartiges Zentrum für Lehre, Forschung und medizinische Versorgung stärken. Dazu soll bis ca. 2030 eine zeitgemässe bauliche und betriebliche Infrastruktur entstehen, wie Behörden, Spital und Hochschulen heute an einer Medienkonferenz darlegten.
Die Weichen für «Berthold» und die weitere städtebauliche Planung im Hochschulquartier hat der Zürcher Regierungsrat 2011 gestellt: Damals hat er beschlossen, dass sich das Universitätsspital sowie die medizinbezogene Lehre und Forschung im Stadtzentrum entwickeln sollen. Heute erfüllen verschiedene Gebäude im Zentrum die Anforderungen an eine moderne Gesundheits- und Forschungsinfrastruktur nicht mehr. Zudem gibt es räumliche Engpässe für Studierende, Personal und Patienten.
Gemeinsamer Masterplan für das Hochschulgebiet
Um die langfristigen Raumbedürfnisse von Wissenschaft, medizinischer Versorgung und Quartier umfassend zu planen, haben die Zürcher Behörden, das Spital und die Hochschulen den bestehenden Masterplan für das Hochschulgebiet aus dem Jahr 2005 überarbeitet.
Der heute vorgestellte Masterplan «Hochschulgebiet Zürich Zentrum» veranschaulicht, wo im Hochschulquartier in den nächsten rund 30 Jahren neue Bauten möglich sind und wo die künftigen Nutzungsschwerpunkte für Lehre, Forschung und medizinische Versorgung sinnvollerweise liegen.
ETH erhält mehr Flächen zum Wachsen
Eine Haupterkenntnis aus dem Masterplan ist, dass das Universitätsspital, die Universität und die ETH ihre heute genutzten Flächen im Hochschulgebiet um bis zu 40 Prozent erweitern können. Die ETH etwa kann ihre nutzbare Fläche von heute 82‘200 Quadratmeter Hauptnutzfläche auf dereinst bis zu 103‘100 Quadratmeter erweitern.
Dieser Flächenzuwachs von rund 20‘000 Quadratmetern entspricht der doppelten Nutzfläche des neuen LEE-Gebäudes, das die ETH auf der Grundlage des Masterplans 2005 an der Leonhardstrasse gebaut hat und im Oktober einweiht. Im Masterplan 2005 war kein solcher Flächenzuwachs vorgesehen. Wie viele Quadratmeter die ETH dereinst zusätzlich nutzen kann, hängt unter anderem damit zusammen, wie viel Raum Verkehr, Freiräume oder denkmalgeschützte Gebäude erhalten.
Ein verkehrsfreier Boulevard für den Campus
Der Masterplan schafft im Hochschulgebiet eine klare Ordnung durch drei räumliche Entwicklungsschwerpunkte: Die Lehre soll im Einzugsbereich der beiden Hauptgebäude von Universität und der ETH konzentriert werden, die medizinische Versorgung im Umkreis des Universitätsspitals. Die Forschung ihrerseits soll entlang eines künftigen Campus-Boulevards gruppiert werden.
Dieser 22 Meter breite Boulevard wird primär für den Fuss- und Veloverkehr reserviert und trägt den Planungsnamen «Neue Sternwartstrasse». Der Boulevard wird sich dereinst auf einer Länge von 470 Metern von der Universitätsstrasse (Ecke Haldenbach) bis zum Gloriarank hinziehen. Mit seiner Fläche 10‘000 Quadratmetern wird er die Erscheinung des künftigen Campus wesentlich prägen.
Auch der Spitalpark soll aufgewertet und zur Rämistrasse hin auf eine Gesamtfläche von rund vier Fussballfeldern erweitert werden. Zusammen mit dem geplanten neuen «Garten der Sternwarte» auf dem Spöndli-Areal soll so ein Ausgleich zu den Neubauten entstehen.
ETH und Universitätsspital tauschen Land
Die zusätzlichen Flächen der ETH liegen im Forschungsgürtel entlang der «Neuen Sternwartstrasse». Dazu haben die ETH und das Universitätsspital den Abtausch von Grundstücken vereinbart. Unter anderem soll das ehemalige Notspital, das die ETH heute als Bürogebäude ETF nutzt, dereinst der «Neuen Sternwartstrasse» weichen. Wie die Baufelder am künftigen Boulevard optimal genutzt werden, wollen ETH und Universitätsspital nun in einer Testplanung aufzeigen und vertraglich regeln.
Was heisst das für die ETH-Departemente und Disziplinen, die keinen Bezug zur Medizin haben? Roman Boutellier, der in der ETH-Schulleitung für die Planungs- und Baudossiers zuständig ist, sagt: «Die ETH-Departemente im Zentrum, ihre Lehre und Forschung, haben einen festen Platz im Hochschulquartier. Im Areal der ‹Neuen Sternwartestrasse› soll die Entwicklung auf die interdisziplinäre, medizinnahe Forschung fokussieren.» Dies betrifft die Mathematik, die Ingenieurwissenschaften, die Systemorientierten Naturwissenschaften, die Management- und Sozialwissenschaften und die Zentralen Organe der ETH.
Nun beginnt der politische Prozess
Da der Masterplan baurechtlich nicht verbindlich ist, sondern einer gemeinsamen Absichtserklärung von Kanton, Stadt, Universitätsspital, Universität und ETH entspricht, werden bis ca. Ende 2015 der Kantonale Richtplan überarbeitet und die Gestaltungspläne erarbeitet. In diesen politischen Prozessen werden auch Fragen zu Verkehr, Bauhöhen oder Umgang mit Schutzobjekten beraten.
Die Umsetzung erfolgt in mehreren Etappen bis ca. 2030, wobei für neue Gebäude und Parks jeweils Testplanungen, Studien und Wettbewerbe durchgeführt werden. Bereits am Montagabend orientieren Kanton, Stadt und Hochschulen das Quartier.
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