Was Energiesparen dem Klima bringt

Ob wir Energie sparen oder nicht, macht fürs Klima keinen wesentlichen Unterschied, sagt Anthony Patt. Entscheidend ist der Wechsel zu erneuerbarer Energie.

Anthony Patt

Während der Sommerhitzewelle 2018 berichteten Schweizer Medien, dass ältere Menschen besonders leiden: Um die klimapolitischen Ziele zu erreichen, gab es in Zürcher Seniorenheimen keine Möglichkeit, die Klimaanlage einzuschalten.1 Sicher: Energiesparen ist gut. Aber verlangt Klimaschutz, dass Menschen leiden, auch ältere, wenn es schlicht zu heiss ist?

Die Standardantwort lautet offenbar ja. Die Logik ist einfach: Der grösste Teil des Energieverbrauchs stammt aus fossilen Brennstoffen, die den Klimawandel verursachen. Also müssen wir den Verbrauch reduzieren.

Unterkühlter Thermostat
Ist es wirklich nötig, im Winter weniger zu heizen, kleinere Autos zu fahren und im Sommer auf die Klimaanlage zu verzichten? (Bild: mrPliskin/iStock)  

Doch die Logik hinkt. Um den Klimawandel zu stoppen, müssen wir unsere CO2-Emissionen nicht nur senken, sondern vollständig beseitigen. Wenn keine Energie aus fossilen Brennstoffen stammt, ist es dem Klima egal, wie viel wir verbrauchen.

Natürlich ist das auch nicht die ganze Geschichte. Es wird einige Zeit dauern, bis wir in allen Sektoren vollständig auf erneuerbare Energien umsteigen können. Ich sehe also zwei wichtige Fragen, die es zu beantworten gilt:

Erstens, macht die Energie, die wir in dieser Phase des Übergangs sparen, einen Unterschied? Zweitens, kann Energiesparen den Übergang zu erneuerbaren Energien beschleunigen, oder könnte es den Wandel sogar verlangsamen?

Ein Tropfen auf den heissen Stein

Wir haben kürzlich die erste Frage untersucht.2 Die kurze Antwort: Energiesparen macht fast keinen Unterschied. Um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, müssen wir die Emissionen in den nächsten zwanzig bis dreissig Jahren eliminieren. Der genaue Zeitpunkt hängt auch davon ab, ob es möglich sein wird, CO2 künftig aktiv aus der Atmosphäre zu entfernen.

Wie energieeffizient wir agieren, spielt fürs Klima fast keine Rolle: Unter der aktuellen Effizienzsteigerungsrate beträgt die Frist für fossile Brennstoffe 25 Jahre, also 2043. Mit grossem Aufwand könnten wir die Rate der Energieeffizienz von derzeit 1,5 auf 3 Prozent pro Jahr verdoppeln. Doch das würde die Frist nur um ein Jahr auf 2044 verschieben. Energieeinsparung verschafft uns praktisch keine Zeit.

Unklare Effekte

Zur zweiten Frage: Macht es Energiesparen einfacher oder schwieriger, in so kurzer Zeit fossilfrei zu werden? Kurz: Wir wissen es nicht. Es gibt Argumente, die in beide Richtungen gehen, aber wenig belastbare Evidenz.

Ein Argument dafür lautet, dass je weniger Energie wir verbrauchen, umso weniger Infrastruktur für Erneuerbare wird benötigt, was den Übergang beschleunigt. In einigen Fällen gibt es deutliche Synergien: Elektroautos etwa sind energieeffizienter als Benziner und können mit Strom aus Sonne, Wind und fallendem Wasser fahren. Ähnliches gilt für elektrische Wärmepumpen verglichen mit Öl- und Gasheizungen.

«Wir stoppen den Klimawandel nicht, indem wir weniger Energie brauchen, sondern indem wir auf erneuerbare Energie umsteigen.»Anthony Patt

Andererseits kann man argumentieren, dass das Investitionsklima den Aufbau der Infrastruktur begünstigt, wenn die Energienachfrage wächst oder zumindest nicht zu schnell sinkt. In der Tat gibt es Fälle, wo mehr Energieverbrauch hilfreich: In einer Studie haben wir festgestellt, dass die künftigen Kosten um grosse Mengen an Solarstrom in das Energiesystem einzuspeisen viel geringer ausfallen, wenn der künftige Strombedarf im Sommer und nicht im Winter am höchsten ist.3 Das ist beispielsweise der Fall, wenn Menschen Klimaanlagen nutzen.

Natürlich gibt es viele Gründe, Energie zu sparen. Aber den Klimawandel stoppen wir nicht, indem wir weniger Energie verbrauchen. Wir stoppen den Klimawandel, indem wir auf erneuerbare Energie umsteigen.

Referenzen

1 Huber, M. Senioren leiden in Zürcher Altersheimen für den Klimaschutz. externe Seite Tages Anzeiger (13.10.2018). 
2 Patt, A., van Vliet, O., Lilliestam, J. & Pfenninger, S. Will policies to promote energy efficiency help or hinder achieving a 1.5°C climate target? Energy Efficiency (2018). externe Seite doi
3 Pfenninger, S. et al. Potential for concentrating solar power to provide baseload and dispatchable power. Nature Clim. Change 4, 689–692 (2014).

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43 Kommentare

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  • David Jones29.06.2019 07:48

    Ich glaube, das Konzept hier ist etwas verdreht. Nicht sparen sondern Energie effizient verwenden. Also keine Glühbirnen verwenden, wenn wir bereits LEDs kaufen können, unzählige Geräte, die nicht ständig verwendet werden komplett ausschalten, für Temperature die nicht ständig über 30c liegen eher einen Entfeuchter anstatt Klimaanlage verwenden und so weiter. Wenn wir mehrere Wochen über 30c hinter einander erleben und die Temperaturen über 20c in der Nacht bleiben, dann ist eine Klimaanlage womöglich notwending. Wenn aber nicht, dann geht es auch mit eine Kombination von Entfeuchter und Ventilator.

     
       
    • Karsten Wehrmeister16.03.2019 19:23

      Leider verlieren sich hier wieder alle in den Details. Der wirkliche Punkt bei dem Klimaproblematik ist der Mensch selber und vor allem das Wirtschaftssystem sowie die Bekämpfung/Ausbeutung der so feindlichen Natur. An diesem Punkt müsste eine grundlegende Veränderung geschehen und das wird NIEMALS geschehen - leider. Den solange Gewinne und Geld eine Rolle spielen, sind wirklich funktionierende und sinnvolle Veränderungen schlicht nicht finanzierbar und damit unrealistisch. Also kann eigentlich überhaupt keine Umweltpolitik umgesetzt werden. Ich weiss natürlich auch keine Lösung, sofern es sie überhaupt gibt. Ich sehe nur, dass uns die Politiker und vor allem die Industrie immer nur belügen, betrügen und auf ihre Gewinne achten. So werden wir niemals etwas erreichen können. Lösung: keine in Sicht.

       
         
      • Peter Schwaller01.03.2019 15:13

        Herr Patt, Ihr eindimensionales Rezept, die Klimaerwärmung, falls sie vom Menschen verursacht wird, mit der Wende zu "erneuerbaren" Energien zu stoppen ist ein rein intellektuelles Konstrukt und weit weg von technisch und wirtschaftlich real Machbarem. Zu gross sind die vielen verschiedenen Kulturen, Lebensstandards und Bildung der Menschen auf diesem Planeten. Alle gut gemeinten Massnahmen verblassen auf dem Hintergrund der stets wachsenden Weltbevölkerung, die sich in 40 Jahren von 4 auf 8 Milliarden verdoppelt hat. Politisch hat keine Regierung den Mut, diese Entwicklung zu stoppen, denn dann hat man alle Religionen gegen sich.

         
           
        • Hagen Schwerin07.01.2019 17:39

          Gute Frage, ob höhere Energieeffizienz die Dauer des Übergangs zu Erneuerbaren Energien ändert. Diese Frage steht allerdings nicht im Raum, wenn wir Energieeffizienz nicht einfach steuern können, sondern sie auf Politikmassnahmen, die Energieverwendung verringern koennen, reagiert. Man muss sogar Technologie- von Politikeinflüssen unterscheiden. Die Idee einer von Technologieveränderungen induzierter Energieeffizienz hat eine Analyse von Jevons' Paradox (welches lautet, dass eine höhere technikgetriebene Energieeffizienz die Energieverwendung erhöht) nach nun 150 Jahren der Postulierung ermöglicht: "Does Higher Energy Efficiency Lower Economy-Wide Energy Use?".

           
             
          • Walter Aeberli20.12.2018 16:05

            @Jürgen Baumann (18.12.2018 11:40h): Die Methode der Umrechnung von Kostenanteilen (Investition, Amortisation und Betriebskosten) in Energie ist im Original-Artikel von Ferroni et al. (Energy Policy 94(2016) pp. 336-344) unter Punkt 5 beschrieben. Die Gesamtbilanz weist schliesslich eine EnergieSENKE nach.

             
               
            • Walter Aeberli20.12.2018 15:55

              @Tony Patt (18.12.2018 09:05h), @Martin Holzherr (18.12.2018 11:24h): Alle Behauptungen im Artikel von Raugei et al. wurden von Ferroni et al. widerlegt in Energy Policy 107(2017) pp. 498-505.

               
                 
              • Lutz Barz20.12.2018 08:13

                Zu einfach. Heilig für die Faulen, die nichts tun wollen. Wir verbrauchen zu viel, weil wir Menschen zu viele auf diesem Planeten sind. Wenn wir einfach eine lange Pause machen und natürlicherweise weniger Menschen überleben lassen, bis wir ungefähr viel weniger sind, dann können wir wirklich im einer Utopia leben. Keine Probleme mit dem Klima!

                 
                • Martin Holzherr20.12.2018 16:18

                  @Lutz Barz (Zitat 1): "Zu einfach. Heilig für die Faulen, die nichts tun wollen." Antwort: Überhaupt keine Kohle, kein Öl und kein Erdgas mehr verbrennen ist in der Tat etwas, was sich einfach verstehen lässt, aber es ist gar nichts für die Faulen, wenn sie innerhalb 30 Jahren einen Ersatz für Kohle, Erdöl und Erdgas brauchen. (Zitat 2): "Wir verbrauchen zu viel, weil wir Menschen zu viele auf diesem Planeten sind." Antwort: Es gibt nicht genügend Zeit für eine Bevölkerungsschrumpfung, denn in 30 Jahren ändert sich die Anzahl der Menschen auf der Erde nur wenig, aber in 30 Jahren sollten wir vollkommen von Kohle, Erdöl und Erdgas wegkommen.

                   
                   
                 
              • Ivo Beck, Julian Helfenstein, Raphael Portmann19.12.2018 21:28

                Es würde uns interessieren, wie Sie sich das vorstellen: Wie soll der ganze zusätzliche Bedarf an Stahl, Aluminium, Lithium, etc., welcher für die Energiewende, also beispielsweise den Umstieg zu Elektroautos, benötigt wird, nachhaltig gedeckt werden, wenn wir unseren Energieverbrauch nicht senken? Dies führt nur zu einer Verlagerung von Umweltproblemen: Es mag zwar sein, dass wir das Klimaproblem damit annähernd in den Griff bekommen, aber wir verschärfen damit andere Umweltprobleme (Verlust von Biodiversität, Boden- und Wasserqualität). Unserer Meinung nach mag Ihre Äusserung zwar wissenschaftlich korrekt sein, ist aber zu kurz gegriffen. Dieser Tunnelblick verletzt die gesellschaftliche Verantwortungsaufgabe eines Wissenschaftlers in diesem öffentlichen Blog.

                 
                   
                • Martin Holzherr18.12.2018 22:01

                  Energieffizienz-Programme spielen in den EU-Energieplänen für 2020 und 2030 eiine wichtige Rolle wie die EU-Website Energy-Efficiency ( https://ec.europa.eu/energy/en/topics/energy-efficiency ) zeigt . Auf dieser Website wird das Wort „Renewables“ nur gerade im Zusammenhang mit dem Gebäudebereich erwähnt, dafür ist von „Cogeneration of heat and power“ (Blockheizkraftwerke) die Rede und von „Heating and Cooling“ (Klimatisierung). Als Ziele werden angegeben: Weniger Gasimporte, geringere Notwendigkeit das Netz auszubauen, weniger Kosten, mehr Beschäftigung im Gebäudebereich., etc. Jedenfalls erhält man als Leser den Eindruck, Erdgas und womöglich auch andere fossile Energien würden in der EU auch 2030 noch eine wichtige Rolle spielen - und genau das ist auch zu erwarten. Allgemein gilt wohl: Wer vorrangig auf Energieeffizienz setzt, der bekennt damit, dass er nicht an die Möglichkeit eines baldigen vollkommenen Verzichts auf fossile Energien glaubt, sondern eher an Einsparmöglichkeiten.

                   
                     
                  • Thomas Schaerer18.12.2018 10:55

                    @ Martin Holzherr > Die Schweizer fliegen sehr gern und viel. Doch sie rechnen das kaum je in ihr CO2 oder auch nur Energiebudget ein. Und die Schweizer schenken sehr gern. Ganz besonders an Weihnachten. Ich beobachtete kürzlich eine Postlieferung aus gleichzeitig zwei Postautos in ein 5-stöckiges Haus. Die Lieferung von z.T. sehr grossen sperrigen Packeten dauerte ganze 20 Minuten. Das ist definitiv ein hirnverbrannter Blödsinn! Das Hirn einschalten und mal darüber nachdenken, welche CO2-Menge produziert wird durch die Herstellung und später letztenlich durch die Vernichtung (Entsorgung) dieser Geschenke. Dümmer geht's nimmer!

                     
                       
                    • Jürgen Baumann18.12.2018 10:44

                      Ein Punkt ist bei der Energieeffizienz allerdings zu berücksichtigen: Wenn ich weniger verbrauche, muss ich weniger Quellen und Verteilsysteme für Erneuerbare konstruieren. Insofern hilft Energieeffizienz den Sprung zu den Erneuerbaren eher zu erreichen. Und da das Potential in der Schweiz - wie in fast allen Ländern - bei 30% der genutzten Energie liegt, ist das nicht unerheblich.

                       
                         
                      • Bernhard Wehrli18.12.2018 10:18

                        Wir können auf absehbare Zeit nicht "erneuerbar" fliegen. Also sollten wir Flugreisen mit Videokonferenzen und Velotouren ersetzen. Wenn wir mit Solarstrom Wärmepumpen antreiben wollen, so lohnt es sich, zuerst die Wärmedämmung der Häuser zu verbessern. Damit erhalten wir mehr geheizte Wohnfläche pro Solarpanel. Den politischen Wettlauf um das 2°C Ziel werden wir dann gewinnen, wenn wir technische und soziale Synergien realisieren zwischen energiebewusstem Leben, effizienter Technik und CO2-freien Energieträgen.

                         
                        • Tony Patt20.12.2018 12:51

                          Aus einer Transitions-Perspektive ist Fliegen ein Sektor, wo meine Argumente nicht stimmen, und wenn ich mehr Platz gehabt hätte, hätte ich das geschrieben. Es ist so, weil die nötigen Technologien immer noch im Laborstadium sind. Wir haben keine Möglichkeit, jetzt auf grünes Fliegen umzusteigen, denn grünes Fliegen gibt es noch nicht. Vielleicht in 10 Jahren, wenn wir schnell agieren. In der Zwischenzeit gibt uns weniger Fliegen mehr Zeit, grüne Optionen zu entwickeln. Aber hier auch: weniger Fliegen ist kein Substitut für die Entwicklung von grünen Technologien.

                           
                           
                        • Bernhard Wehrli19.12.2018 10:13

                          Für den Ausgleich der Tag-Nacht-Schwankungen haben wir in der Schweiz eine Lösung: Pumpspeicher. Der Muttsee Pumpspeicher liefert 1 Gigawatt Leistung - so viel wie ein AKW. Diese riesige Batterie existiert schon, wir sollten sie nutzen. Die natürlichen Schweizer Seen speichern im Sommer Wärme, die wir im Winter nutzen können. Es ist klar, dass die Sonneneinstrahlung im Winter kleiner ist. Aber auch die Bergbäche führen im Winter weniger Wasser. Damit wir auch im Winter Strom produzieren können, haben wir in der Schweiz die Stauseen wie die Grande Dixence gebaut. Diesen Pioniergeist der 1950er Jahre brauchen wir auch im 21. Jahrhundert.

                           
                           
                        • Christoph Graf18.12.2018 15:59

                          Die Wärmepumpe brauche ich im Winter, also dann, wenn tagsüber die Solarzellen wenig, nachts gar nichts liefern. Ohne die Speicherung der von Solar und Wind produzierten Energien geht gar nichts. Und weil diese Speichertechnologien bis dato inexistent sind, ist die sog. 'Energiewende' reines Politmarketing . Neue Speicherseen zu bauen, um diese Energiemengen aufnehmen zu können, ist politisch und umwelttechnisch undenkbar. Wenn Windräder und Solarpanels mittels Milliarden von Subventionen installiert werden, ist das Symbolpolitik nach dem Motto, wir machen das was möglich ist, weil wir für das was nötig wäre keine technischen Antworten haben.

                           
                           
                         
                      • Simon Gisler18.12.2018 07:05

                        Ökonomische einseitige Betrachtungen, wie die von Herrn Patt sind leider im Model für den einfachen Geist von blendender Brillianz, aber unbrauchbar für die reale Welt. Die Erde ist nun mal endlich und wir Schweizer wissen nur zu gut, dass wir selbst bei einer sehr positiven Haltung gegenüber den erneuerbaren Energien, diesen nicht unser ganzen Heimatland aufopfern wollen. Etwas mehr gesunden Menschenverstand nebst der reinen ökonomischen Fachtheorie würde dem Artikel bei der Betrachtung von Energieeffizienz gut anstehen. Übrigens ist Energieeffizient auch auch wichtiger Treiber von Innovation.

                         
                           
                        • Thomas Schaerer17.12.2018 20:17

                          Besten Dank für den Artikel. Interessante Diskussion... Ich hätte da noch einen Link, dessen Inhalt wohl auch zu dieser Thematik hier passt: "Über eine Tonne Rohstoff pro PC!" http://www.elektronik-kompendium.de/public/schaerer/eschrott.htm

                           
                             
                          • Walter Ott17.12.2018 18:14

                            Es stimmt: Mit Effizienz alleine lassen sich die Klimaziele schon wegen der Reboundeffekte nicht erreichen. Es ist nötig die klimapolitischen Ziele den energiepolitischen voran zu stellen. Allerdings werden uns die einigermassen wirtschaftlichen Erneuerbaren fehlen, um ohne Effizienzmassnahmen die Klimaziele zu erreichen. Die Argumentation ist irreführend und zu simplizistisch. Sie weckt nicht einhaltbare Hoffnungen, man könne weitermachen wie bisher, einfach nur mit Erneuerbaren. Begleitende Effizienzmassnahmen sind daher nicht nur ein "Tropfen auf den heissen Stein" sondern absolut unerlässlich, auch wenn der Wechsel auf Erneuerbare höchste Wichtigkeit hat.

                             
                               
                            • Christoph Graf17.12.2018 16:36

                              Da werden zwei Themen vermischt. Energie sparen ist in jedem Fall richtig: Bei den Erneuerbaren gelingt damit die Wende (wenn es denn eine gibt) besser, bei den fossilen Substanzen erst recht, da neben weniger CO2 zukünftige Generationen die nicht verbrauchten, wertvollen Substanzen anderweitig nutzen können. Aus Erdöl kann man ja bekanntlich nicht nur Energie gewinnen. Allerdings ist eine Speichertechnologie, welche in der Lage ist, die Fossilen zum verschwinden zu bringen auch nicht Ansatzweise sichtbar, die sog. Energiewende ist seit Kyoto eine Abfolge von Konferenzen mit grossen Worten und kleinen Taten. Und ob das CO2 tatsächlich der Haupttreibner der Erwärmung ist, scheint mindestens fraglich. Die ETH hat kürzlich eine Animation der Gletscherbewegungen der letzten 120000 Jahre veröffentlicht. Darin ist schön zu sehen, wie die Gletscher wiederholt ins Schweizer Mittelland vorstiessen, und ebenso oft ganz verschwanden. Vor diesem Hintergrund (es gab damals keine Menschen, welche CO2 produzierten....) zu behaupten, man könne die Erwärmung auf 1.5 GradC limitieren ist gelinde gesagt abenteuerlich.

                               
                              • David Jones20.12.2018 11:17

                                120'000 Jahre sind innerhalb von grössere Bewegungen wie z.B. astronomische Orbitalzyklen. Sind also nicht ausschlaggebend für unsere Situation, die sich innerhalb von 5-10 Dekaden gravierend verändert. Energiespeicherlösungen sind auch bereits im Gange und werden wahrscheinlich innerhalb von 10 Jahren weit verbereitet und ausreichend entwickelt sein, damit wir in den 2030er (entwickelte Länder)bis 2040er(alle Länder) Jahre komplett umsteigen können.

                                 
                                 
                               
                            • Walter Aeberli17.12.2018 13:18

                              Ein seltsames Argument bringt Prof. Patt hier! Der Leser erhält den Eindruck, dass das Umsteigen auf erneuerbare Energiequellen alleinseligmachend ist. Wenn man aber dem entgegenstellt, dass zurzeit zahlreiche Publikationen vorliegen (Ferroni et al.), welche zeigen, dass erneuerbare Energien EnergieSENKEN sind, sobald man alle Kostenanteile berücksichtigt, dann kann man über Prof. Patts Thesen nur staunen! Dieses Thema ist viel zu wichtig als dass man ihm mit unbedarften Thesen beikommen könnte!

                               
                              • Jürgen Baumann18.12.2018 10:40

                                Ich hingegen staune wie Sie aus Kostenanteilen Energiesenken konstruieren. Können Sie da mal ins Detail gehen?

                                 
                                 
                              • Martin Holzherr18.12.2018 10:24

                                @Walter Aeberli: Prof.Patt's Erneuerbare Energien heissen allgemeiner formuliert "CO2-freie/CO2-arme Energiequellen". Die Klimawissenschaft ist sich hier absolut einig, dass die Treibhausemissionen auf Null zurückgehen müssen. Den grössten Zuwachs weltweit unter den CO2-armen Energiequellen hatten und haben bis jetzt die Erneurbaren, insbesondere, Wind- und Solarkraft, welche zusammen genommen nun etwa die Grössenordnung der Wasserkraft erreichen und sie bald überflügeln. Zusatz: Die von ihnen zitierte Studie von Ferroni et.al, welche der Solarenergie in der Schweiz keinen Nettobeitrag zur Energieversorgung zugesteht, soll mehrere Fehler (wie Doppelzählungen von Energiebeiträgen) enthalten (siehe etwa https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0301421516307066 )

                                 
                                 
                              • Tony Patt18.12.2018 08:05

                                Ich bin überzeugt, dass die Analyse von Ferron et al. sehr fehlerhaft und irreführend ist. Eine gute Antwort ist bei Raugei et al. zu finden https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0301421516307066 . Die Daten von Ferron et al. sind einfach veraltet. Ferroni et al. nehmen eine Produktivität von 80 kWh / m2 /yr an. Raugei schrieb, sie betrage mindestens 120 kWh / m2 / yr. Meine Anlage auf dem Dach im Zürich Oberland hat letztes Jahr 170 kWh / m2 produziert.

                                 
                                 
                               
                            • Max Blatter17.12.2018 11:39

                              Ein interessantes Statement! Eigentlich deckt es sich mit meiner beruflichen Entwicklung in den letzten beiden Jahrzehnten: Zuvor als Selbstständiger an messtechnischen Analysen hauptsächlich zum Thema "Energieffizienz" beteiligt, unterrichte und publiziere ich heute im Bereich "Energieerzeugung" mit Schwerpunkt "Erneuerbare Energien". Hat sich einfach so ergeben; aber es freut mich natürlich, meinen Weg nachträglich rational untermauert zu sehen!

                               
                              • Tony Patt18.12.2018 07:49

                                Es freut mich, das zu lesen.

                                 
                                 
                               
                            • Martin Holzherr17.12.2018 10:53

                              Das 1.5 Grad-Ziel wäre nur mit Abschaltung von erst 10 bis 15 Jahre alten Kohlekraftwerken möglich und es ist sicher nicht erreichbar, wenn die jetzt in Asien geplanten Kohlekraftwerke noch gebaut werden. Das Sustainable-Szenario des WEO-2018 äusserst sich hierzu recht klar (übersetzt von DeepL): "Kohlekraftwerke, die heute ein Drittel der energiebedingten CO2-Emissionen ausmachen, machen mehr als ein Drittel der kumulierten blockierten Emissionen bis 2040 aus. Die überwiegende Mehrheit davon betrifft Projekte in Asien, wo durchschnittliche Kohlekraftwerke im Durchschnitt erst elf Jahre alt sind und noch Jahrzehnte zu betreiben sind, verglichen mit 40 Jahren im Durchschnitt in den Vereinigten Staaten und Europa. Die Analyse betrachtete alle aktuellen und im Bau befindlichen Energieinfrastrukturen auf der ganzen Welt - wie Kraftwerke, Raffinerien, Pkw und Lkw, Industriekessel und Heizungen - und kommt zu dem Schluss, dass diese rund 95% aller nach den internationalen Klimazielen in den kommenden Jahrzehnten zulässigen Emissionen ausmachen werden." Fazit 1: Nur schon die existierenden fossilen Anlagen erzeugen 95% aller erlaubten Emissionen, damit das 1.5 Grad Ziel erreicht werden kann. Fazit 2: Nur wenn sogar noch "junge" Kohlekraftwerke abgeschaltet werden ist das 1.5 Grad-Ziel erreichbar. Sogar das 2 Grad Ziel würde wohl vorzeitige Abschaltungen nötig machen.

                               
                                 
                              • Edgar Schmieder17.12.2018 10:42

                                Hallo Herr Patt, Sie mögen ja recht haben, ich frage mich allerdings, in wie weit sich Ihre Differenzierung für Personen, die eigentlich zu Klimaaktiv-Personen motiviert werden sollen und thematisch nicht in der Tiefe verankert sind, nicht eher kontraproduktiv auswirkt. Fakt ist: Der Energieverbrauch insgesamt ist nicht mehr darstellbar! In welchem Kontext muss ich denn nun die "2000-Watt"-Initiative bewerten?

                                 
                                • Martin Holzherr17.12.2018 14:44

                                  @Edgar Schmieder: Ganz einfach: 2000 Watt aus Kohle, Öl und Erdgas sind sehr viel schlechter als 2000 Watt aus Sonne, Wind, Wasser und anderen CO2-freien Quellen. Zudem: Die Schweizer fliegen sehr gern und viel. Doch sie rechnen das kaum je in ihr CO2 oder auch nur Energiebudget ein.

                                   
                                   
                                 
                              • Jürgen Baumann17.12.2018 10:17

                                Richtiger Punkt! Insofern ist auch die Diskussion um eine 2000 Watt Gesellschaft irreführend. Es ist ein ziemlich grosser Unterschied, ob ich diese Leistung aus Braunkohle, Erdöl, Erdgas, Wasserkraft, Windkraft oder PV beziehe. Aber wie bringt man dieses "2000 Watt" Unikum zur neuen Erkenntnis? Es ist ja teilweise in den gesetzlichen Grundlagen von Städten wie z.B. Zürich verankert ...

                                 
                                   
                                • Marcel Lassalle17.12.2018 10:17

                                  Fragen: Wird nicht jede eingesetzte Energie letztlich zu Wärme? Wie groß ist dieser Beitrag zur Klimaveränderung?

                                   
                                  • Tony Patt20.12.2018 13:03

                                    Gute Frage. Dieser Effekt ist minimal. Ein Gedanken-Experiment: Zwei dunkle Dächer stehen neben ein ander. Das erste besteht aus Dachziegel, und wandelt die Sonnenstrahlung direkt ins Hitze um. Das zweite besteht aus PV Module, die etwas 80% der Sonnenstrahlung direkt ins Hitze umwandelt, wobei die andere 20% kommen als Strom ins Netzt. Irgendwo benutzt jemand den Strom, um die Haare zu föhnen. Beide Dächer sind gleich, wenn es um Wärme geht, oder?

                                     
                                     
                                  • Martin Holzherr17.12.2018 14:40

                                    Die vom Menschen erzeugte Wärme ist etwa 50 Mal kleiner als der Treibhauseffekt durch CO2 und andere Treibhausgase. Begründung: Man schätzt, dass durch die bis jetzt ausgestossenen Treibhausgase, die Erde um 2 Watt pro Quadratmeter erwärmt wird. Über die gesamte Erdoberfläche aufaddiert sind das gerade etwa 1 Petawattstunde Energie, die durch Treibhausgase dazukommen. Der Mensch aber erzeugt insgesamt nur etwa 15 bis 20 Terawattstunden Energie/Wärme. Also 50 Mal weniger.

                                     
                                     
                                   
                                • Christoph Küffer17.12.2018 10:14

                                  Dieser Blog vereinfacht zu sehr. Energie sparen – und genereller Verhaltensänderungen – sind für die Energiewende wichtig. Erstens, je weniger CO2 wir bereits heute ausstossen, desto geringer wird der Klimawandel. Natürlich geht es dabei nicht um Klimaanlagen in Altersheimen sondern um Mobilität, nachhaltige Ernährung und Produkte, kleine Wohnfläche und generell geringer Konsum: https://www.wwf.ch/de/nachhaltig-leben/footprintrechner Zweitens, es geht um soziale Innovationen: wir müssen in den nächsten Jahrzehnten lernen, wie wir langfristig mit viel weniger Energiekonsum auskommen. Anstrengungen zum Energiesparen sind vielleicht technisch gerechnet "ein Tropfen auf den heissen Stein" aber als kultureller und sozialer Lernprozess wichtig. Denn, drittens, erneuerbare Energien sind auch unökologisch. Sie verbrauchen Flächen und Materialien, und können z.B. Biodiversität und Landschaftsbild negativ beeinflussen. Es wird bis in 30 Jahren keine Wundertechnologie geben, welche alle unsere Energieprobleme wegzaubert.

                                   
                                  • Franco Schlegel18.12.2018 09:05

                                    Absolut einverstanden! Herr Patt ist ein "furchtbarer Vereinfacher". Dabei sollte er als Wissenschaftler bei einem solch komplexen System wie dem Energie- und Umweltproblem Komplexität erforschen und lehren. Ich vermute, dass der Umbau des globalen Energiesystems gut und gerne 2 Generationen beansprucht. Es dürfte bis Ende 2100 der Grossteil des leicht förderbaren Erdöls verbrannt sein, die Temperaturen in der Schweiz könnten daher um 5 bis 6° ansteigen. Die Schweiz tut daher gut daran, sich für diesen wahrscheinlichen "worst case" zu wappnen, z.B. durch Hochwasserschutzmassnahmen, den Verbund von Wasserversorgungen, aber auch durch den Neubau von Pumpspeicherkraftwerken im Alpenraum oder der Entwicklung alternativer Speichertechnologien. Es bleibt die Frage, woher der Strom im Europa der Zukunft stammt? Die Schweiz, Deutschland, Italien und sogar Frankreich fahren eine Importstrategie. Wo ist das europäische Land, das eine Exportstrategie mit erneuerbaren Energien verfolgt?

                                     
                                     
                                  • Tony Patt18.12.2018 07:47

                                    Sehr gute Punkte. Natürlich gibt es andere Gründe, weniger Energie zu brauchen. Vor allem führt dies zum schnelleren ökonomischen Wachstum. Es stimmt aber auch, erneuerbare Energien haben selbst einen Fussabdruck, allerdings einen Abdruck, der vielfach kleiner ist als der von fossilen Energien. Aber ... wenn man das Geld und Zeit hat, entweder in Energie-Effizienz oder erneuerbare Energie zu investieren, ist die letztere sehr viel wichtiger.

                                     
                                     
                                  • Martin Holzherr17.12.2018 15:25

                                    @Christoph Küffer: Energiesparen als (Zitat) "kultureller und sozialer Lernprozess" bedeuten für jedes Land etwas anderes. In den USA wird trotz ähnlichem Lebensstandard pro Person doppelt so viel Energie verbraucht. Länder mit gleichem Lebensstandard wie Europa aber geringerem Energieverbrauch gibt es praktisch keine. Zustimmung zu (Zitat): "Erneuerbare Energien sind unökologisch. Sie verbrauchen Flächen und Materialien" Doch nur bedingt Zustimmung, denn wenn die Solaranlage in der Sahara steht und der Solarstrom von dort kommt, haben sie kein ökologisches Problem. In 30 Jahren könnten zudem neue, sichere Atomreaktoren mit 1000 Mal weniger Abfall operieren und auch Fusionskraftwerke sind denkbar. Doch selbst mit Erneuerbaren und einem Supergrid sollten Ökologie und Komfort in Übereinstimmung kommen und solch ein Supergrid ist heutige Technologie.

                                     
                                     
                                   
                                • Jürg Nipkow17.12.2018 10:05

                                  Den Untertitel "Ob wir Energie sparen oder nicht, macht fürs Klima keinen wesentlichen Unterschied" halte ich für unverantwortlich. Natürlich ist der Umstieg auf CO2-freie Energie entscheidend, aber diesen schaffen wir nur kombiniert mit starker Effizienzsteigerung, wozu "Energiesparen" viel betragen muss. Bitte den unbesorgten Energieverschwendern nicht noch Schlagworte zur Bestätigung ihrer Haltung liefern.

                                   
                                  • Simon Gisler18.12.2018 06:52

                                    Ich stimme Jürg Nipkow vollkommen zu, der Text ist mit wenig Verantwortung für die immer kleiner werdende Erde mit immer mehr Egoisten geworden.

                                     
                                     
                                  • Walter Gille17.12.2018 13:27

                                    Absolut zutreffende Stellungnahme; es gibt eben auch einen Weg zum Ziel einer CO2-freien Energienutzung.

                                     
                                     
                                   
                                • Martin Holzherr17.12.2018 09:36

                                  Genau das: "Energiesparen ist nicht die Lösung" dachte ich schon lange. Es ist keine Lösung, wenn man im Jahr 2050 überhaupt kein technisch erzeugtes CO2 ausstossen will. Und wenn man das 1.5 Grad-Ziel erreichen will, dann darf kein Land im Jahr 2050 noch nennenswerte Mengen CO2 ausstossen und das erreicht man nicht mit Einsparungen von Kohle, Erdöl oder Erdgas, sondern nur mit völligem Verzicht auf Kohle, Erdöl und Erdgas. Allerdings ist mir inzwischen klar geworden, dass Europa auch im Jahr 2050 noch CO2 ausstossen wird, denn wofür ist denn Nord-Stream 2 (die neue russische Erdgaspipeline), wenn nicht für ein Europa, das auf Erdgas umstellt und das in Zukunft zwar weniger Kohle, dafür sehr viel mehr Erdgas verbraucht. Gemäss dem "New Policies Scenario" des "World Energy Outlook 2018" ( https://www.iea.org/weo2018/ ) wird die Welt im Jahr 2040 eher etwas mehr CO2 emittieren als heute, dies vor allem wegen weltweit 25% mehr Energieverbrauch, welcher von Asien und Afrika ausgeht und welcher teilweise fossil gedeckt wird. Fazit: Wenn die Welt auch im Jahr 2050 noch vorwiegend mit Erdgas, Erdöl und etwas weniger Kohle als heute betrieben wird, dann spielen Energieeinsparungen schon eine Rolle: Sie bedeuten dann vielleicht, dass die Temperatur in diesem Jahrhundert nur auf 3 Celsius und nicht auf 4 Celsius ansteigt.

                                   
                                  • Tony Patt18.12.2018 07:38

                                    Ja. Sehr gute Punkte, denk ich. Allerdings muss man erkennen, der World Energy Outlook 2018 entspricht nicht die Wahrheit, sondern die Resultate eines Energie-Models, das schon oft fehlerhaft prognostiziert hat. Und natürlich, wenn wir das Klima retten wollen, müssen wir die NordStream2 Pipeline als Stranded Asset frühzeitig abschreiben.