Jan Blum ist seit seiner Geburt stark schwerhörig; mit vier Jahren hat er sein erstes Hörgerät erhalten. Für Menschen wie ihn ist es im Präsenzunterricht oft schwierig, den Dozierenden zu folgen. Volle Hörsäle und typische Störgeräusche wie Tuscheln, Räuspern, Husten erschweren die Situation zusätzlich.
Jan Blum setzt deshalb auf das Hilfsmittel des Online-Schriftdolmetschens. Dieses Hilfsmittel hat er bei der IV beantragt; es wird von dieser finanziert. Dabei werden zwei Schriftdolmetscher:innen über Blums Tablet live dem Unterricht zugeschaltet, sodass sie – wie die im Raum anwesenden Studierenden – den Ton aus dem Hörsaal verarbeiten können. Alles, was gesprochen wird, übertragen die Schriftdolmetscher:innen live in geschriebenen Text. Dieser Text wiederum wird Jan Blum auf seinem Tablet angezeigt, er kann mitlesen und so dem Unterrichtsgeschehen direkt folgen und sich auch aktiv einbringen.
Die Schriftdolmetschenden, die den Studenten im Unterricht begleiten, arbeiten bei Swiss Txt und sind in der Regel ausgebildete Dolmetscher:innen oder Übersetzer:innen, die viel Erfahrung haben von Live-Einsätzen. Manche arbeiten auch als Live-Untertitler:innen beim Schweizer Fernsehen.
Beim Schriftdolmetschen gibt es zwei zentrale Methoden: Einerseits das traditionelle Schriftdolmetschen, bei dem der gesprochene Text per Tastatur mitgeschrieben wird. Andererseits das sogenannte Respeaking, wo das Gehörte per Speech-to-Text verarbeitet wird, also mithilfe eines Diktiersystems.
Die Methode des Respeakings hat ihre Besonderheiten. Bei manchen Begriffen oder Abkürzungen ist die Software nämlich fehleranfällig. Die Schriftdolmetschenden nutzen für solche Fälle selbst definierte Schlüsselwörter, die in der Normalsprache selten vorkommen, z.B. «Zack». Mit diesem vorangestellten Begriff lösen sie schwer diktierbare, vorher erfasste Begriffe aus. Statt LGBTQIA+ sagen sie zum Beispiel «ZackLG», damit im Text das korrekte Wort erscheint.
Gleichzeitig entwickelt sich auch die vollautomatische Speech-to-text-Technologie ständig weiter. Ihr Einsatz ist unter gewissen Umständen sinnvoll und hilfreich. In hochspezialisierten Themen jedoch, wie sie während des Studiums behandelt werden, ist die Korrektheit des vermittelten Inhalts essenziell. In diesem Setup profitiert Jan Blum davon, dass die Schriftdolmetschenden vorab in die Themen einarbeiten und mögliche Quellen für Missverständnisse direkt ausschliessen. Für ihn wird das sogar zum Vorteil, um dem komplexen Stoff folgen zu können: «Auch wenn ich mal eine Minute länger brauche, um ein Konzept genau zu verstehen, kann ich das Dozierte nachlesen, das Material überfliegen, bis ich wieder beim aktuellen Stoff angelangt bin.»