Wegweiser für wirkungsvolles Spenden
Spenderinnen und Spender sollten Wohltätigkeitsorganisationen nicht nach ihren Verwaltungskosten auswählen, schreibt Shruti Patel. Wer wirksam spenden will, muss andere Fragen stellen.

Der Dezember ist die Zeit des guten Zwecks. Wenn es weihnachtet, besinnen sich viele von uns derer, die weniger priviligiert sind, und die Sammelbriefe wohltätiger Organisationen stossen auf offene Herzen. Doch wie bewerten wir am besten, ob ein Hilfswerk unsere Spende gut einsetzt?
Kürzlich haben wir am Nadel eine Umfrage zur Meinung der Schweizerinnen und Schweizer zur globalen Zusammenarbeit abgeschlossen, die zeigte: Spenderinnen und Spender ziehen oft die Jahresberichte von Organisationen heran, wobei der Aufwand für die Verwaltung den Spendenentscheid am stärksten beeinflusst.

Aus früheren wissenschaftlichen Studien wissen wir zudem: Bilder und Geschichten von bedürftigen Menschen sprechen die eigenen Emotionen an und erhöhen die Spenden.1 Wir nehmen schlanke Organisationen als weniger «verschwenderisch» wahr, weil bei den Bedürftigen mehr Geld ankommt.2 Dieses Denken ist jedoch mehrfach problematisch.
«Ein Benchmark für niedrige Verwaltungskosten benachteiligt ausgerechnet jene Hilfswerke, die sich marginalisierten Themen widmen, und begrenzt ihren Handlungsspielraum.»Shruti Patel
Einerseits fehlt die Aussagekraft: Eine Hilfswerk, das nur fünf Prozent seiner Einnahmen in die Verwaltung steckt, kann durchaus verschwenderisch sein, wenn die restlichen Mittel nicht den Zielen zugute kommen. Ebenso kann ein Hilfswerk mit sehr hohen administrativen Kosten sehr wirksam arbeiten. So erhielten beispielsweise «Physicians for Human Rights» 1997 den Friedensnobelpreis für ihre Arbeit zum weltweiten Verbot von Landminen. Ihre Verwaltungskosten waren hoch.
Andererseits sind Verwaltungskosten manchmal nur deshalb niedrig, weil ein Werk nicht in Mitarbeitende, Ausbildung oder Infrastruktur investiert.
Hinzukommt: Wer sich mit populären Themen wie dem Wohl von Kindern befasst, erhält bei gleichem Fundraising-Aufwand mehr Spenden als jene Organisationen, die sich um Suchtprobleme kümmern. Die Verwaltungskosten von letzteren werden deshalb höher sein. Ein Benchmark für niedrige Verwaltungskosten benachteiligt ausgerechnet jene Institutionen, die sich marginalisierten Themen widmen, und begrenzt ihren Handlungsspielraum.
Schliesslich hängt diese Metrik immer auch von buchhalterischer Bewertung ab. Ein Obdachlosenhilfswerk, das auf seine Unterkünfte aufmerksam macht, kann die Ausgaben als Fundraising verbuchen oder als Programmausgaben.
Kurz: Zwischen Administration und Effektivität gibt es keinen Zusammenhang.
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Wir sollten bessere Fragen stellen
Wir wägen oft wochenlang ab, bevor wir einen grösseren Einkauf tätigen.3 Wir sollten dieselbe Zeit investieren, bevor wir spenden. Um die dafür geeignetsten Organisationen zu finden, sind folgende drei Fragen relevant. Antworten finden sich nicht immer im Jahresbericht oder auf der Website eines Hilfswerks. Deshalb empfehle ich, Organisationen ungeniert eine E-Mail zu schreiben. Die Organisationen werden das schätzen (ich habe früher selbst für ein Schweizer Hilfswerk gearbeitet). Also fragen Sie:
- Was sind Ihre Ziele? Viele Organisationen haben tolle Visionen, aber nicht alle haben Ziele, die spezifisch und zeitlich begrenzt sind. Konkrete Ziele deuten auf die Bereitschaft hin, Verantwortung zu tragen. Es geht hier aber nicht darum, dass Hilfswerke ständig ihre Ziele erreichen müssen.
- Was lernen Sie? Hilfswerke haben die grössten Herausforderungen unserer Zeit als Ziel, doch kaum Spielraum für Fehlschläge. Viele Unternehmen, wie zum Beispiel Amazon, machen jahrelang Verluste, bevor sie profitabel werden. Wir sollten Hilfswerke weniger an den erreichten Zielen messen, sondern sie fragen, wie und was sie aus ihren Erfahrungen lernen. Aber das allein reicht nicht.
- Wie beeinflusst Lernen Ihre Aktivitäten? Wohltätige Organisationen brauchen daher effektive Verfahren, um Aktivitäten, die nicht zum gewünschten Ziel führen, zu beenden, sowie um neue Ideen und Erkenntnis auszuprobieren.
Gewiss, ein simpler und einfach zu messender Massstab wie Verwaltungskosten ist verlockend. Indem wir jedoch andere Fragen stellen, finden wir nicht nur vielversprechende Organisationen für uns – wir helfen Hilfswerken auch, wirksamer zu werden. Und das hat nichts mit der Höhe von Verwaltungskosten zu tun.
Referenzen
1 Metzger and Günther, “Is it what you say or how you say it? The impact of aid effectiveness information and its framing on donation behavior” Journal of Behavioural and Experimental Economics (2019)
2 Metzger and Günther, “Making an impact? The relevance of information on aid effectiveness for charitable giving. A laboratory experiment” Journal of Development Economic 136 (2019)
3 Total Retail Survey Switzerland, PWC 2016
Kommentare
Es sind zusätzliche Kommentare in der englischen Fassung dieses Beitrags verfügbar. Alle Kommentare anzeigen
Kein Mensch wählt eine Organisation wegen der Verwaltungskosten aus. Fakt ist, dass hohe Marketingkosten auch hohe Erträge generieren können. Problematisch wird es wenn eine Organisation z.b Pfarrer Sieber Stiftung 35 Mio in Cash und Wertschriften hat. Die Programme aber nur rund 10 Mio jährlich ausmachen. Dies sieht man ganz häufig mittlerweile. Wer die Zewo meidet hat mehr Möglichkeiten für seine Programme.
inhalt des blogs ist sicher wertvoll. nur, die relevanten fragen zu beantworten ist für individuen kaum möglich. gibt es irgend ein portal mit entsprechenden reviews der hilfswerke?
Vielen Dank für Ihren Kommentar. Ja, die Beantwortung dieser Fragen nimmt einige Zeit in Anspruch, aber wenn Sie an der Unterstützung eines bestimmten Hilfswerks interessiert sind, lohnt es sich, diesen Prozess beginnen. Dadurch lernen Sie nicht nur die Hilfswerk besser kennen, sondern die Organisation erfährt auch, woran die Spender interessiert sind. Wenn Sie sich nicht für ein bestimmtes Anliegen oder ein bestimmtes Hilfswerk interessieren, finden Sie auf der Website www.givewell.orgcall_made Informationen über mehrere effektive Hilfswerke, die hauptsächlich im Bereich der globalen Gesundheit und Entwicklung tätig sind. Ein weiteres Beispiel ist www.givinggreen.earthcall_made für Zwecke im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Beachten Sie, dass die von diesen beiden Websites verwendeten Kriterien bedeuten, dass viele wirksame und lohnenswerte Hilfswerk von ihren Empfehlungen ausgeschlossen sind. Dies erklärt auch die Notwendigkeit und den Wert von individuellen Spendern, die ihre eigenen Informationen einholen.
Ich erfahre nur: Der Briefkasten ist täglich mit Bettelbriefen gestopft. Meist ist denen noch irgendein abstruses Geschenk beigelegt, mit dem ich wirklich nichts anzufangen weiss, als die eigenen Kisten zu stopfen und schliesslich zu entsorgen. Ihre Prinzipien sind viel zu allgemein. Was konkret kann ich vernünftigerweise tun?
Geschenke verpflichten nicht zu einer Spende. Wenn es um das Sammeln von Informationen geht, würde ich sagen, dass etwas besser ist als gar nichts. Suchen Sie sich eine Sache oder eine Hilfswerke, die Sie anspricht, und versuchen Sie, zumindest zu einer dieser Fragen Informationen zu finden. Selbst wenn Sie sich gegen eine Spende entscheiden, ist das keine verschwendete Zeit - die Organisation hat von Ihren Bemühungen profitiert.
Nicht spenden!