Der Lebensdauer von Lithium-Ionen-Akkus auf der Spur

Mithilfe von Röntgen-Tomographie haben Forschende die Vorgänge in Materialien von Batterie-Elektroden detailliert untersuchen können. Anhand hochaufgelöster 3D-Filme zeigen sie auf, weshalb die Lebensdauer der Energiespeicher begrenzt ist.

Vergrösserte Ansicht: zinnoxid
Die Partikel einer Zinnoxid-Elektrode durchlaufen während des Ladens (1-3) und Entladens (3-4) mit Lithium-Ionen sichtbare Veränderungen ihres Volumens und ihrer Struktur. (Grafik: Martin Ebner, Labor für Nanoelektronik, ETH Zürich)

Lithium-Ionen-Batterien werden in vielen Anwendungen eingesetzt, vom Handy über Laptops bis hin zur Digitalkamera. Kaum ein mobiles elektronisches Gerät, das seine Energie nicht aus einer solchen Energiequelle bezieht. Bis heute werden für die Elektroden dieser Energiespeicher so genannte Interkalations-Materialien verwendet. Solche Materialien speichern Ladungen in ihrer chemischen Struktur, ohne dass diese wesentlich verändert wird. Das macht solche Batterien vergleichsweise langlebig und sicher. Sie haben aber einen grossen Nachteil: ihre begrenzte Energiedichte, also die Menge an Energie, die pro Volumen- oder Masseneinheit gespeichert werden kann.

Auf der Suche nach leistungsfähigeren Energiespeichern tüfteln Forschende deshalb seit mehr als 20 Jahren an Batterien, die höhere Energiedichten haben. Dazu experimentieren sie mit Stoffen, die während den Ladezyklen wiederholt Legierungen mit Lithium eingehen können, wie zum Beispiel Zinnoxid (SnO). Experimente im Labormassstab zeigen, dass Batterien mit derartigen Elektroden eine vielfach höhere Energiedichte aufweisen.

Industriell verwertbar war diese Technik bis anhin jedoch nicht, weil auch diese Energiespeicher einen wesentlichen Nachteil haben: «Ihre Lebensdauer ist beschränkt», gibt Martin Ebner, Doktorand am Labor für Nanoelektronik, zu bedenken, «nach einer Handvoll Lade- und Entladevorgängen schwindet die Speicherkapazität.» Zurückzuführen sei dies auf eine massive – bis zur dreifachen – Ausdehnung des Elektrodenmaterials während des Aufladens. Beim Entladen schrumpfe es zwar, aber seinen Ausgangszustand könne es nicht wieder erreichen. Dabei brechen die Partikel beim Laden auseinander, die Struktur der Elektrode löst sich auf und einzelne Bruchstücke verlieren den Anschluss zum Rest der Zelle.

Batterie im Betrieb geröngt

Ebner und ETH-Professorin Vanessa Wood, die Leiterin des Labors für Nanoelektronik am Departement Informationstechnologie und Elektrotechnik (D-ITET), wollten deshalb genau wissen, was in einer Elektrode abläuft. Sie untersuchten elektrochemische Veränderungen und die mechanische Zerstörung des Elektrodenmaterials mit Hilfe eines bildgebenden Verfahrens, das von der Gruppe von Marco Stampanoni an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz (SLS) des PSI entwickelt wird. Stampanoni ist sowohl Professor am Institut für Biomedizinische Technik am D-ITET und Forschungsgruppenleiter am Paul Scherrer Institut (PSI). Die an der SLS verfügbare, sehr reine und intensive Röntgenstrahlung ermöglicht die Aufnahme von schnellen und hochauflösenden Röntgenbildern, die am Computer zu einem dreidimensionalen Film zusammengesetzt werden können.

Die Forscher beobachteten während des über 15-stündigen Ladens und Entladens das Verhalten von Zinnoxid-Kristallen, aus denen die Elektrode einer Modellbatterie bestand. So gewannen sie nicht nur bisher unerreichte visuelle dreidimensionale Eindrücke aus dem Inneren der Elektrode, sondern konnten die Vorgänge auch quantifizieren. Die Resultate dieser Studie werden in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht, eine Vorabversion erschien soeben online bei Science Express.

Irreversible Strukturveränderung

Die Aufnahmen verdeutlichen, dass sich die Zinnoxid-Partikel beim Laden aufblähen, indem Lithium-Ionen einströmen und dadurch das Partikelvolumen vergrössern. Die Forscher konnten zeigen, dass es sich dabei um einen Core-Shell-Prozess handelt: die Veränderung schreitet gleichmässig voran und dringt vom Rand des Partikels bis zum Kern vor. Dabei expandiert das reagierende Material linear mit der gespeicherten Ladung. Während der Entladung nimmt das Partikelvolumen dann wieder ab. Das Material kehrt jedoch nicht in seinen Ausgangszustand zurück, der Vorgang ist also nicht vollständig reversibel. Zusätzlich zur Veränderung der einzelnen Partikel expandiert auch die ganze Elektrode. Zu Beginn misst sie 50 Mikrometer, bei voller Ladung steigt ihre Dicke auf 120 Mikrometer an und kontrahiert während des Entladens aber nur auf 80 Mikrometer. Diese bleibende Verformung der Elektrode zeigt, dass die heute verwendeten Binder, die als Klebstoff die Elektrode zusammenhalten, noch nicht für diesen Batterietyp geeignet sind.

Die Zinnoxid-Partikel werden nicht nur grösser, sie unterscheiden sich auch in ihrer chemischen Zusammensetzung vom Ausgangszustand, weil nicht alle Lithium-Ionen beim Entladevorgang aus der entstehenden Mischphase austreten können. Die Röntgenaufnahmen zeigen überdies, dass das Laden die Partikelstruktur unwiederbringlich zerstört. In den Partikeln bilden sich Risse. «Diese Rissbildung ist nicht zufällig», betont Ebner. Sie entstehen dort, wo das Kristallgitter des Zinnoxids von Anfang an Fehlstellen aufweist.

Solche Einblicke in die Abläufe in einer Batterie wären ohne die Röntgentomographie, wie sie das PSI für verschiedene Forschungsprojekte zur Verfügung stellt, nicht zu bewerkstelligen. «Das Innere von Batterien in Betrieb zu visualisieren, war bisher kaum möglich. Dank der weltweit führenden Anlage, die von Marco Stampanoni und seinem Team am PSI entwickelt wird, konnten wir quasi dabei zusehen, wie eine Batterie funktioniert», freut sich Vanessa Wood.

Alternativen zu kristallinen Materialien

Die Forschenden verwendeten Zinnoxid als Modell, weil es exemplarisch eine Reihe von komplexen Veränderungen durchläuft. Dies hilft, das Verhalten von verschiedenen Batterien zu erklären. Die neuen Erkenntnisse dienen auch dazu, neue Elektrodenmaterialien zu suchen und zu erforschen, aber auch neue Formen von Elektroden zu entwickeln. Die Vorstellungen von Wood gehen dahin, anstelle von kristallinem amorphes oder nanostrukturiertes Material zu verwenden. In einem amorphen Stoff – etwa Glas oder gläserne Metalle – haben Atome keine feste Gitterstruktur und damit gänzlich andere Festigkeitseigenschaften. «Bei der Suche nach solchen Materialien muss aber berücksichtigt werden, dass sie nur dann industriell interessant sind, wenn sich davon Tausende von Tonnen günstig herstellen lassen. Diese Materialklassen bieten aber genügend Spielraum für Innovationen», betont die ETH-Professorin.

Literaturhinweis

Ebner M, Marone F, Stampanoni M, Wood V. Visualization and quantification of electrochemical and mechanical degradation in Lithium ion batteries. Science Express, published online 17th October 2013. DOI: externe Seite 10.1126/science.1241882

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