Superzyklen am Plattenrand

Wenn Erdplatten untereinander abtauchen oder kollidieren, bebt die Erde wie jüngst in Nepal. Forscher der ETH Zürich liefern neue Erklärungsansätze für die Entstehung von Superbeben entlang von Subduktionszonen am Beispiel der Küste Japans.

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Erdbebenschwarm vor der Ostküste Japans am 11. März 2011: Gepunktete Kreise entsprechen Vorbeben, ausgezogene Kreise Nachbeben. Der grösste Kreis entspricht der Lage des Epizentrums des Hauptbebens. (Grafik: NASA Earth Observatory)

Am 11. März 2011 entlud sich vor der Küste Japans die Spannung zweier verkeilter Erdplatten unter dem Meeresboden und löste einen gewaltigen Tsunami aus. Die Folge des Tohoku-Bebens: Mehr als 15’000 Tote, fast 400'000 ganz oder stark zerstörte Gebäude und das schwer beschädigte Atomkraftwerk Fukushima. Dieses «Superbeben» war möglicherweise das grösste einer Abfolge mehrerer Erdbeben und markiert das Ende eines so genannten Superzyklus, einer Abfolge mehrerer Erdbeben.

Solche Superzyklen an Subduktionszonen untersucht an der ETH Zürich ein Forschungsteam unter der Leitung von Taras Gerya, Professor für Geophysik, und Ylona van Dinther.

Als Subduktionszone bezeichnen Geologen die Grenze, an der eine tektonische Platte entlang einer Megaüberschiebung unter eine andere geschoben wird und in den Erdmantel eintaucht. Solche Zonen gibt es unter anderem vor der Küste Südamerikas, im Nordwesten der USA, vor Sumatra und eben vor Japan.

Finales Superbeben beendet Zyklus

Allerdings können Erdbeben nicht überall entlang der Megaüberschiebung entstehen, sondern lediglich in deren seismogenen Zonen. Der Grund: In diesen Zonen blockiert Reibung während langer Zeit die relative Bewegung der Platten. «Dadurch bauen sich Spannungen auf, die ein Erdbeben plötzlich abbaut», erklärt ETH-Doktorand Robert Herrendörfer. Doch danach führt die anhaltende Plattenbewegung erneut zu Spannungen, die sich wiederum in Erdbeben entladen – ein Erdbebenzyklus entsteht. In einem Superzyklus brechen nun bei den ersten Beben zunächst nur Teile eines Abschnitts der Subduktionszone, im finalen «Superbeben» der ganze Abschnitt.

Bisher gibt es verschiedene Erklärungen für das Phänomen des «schrittweisen Bruchs». Aber sie alle gehen davon aus, dass entlang der Megaüberschiebung in einzelnen Abschnitten unterschiedliche Reibungseigenschaften herrschen. «Diese Heterogenität führt zu einer Art Flickenteppich», erklärt Herrendörfer. «Zunächst brechen Erdbeben einzelne kleinere Flicken, später bricht ein ‚Superbeben‘ mehrere Flicken gleichzeitig.»

Breite der Erdbebenzone entscheidend

In einer neuen, soeben in «Nature Geoscience» publizierten Arbeit schlägt die ETH-Forschungsgruppe um Herrendörfer aber noch einen weiteren Erklärungsansatz vor, der ohne diesen Flickenteppich auskommt. Vereinfacht lautet die These: Je breiter eine seismogene Zone ist, umso grösser ist die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung von Superzyklen.

Vergrösserte Ansicht: Tohoku-Beben
Das Ende eines Erdbeben-Superzyklus'? Das Tohoku-Beben mit einer Magnitude 8.9 löste einen verheerenden Tsunami aus und war das stärkste Beben in Japans Geschichte. (Bild: William Saito/flickr.com, CC BY-NC-ND 2.0)

Um das zu verstehen, muss man sich zunächst die physikalischen Kräfte vor Augen führen, die in Subduktionszonen wirken. Während die eine Platte in einem bestimmten Neigungswinkel unter die andere geschoben wird, sind die Platten entlang der Megaüberschiebung teilweise miteinander gekoppelt, sodass die untere Platte die obere mit sich in die Tiefe zieht.

Diesen Prozess haben die ETH-Forscher am Computer simuliert. Dabei wird die obere Platte durch einen Keil repräsentiert wird, die untere durch eine starre Platte. Da die Platten nur innerhalb der seismogenen Zone miteinander verbunden sind, wird der Keil durch den Gegendruck deformiert und physikalische Spannungen bauen sich auf. In den angrenzenden erdbebenfreien Zonen können sich die Platten relativ zu einander bewegen.

An den Rändern der seismogenen Zone baut sich die Spannung am schnellsten auf. Wird dort die Spannung stärker als der Reibungswiderstand der Platte, entkoppelt sich der Keil und beginnt sich relativ zu der abtauchenden Platte zu bewegen. Die relative Geschwindigkeit nimmt dabei zu, der Reibungswiderstand ab. Darauf wird der Keil noch schneller. Es entsteht also eine schnelle Abfolge von Wechselwirkungen - ein Erdbeben. Das Erdbeben breitet sich aus und zwar bis zu dem Punkt, wo sich das Verhältnis zwischen Spannung und Reibungswiderstand zugunsten des Reibungswiderstandes entwickelt. Dort endet der Bruch und die beiden Platten koppeln sich wieder aneinander.

Seismogene Zone bricht nur teilweise

Robert Herrendörfer hat nun im Rahmen seiner Dissertation untersucht, wie sich die Breite der seismogenen Zonen auf diesen Prozess auswirkt. Die Modelle zeigen, dass am Anfang eines Superzyklus der Unterschied zwischen der Spannung und dem Reibungswiderstand sehr gross ist, und zwar umso grösser, je breiter die seismogene Zone ist. «Das hat zur Folge, dass die ersten Erdbeben in diesem Gebiet die seismogene Zone nur teilweise brechen», erklärt Herrendörfer. In schmaleren Zonen kann bereits ein einzelnes Erdbeben die gesamt Zone durchbrechen. In breiteren Zonen ab rund 120 km entlädt sich die Spannung in mehreren Erdbeben und zuletzt im Super-Erdbeben.

Diese Erklärung wird durch empirische Daten gestützt: «Superzyklen wurden bisher nur in den Subduktionszonen beobachtet, deren seismogene Zone breiter als der Durchschnitt von rund 110 km ist», erklärt Herrendörfer. Auf der Basis ihrer Untersuchungen haben die ETH-Forscher nebst den bisher bekannten Gebieten weitere Regionen definiert, die von Superzyklen betroffen sein könnten – nämlich die Subduktionszonen vor Kamtschatka, den Antillen, Alaska und Java.

Modell dient nicht der Vorhersage

Allerdings warnt der Forscher vor verfrühten Rückschlüssen: «Unsere theoretischen Modelle lassen den Vergleich mit der Natur nur eingeschränkt zu und sind nicht für die Erdbebenvorhersage geeignet», betont Herrendörfer. «Mit unserer Arbeit wollen wir das Verständnis von den physikalischen Prozessen während eines Erdbebenzyklus erweitern. Und dies könnte in Zukunft für die langzeitliche Gefahreneinschätzung von Erdbeben genutzt werden.» Die Methode kann auch für kontinentale Kollisionszonen angewendet werden, wie zum Beispiel den Himalaja, wo vor kurzem das verheerende Beben in Nepal aufgetreten ist.

Wie Platten aneinandergeraten

Subduktionszonen sind konvergierende Plattengrenzen, also Bereiche, in denen sich Platten aufeinander zubewegen. Zu diesen zählen auch kontinentale Kollisionszonen wie zum Beispiel die Alpen und der Himalaja, wo die indische mit der asiatischen Platte kollidiert. Zudem gibt es auch divergierende Plattengrenzen, wo sich Platten voneinander wegbewegen, zum Beispiel in Island. Bei konservativen Plattengrenzen werden Platten horizontal an einer vertikalen Verwerfung aneinander vorbeigeschoben. Beispiele dafür sind die San Andreas-Verwerfung in Kalifornien und die Nordanatolische Verwerfung.

Literaturhinweis

Herrendörfer R, van Dinther Y, Gerya T, Dalguer LA. Earthquake supercycle in subduction zones controlled by the width of the seismogenic zone. Nature Geoscience, Online-Publikation 4. Mai 2015. DOI externe Seite 10.1038/ngeo2427

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