Neue Wege fürs Abwasser
Eine der grössten hygienischen Errungenschaften der letzten 150 Jahre ist zweifellos die Abwasserentsorgung über die Kanalisation. Doch diese Technologie allein kann das weltweite Abwasserproblem nicht lösen. Wir brauchen neue Verfahren, um Abwasser hierzulande und in Entwicklungsländern ressourcenschonend zu behandeln.
Abwasser hat einen schlechten Ruf – zu unrecht. Denn Abwasser ist mehr als nur eine stinkende Brühe, die so rasch wie möglich aus den Siedlungen fliessen soll. Natürlich enthält es gefährliche Krankheitserreger, aber auch wertvolle Ressourcen und Energie. Ein Beispiel sind die Nährstoffe wie Stickstoff, Phosphor und Kalium, die wir mit unserer Nahrung aufnehmen und dann wieder ausscheiden. Oder die Wärme, welche aus Dusche und Waschmaschine stammt. Dieses Gemisch aus gefährlichen und nützlichen Bestandteilen verdünnen wir heute mit Unmengen von (Trink-)Wasser und spülen es die Kanalisation hinunter.
Abwasser aufwändig reinigen
An vielen Orten dieser Welt gelangt diese Brühe dann irgendwo ausserhalb der Stadt ungeklärt in die Umwelt. Damit verlagert sich das Problem der Krankheitserreger lediglich, und Felder und Gewässer werden zerstört (siehe auch diesen Blogbeitrag von Bernhard Wehrli). In der Schweiz reinigen wir unser Abwasser und haben dafür mit viel Geld regelrechte chemisch-biologische Fabriken gebaut. In Zukunft werden diese Abwasserreinigungsanlagen noch komplexer sein, denn seit einigen Jahren wissen wir, dass wir Mikroverunreinigungen wie zum Beispiel Arzneimittelrückstände ebenfalls aus dem Abwasser entfernen müssen.
Warum klappt’s bei uns, aber nicht überall?
Die wassergespülte Entsorgung der Ausscheidungen funktioniert bei uns, weil wir genügend Wasser, Geld und technisches Wissen haben. Für sehr viele andere Länder gilt das nicht. Das grösste Problem ist meistens das fehlende Wasser. Es braucht deshalb neue Verfahren, um auch in diesen Ländern die Gesundheit der Menschen zu gewährleisten. Allerdings müssen diese neuen Verfahren auch ermöglichen, die wertvollen Ressourcen der Abwässer wiederzugewinnen. Das ist neu und wurde bei der Einführung der Schwemmkanalisation vor 150 Jahren noch nicht berücksichtigt. Zwei Ansätze können uns dabei helfen, solche Verfahren zu entwickeln:
1. Die unterschiedlichen Abwässer nicht mehr mischen, sondern getrennt sammeln. Das vereinfacht es, die Krankheitserreger und Schadstoffe zu entfernen und die Ressourcen zurückzugewinnen. So kann man aus nährstoffreichem Urin einen Dünger herstellen oder Wärme aus den Abwässern von Küche und Bad zurückgewinnen.
2. Die Abwässer so nah wie möglich an der Quelle behandeln, um Kosten für den Transport einzusparen. Dafür brauchen wir aber kleine Behandlungsanlagen, die sich vor Ort installieren lassen und ebenso gut reinigen wie die grossen zentralen Kläranlagen. Viele Forschungsinstitute, unter anderen die Eawag in Dübendorf, arbeiten seit einigen Jahren an der Entwicklung solcher Verfahren.
Trenntoiletten und Nährstoffe aus Urin
Es gibt bereits neue Verfahren, die es erlauben, Abwässer auch ohne Schwemmkanalisation und zentrale Kläranlage sicher zu entsorgen. Zwei Beispiele sind die Forschungsprojekte VUNA [1] und AUTARKY [2]. Die Eawag initiierte beide Projekte, um die Abwasserentsorgung in Schwellen- und Entwicklungsländern zu revolutionieren. Vuna steht für «Valorisation of Urine Nutrients in Africa». Das Projekt, an dem auch die ETH Zürich beteiligt ist, sammelt Urin separat und bereitet ihn zu Dünger auf in einer entfernten Behandlungsanlage. Das Autarky-Projekt geht noch einen Schritt weiter: Urin, Fäkalien und Spülwasser werden bereits in der Toilette getrennt aufbereitet, wobei das Spülwasser danach in der Toilette wiederverwendet wird.
Diese Verfahren werden heute vor allem für Länder entwickelt, die zu wenig Wasser, Geld oder Knowhow haben, um eine konventionelle Abwasserentsorgung zu erstellen. Aber es ist gut möglich, dass diese Technologien in Zukunft auch bei uns zum Einsatz kommen werden, weil sie ressourcenschonender und effizienter sind.