«Spark Award» für Grundlagenforschung
ETH-Professorin Sabine Werner und ihr Team erhielten gestern den «Spark Award 2017» für ihren bahnbrechenden neuen Ansatz zur Bekämpfung viraler Erkrankungen. Bestätigen sich ihre bisherigen Erkenntnisse, könnten gegen verschiedene Viruserkrankungen bessere Therapien entwickelt werden, so etwa gegen Herpesvirus-Infektionen.
Der «Spark Award 2017» ging an die Forschergruppe, die mit dieser Auszeichnung wohl am wenigsten gerechnet hatte: Sabine Werner, Professorin für Zellbiologie an der ETH Zürich, und ihre Kollegen Luigi Maddaluno und Michael Meyer konnten es denn selbst nach Ende der Preisverleihung kaum fassen, dass ihre neuartige Behandlungsmethode gegen Viren den prestigeträchtigen Preis der ETH Zürich erhalten hat. Als Wissenschaftler in der Grundlagenforschung bleibt ihnen breite öffentliche Anerkennung oft verwehrt. So sorgte denn auch die Formulierung von Michael Meyer für viel Erheiterung unter den rund 200 Gästen im Audimax der ETH Zürich, als er das lange wissenschaftliche Ringen um Erkenntnisse mit den Worten «useless discoveries» beschrieb und damit ausdrücken wollte, dass man bei Grundlagenforschung oft nicht gleich an eine mögliche Anwendung denkt, sondern der Erkenntnisgewinn im Vordergrund steht.
Wissenschaft zum Nutzen der Gesellschaft
Für sehr nützlich hingegen erachtete die Jury des Spark Awards die Erkenntnisse von Sabine Werner und ihrem Team. Die Jury aus Spezialisten von ETH transfer, der Technologietransferstelle der ETH Zürich, und externen Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft war sich nach Sichtung der Arbeiten der fünf Finalisten sicher, dass der neuartige Wirkmechanismus gegen Viren künftig einen entscheidenden Fortschritt für die Medizin und damit für unzählige Patienten bedeuten kann. Die grosse gesellschaftliche Bedeutung der vorgeschlagenen Behandlungsmethode gab dabei neben der wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Dimension den Ausschlag.
«Dies ist ein wunderbares Beispiel für die Bedeutung von Grundlagenforschung, die es jetzt ermöglicht, neue Wege in der Virenbekämpfung zu beschreiten», betonte auch Detlef Günther, ETH-Vizepräsident für Forschung und Wirtschaftsbeziehungen, in seiner Laudatio. «Für uns ist der Preis Ansporn, unsere Forschung auf diesem Gebiet noch intensiver voranzutreiben», sagte Gewinnerin Sabine Werner. Bereits 1994 legte sie den Grundstein zu dem Projekt, das zu der Entdeckung führte, die dieses Jahr mit dem Spark Award gekrönt wurde. Die Entdeckung von Sabine Werners Team ist eine von 215 Erfindungen, die ETH Forschende im Jahr 2016 ETH transfer gemeldet haben, wovon insgesamt 109 zum Patent angemeldet wurden.
Top-Forschung aus vielen Bereichen
Neben dem Siegerprojekt beeindruckten gestern Abend auch die anderen Erfindungen, die es in den Final geschafft haben. Kai Schmidt aus dem Team von Robert Riener, ETH-Professor für Sensomotorische Systeme, führte den Gästen den neu entwickelten High-tech Anzug Myosuit live vor. «Er stellt 40 bis 70 Prozent der Muskelkraft zur Verfügung und kann Älteren oder Menschen in der Rehabilitation helfen, die sich aus eigener Kraft kaum noch bewegen können.»
Sinisa Matetic aus der Gruppe von Srdjan Capkun, Professor für Computerwissenschaften an der ETH Zürich, erzählte, dass dank des neuen Verfahrens gegen Computermanipulationen durch sogenannte Rollback-Attacken bei Onlineüberweisungen, das sie in ihrem Labor entwickelt haben, in einem ersten Schritt vor allem Banken profitieren könnten. Kostiantyn V. Kravchyk aus dem Team von Maksym V. Kovalenko, ETH-Professor für Anorganische Chemie, stellte eine Batterie vor, die auf Graphit beruht. Die niedrigen Kosten des Materials seien ein wichtiger Faktor für den künftigen Erfolg der Neuentwicklung. Lars Frieder Gerchow wiederum stellte sich provokanten Fragen zum sicheren Betrieb der von ihm gemeinsam mit Paolo Crivelli am ETH-Institut für Teilchenphysik entwickelten Positronenquelle. Dieses Gerät braucht keine besonderen Strahlenschutzvorkehrungen und er hofft, dass es eines Tages genauso selbstverständlich eingesetzt wird wie Elektronenmikroskope.
Die Zukunft wird zeigen, welche dieser Erfindungen sich durchsetzen werden. Aus den 25 Finalisten der vorausgegangenen fünf Preisverleihungen sind bisher acht Pioneer Fellowships und sieben Spin-offs hervorgegangen.
Die Siegertechnologie
Neuartige Behandlungsmethode gegen Viren: Viele Medikamente wirken bisher nur gegen einzelne Virusgruppen und meist nur mit mittelmässiger Effizienz. Sabine Werner, Luigi Maddaluno und Michael Meyer haben einen biologischen Wirkmechanismus identifiziert, aus dem sich die Behandlung der Infektion mit einer Vielzahl von Viren ableiten lässt. Der Wirkmechanismus sieht vor, nicht das Virus direkt anzugreifen, sondern das Immunsystem des Menschen zu mobilisieren. Diese neue Herangehensweise hat voraussichtlich weniger Nebenwirkungen und könnte auch bei Epidemien zum Einsatz kommen.
Die weiteren Finalisten
Nanomaterialien kostengünstig analysieren: Bislang lassen sich Strukturen in Nanomaterialien wie zum Beispiel Poren in Katalysatormaterialen nur recht aufwendig und teuer mit Positronen untersuchen, da Positronenquellen eher grosse und aufgrund ihrer Radioaktivität unzugängliche Geräte sind. Paolo Crivelli und Lars Frieder Gerchow haben mit ihrer Gruppe eine miniaturisierte Positronenquelle entwickelt. Das Gerät braucht keine besonderen Strahlenschutzvorkehrungen und findet auf einem normalen Labortisch Platz.
Leistungsstarke und günstige Batterie: Um Strom aus erneuerbaren Energien kostengünstig zu speichern, hat die Gruppe von Maksym V. Kovalenko eine neuartige Batterie entwickelt. Sie basiert auf günstigen und in grossen Mengen verfügbaren Rohstoffen wie Aluminium und Graphit. Der Graphit wurde für die Graphitelektroden dabei so präpariert, dass selbst grosse Aluminium Ionen hineindiffundieren können, wodurch die Leistungsfähigkeit der Batterie sehr hoch ist.
High-Tech-Anzug zur Bewegungsunterstützung: Mit steigendem Alter nimmt die Muskelkraft und somit die Mobilität stetig ab, was sich negativ auf die gesamte Gesundheit und die Teilnahme am Leben auswirkt. Robert Riener und sein Team haben einen motorisierten Anzug entwickelt, der ältere Personen in der Bewältigung des Alltags unterstützen kann. Er ist mit Sensoren und einer Elektronik ausgestattet, die innerhalb einer Millisekunde die Kraft berechnet, die die Motoren zur Unterstützung der Bewegungen leisten müssen.
Software gegen Rollback-Attacken: Rollback-Attacken sind ein neues Phänomen der Cyberkriminalität. In einer solchen Attacke ersetzt zum Beispiel ein von aussen manipuliertes Computer-Betriebssystem den aktuellen und verschlüsselten Datensatz auf der Festplatte durch einen älteren. So kann der Angreifer beispielsweise in einem Zahlungsverkehrssystem alte Zahlungsanweisungen wiederholen. Srdjan Capkun und seine Gruppe haben ein Verfahren entwickelt, um solche Attacken entdecken und somit die Wiederholung der Zahlung verhindern zu können.