Weben mit Nanofäden

Weben, eine Jahrtausende alte Technik zur Herstellung von Textilien, wurde von ETH Forschern erstmals verwendet, um ein vollständig organisches Nanogewebe herzustellen. Dass dabei ein dreiachsiges Kagome-Gewebe entsteht, hat mit dem raffinierten Design der Moleküle zu tun, aus denen die Fäden aufgebaut sind.

Urszula Lewandowska (l.) und ETH-Professorin Helma Wennemers präsentieren das Modell einer Grundeinheit der molekularen Kagome-Struktur. (Bild: ETH Zürich / Joachim Schnabl)
Urszula Lewandowska (l.) und ETH-Professorin Helma Wennemers präsentieren das Modell einer Grundeinheit der molekularen Kagome-Struktur. (Bild: ETH Zürich / Joachim Schnabl)

Forscher aus der Gruppe von Helma Wennemers, Professorin am Laboratorium für Organische Chemie, haben ihre chemischen Webstühle in Gang gesetzt und ein einzigartiges molekulares Nano-Gewebe kreiert. Dieses Gewebe besteht aus verflochtenen organischen Molekülfäden mit ganz besonderen Eigenschaften.

Die meisten gewobenen Textilien bestehen aus sogenannten Schussfäden und Kettfäden, die senkrecht miteinander verknüpft werden. So wird ein zweiachsiges Gewebe hergestellt, das mechanisch widerstandsfähiger ist als die einzelnen Fäden. Forscher haben dieses Prinzip rechtwinklig verwobener Fäden mit Hilfe von Metallen bereits auf Molekülsysteme übertragen, um stabile Nanomaterialien zu schaffen.

Wennemers und ihre Gruppe sind nun einen Schritt weiter gegangen. In Zusammenarbeit mit Klaus Müllen, Professor am externe Seite Max Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz, erzeugten sie das erste Nanogewebe aus drei Strängen, die aus rein organischen Molekülen aufgebaut sind. Um es in Analogie zur Weberei auszudrücken: Dieses molekulare Gewebe hat zwei Kettfäden, die sich überlagern, aber nicht verflochten sind, und einen Schussfaden, der das Gewebe verriegelt. In der japanischen Flechtkunst ist ein solch dreiachsiges Gewebe auch als Kagome bekann.

Vergrösserte Ansicht: Kagome-Struktur: Der gelbe Strang entspricht dem Schussfaden, die blauen und roten Stränge den Kettfäden. (Bild: aus Lewandowska et al., Nature Chemistry, 2017)
Kagome-Struktur: Der gelbe Strang entspricht dem Schussfaden, die blauen und roten Stränge den Kettfäden. (Bild: aus Lewandowska et al., Nature Chemistry, 2017)
Vergrösserte Ansicht: Dieser japanische Korb weist eine Kagome-Struktur auf. (Bild: OIST)
Dieser japanische Korb weist eine Kagome-Struktur auf. (Bild: OIST)

Die Fäden des Nanogewebes bestehen alle aus demselben organischen Grundbaustein. Dieser wiederum wurde von den Forschern aus drei Molekül-Untereinheiten synthetisiert. Die Basis des Grundbausteins bildet ein spiralförmiges Peptid, eine sogenannte Oligoprolin-Helix, die mit dem natürlichen Eiweiss Kollagen verwandt ist. An jedem Ende des spiralförmigen Peptids sind zwei Perylen-Monoimide befestigt. Diese scheibenförmigen Moleküle sind dafür bekannt, dass sie durch spezielle Wechselwirkungen aneinander haften können. Dies sind die idealen Voraussetzungen, dass sich aus dem so hergestellten Grundbaustein automatisch lange Fäden bilden.

Doch wie verknüpft man solche Fäden zu dem dreiachsigen Kagome-Gewebe? Dieses entsteht spontan, wenn man die Grundbausteine in Lösung abkühlen lässt. Dadurch organisieren sich die Moleküle selbst, was auf dem ausgeklügelten Design der Grundbausteine beruht: Durch geeignete Wahl der Länge der Oligoprolin-Kette und mit Hilfe des richtigen Abstandes zwischen den Perylen-Monoimiden entstehen längere Fäden, die abwechslungsweise oben und unten einen Spalt haben.

In den oberen Spalt passen nun perfekt um 60 Grad gedrehte Fäden und in den unteren Spalt jeweils Fäden, die um 120 Grad gedreht sind. So entsteht das dreiachsige Kagome-Gewebe. An den Kreuzungen dreier Fäden sorgen wiederum die Perylen-Monoimide dafür, dass sich die Gewebestruktur nicht verschieben kann. Die Kagome-Struktur ist unter dem Elektronenmikroskop gut erkennbar.

Das molekulare Kagome-Gewebe unter dem Elektronenmikroskop (aus Lewandowska et al., Nature Chemistry, 2017).
Das molekulare Kagome-Gewebe unter dem Elektronenmikroskop (aus Lewandowska et al., Nature Chemistry, 2017).
Detailansicht des Gewebes.
Detailansicht des Gewebes.

«Durch das perfekte Zusammenspiel der molekularen Bausteine konnten wir ein völlig neues, selbstorganisierendes Gewebe mit einer faszinierenden Topologie herstellen», sagt Helma Wennemers. «Zudem konnten wir zeigen, dass es wie makroskopische Gewebe viel robuster ist, als die einzelnen Fäden, aus denen es besteht.» Ausserdem gelang es den Forschenden, Metallnanopartikel in die Zwischenräume des Gewebes einzulagern. Das rein organische Gewebe könnte in Zukunft für die Entwicklung von neuartigen Katalysatoren zum Einsatz kommen oder Anwendungen in der Sensorik, Gasspeicherung und -reinigung finden.

Literaturhinweis

Lewandowska U, Zajaczkowski W, Corra S, Tanabe J, Borrmann R, Benetti E, Stappert S, Watanabe K, Ochs N, Schaeublin R, Li C, Yashima E, Pisula W, Müllen K, Wennemers H. A triaxial supramolecular weave. Nature Chemistry 2017. DOI: externe Seite 10.1038/nchem.2823

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