«Ich kann mich von Vorurteilen nicht aufhalten lassen»
Dana Drachsler Cohen ist eine der herausragenden Informatikerinnen an der ETH Zürich. Die Israelin arbeitet an der Sicherheit von Systemen wie selbstfahrenden Autos oder Kryptowährungen.
Wenn Dana Drachsler Cohen über die Informatik spricht, sieht man ihr die Begeisterung an. «Meine Arbeit ist mein grösstes Hobby. Und dafür werde ich sogar bezahlt», sagt die 30-Jährige aus Israel und ihre Augen strahlen. Seit August 2017 ist sie an der ETH Zürich. Als Postdoktorandin hat sie ein Stipendium im Fellowship-Programm erhalten. Damit unterstützt die ETH zwei Jahre lang junge Forschende mit hohem Potenzial. Im Secure, Reliable, and Intelligent Systems Lab des Departements Informatik arbeitet sie in dieser Zeit daran, die Verlässlichkeit moderner Computersysteme zu verbessern.
Als Beispiel nennt sie selbstfahrende Autos. «Wir müssen uns darauf verlassen können, dass der Wagen anhält, wenn ein Fussgänger über den Zebrastreifen geht oder ein Kind auf die Strasse rennt.» Diese Autos sind mit vielen Kameras und Sensoren ausgestattet. Aufgrund der so zu Verfügung stehenden Daten entscheidet das System, was zu tun ist: Ob das Auto ausweichen, bremsen oder anhalten soll. Dahinter steckt die Deep-Learning-Methode. Sie ist ein Teilbereich der künstlichen Intelligenz und basiert auf neuronalen Netzen, die ähnlich wie ein menschliches Gehirn aufgebaut sind. Vor seinem Einsatz in der Öffentlichkeit lernt das System, Verbindungen zwischen der Umgebung des Autos und den daraus resultierenden Fahraufgaben herzustellen.
Die Forscherin beschäftigt sich auch mit der Blockchain-Technologie. Auf diesem beruhen heute zum Beispiel digitale Zahlungsmittel wie das Kryptogeld Bitcoin. Die Blockchain ist eine Art dezentrale Datenbank, die niemandem gehört. Damit können verschiedene Teilnehmer Transaktionen tätigen. Anwenden lässt sich Blockchain etwa für Verträge, im Bankwesen oder bei Wahlen. Auch Computer-Netzwerke gehören zu Drachsler Cohens Forschungsgebiet. Sie sagt: «All diese Dinge haben einen grossen Einfluss darauf, wie wir leben.»
Programmieren als Pflichtstoff
Als Frau ist sie an ihrem Departement deutlich in der Minderheit. Nur etwa 15 Prozent des akademischen Personals sind weiblich. Die zierliche Informatikerin mit den langen braunen Haaren sticht in den Gängen des CAB-Gebäudes der ETH aus der Masse heraus. Sie sagt, sie kenne es nicht anders. Dennoch wäre es schön, wenn sich mehr Frauen in die Informatik trauen würden. Sie ist überzeugt: «In der Schule sollten die Grundlagen des Programmierens zum Pflichtstoff gehören, wie Mathe und Englisch. Das würde die Berührungsängste verkleinern.» Das Vorurteil, Frauen würden Technologie schlechter verstehen als Männer, störe sie manchmal. Doch sie sagt: «Ich kann mich davon nicht aufhalten lassen. Denn ich möchte weiterhin tun, was ich liebe.»
Dieses Selbstvertrauen versucht sie auch den Studierenden beizubringen. An der ETH betreut sie in diesem Semester unter anderem ein Seminar über Kryptowährungen. «Fakten kann man in Büchern oder im Internet nachlesen – ich möchte auch lehren, wie man Probleme richtig angeht.» Denn Herausforderungen gebe es immer: die nächste Prüfung, das Doktorat, das bevorstehende Projekt. Sie hat erlebt, dass sich besonders Frauen mit Selbstzweifeln herumschlagen. Ihr ging es während dem Studium ähnlich. Was, wenn sie versagt? Doch sie ging die Probleme Schritt für Schritt an und stellte mit der Zeit fest: «Erfolg macht süchtig. Es ist befriedigend zu sehen, dass sich die Arbeit auszahlt und man sich kontinuierlich verbessert. Dann will man es immer wieder tun.»
Ihr Ziel ist es, Professorin zu werden. Zwischen Forschung und Lehre abzuwechseln, gefällt ihr. Das eine profitiere vom anderen: Nicht nur das Forschen gebe den Vorlesungen neue Anstösse, sondern auch umgekehrt. Zudem wolle sie zur Ausbildung der nächsten Generation beitragen.
Mit elf eine Webseite programmiert
Bereits als kleines Kind, faszinierten Computer die Israelin. Der Vater ist Programmierer, die Mutter eine Mikrobiologin. Schon früh war klar, dass sie den akademischen Weg einschlagen würde. Mit elf Jahren programmierte sie ihre erste eigene Webseite. «Die Anleitungen waren auf Englisch und das konnte ich damals noch nicht so gut» sagt sie und schmunzelt. Deshalb habe sie sich einfach den Code angesehen und herumgebastelt, bis sie ihn verstand. Mit 14 Jahren besuchte sie die ersten Informatikkurse. Nach dem Schulabschluss schrieb sie sich an der Technion-Universität in ihrer Heimatstadt Haifa ein, an der sie bis zum Doktortitel 2017 blieb.
Seit sie in der Schweiz wohnt, führt sie mit ihrem Mann, auch ein Informatiker, eine Fernbeziehung. Alle zwei Wochen kommt er zu Besuch. Dann gehen sie oft wie möglich wandern. Sie schwärmt von den Bergen, den Seen, den Wasserfällen. Vor allem Zermatt hat es ihr angetan: «Der Fünf-Seen-Weg ist fantastisch.» Nur wenn sich eine Deadline bei der Arbeit nähert, hat sie dafür keine Musse. «Dann wird alles andere unwichtig – manchmal vergesse ich sogar, zu essen.»