Die für den Beton strickt
Für ihre Doktorarbeit an der ETH Zürich hat Mariana Popescu eine neue Methode entwickelt, um leichte, kostengünstige und umweltschonende Schalungen für Betonbauten herzustellen. Wegen ihrer maschinell gestrickten Textilien ist die junge Architektin nun zu einer von weltweit 35 «Innovators under 35» erkoren worden.
Wer sich von Mariana Popescu und ihrer Arbeit ein Bild machen will, muss sich ein Stück weit von althergebrachten Vorstellungen lösen. Die Architektin arbeitet zwar mit Strickwaren, aber in ihrem Projekt geht es nicht um Socken oder Pullover. «Wir wollen das Errichten von komplexen Betonbauten vereinfachen», sagt Popescu.
Materialverschleiss mindern
Bisher werden beim Bauen mit Beton oft unhandliche Gussformen – so genannte Schalungen – verwendet, in die der noch nicht erhärtete Frischbeton eingebracht wird. Die Herstellung solcher Schalungen kostet – insbesondere für komplex gekrümmte Bauten – viel Zeit und Geld. Zudem bedeutet das grosse Gewicht dieser Bauteile einen erheblichen Materialverschleiss. «Im nationalen Forschungsschwerpunkt Digitale Fabrikation versuchen wir, das Bauen anders zu denken – und die Grenzen der herkömmlichen Bauweisen aufzulösen und zu erweitern», sagt Popescu.
Die 32-jährige Architektin ist in Rumänien geboren und aufgewachsen. Fürs Studium ist sie nach Holland gezogen, an die Technische Universität von Delft. «In dieser Stadt hatten schon meine Eltern ihren Master gemacht und für Architektur hat die Uni einen sehr guten Ruf», begründet Popescu ihre Wahl. Beide Eltern sind Bauingenieure, vielleicht habe sie deshalb schon von jeher eher einen technischen als ästhetisch-künstlerischen Zugang zum Bauen gesucht. Jedenfalls habe sie sich schon früh im Studium für digitale Werkzeuge und fürs Programmieren interessiert. «Da ist ein komplett neues Feld entstanden, in das ich irgendwie hineingewachsen bin», sagt Popescu.
Über den professionellen Tellerrand hinaus
Dass sie weit mehr als üblich über den professionellen Tellerrand blickt, zeigt auch ein interdisziplinäres Projekt, an dem sich Popescu noch vor ihrem Masterabschluss beteiligte: Sie war Teil eines 13-köpfigen Teams, das einen Solarrennwagen entwickelte, baute und durch das australische Hinterland fuhr. «Ich hatte mich für die 3D-Modellierung beworben, war aber am Schluss für Logistik und Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich», erzählt Popescu.
Nach ihrem Masterabschluss arbeitete sie als parametrische Gestalterin im Architekturbüro von Zwarts and Jansma in Amsterdam. «Das war eine lehrreiche Erfahrung, aber ich merkte, dass ich im Büroalltag oft zu wenig Zeit hatte, um tiefer zu graben», sagt Popescu. Sie wollte in die Forschung und neue Dinge entwickeln. So begann sie ihr Doktorat in der Block Research Group an der ETH Zürich, fast zeitgleich mit dem Start des Nationalen Forschungsschwerpunkts Digitale Fabrikation.
Automatische Übersetzung in eine textile Form
«Das multidisziplinäre Umfeld und die Zusammenarbeit mit Spezialisten für Robotik und digitale Techniken entsprechen mir sehr», sagt Popescu. Während ihrer Doktorarbeit entwickelte sie Algorithmen, die einen architektonischen Entwurf automatisch in eine textile Form übersetzen. Industriemaschinen können eine solche Form in wenigen Stunden stricken, zudem ist die Form leicht und flexibel. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen fand sie heraus, wie die gestrickte Form mithilfe von Stahlseilen aufgespannt werden kann, damit die Form an Ort und Stelle bleibt, während Beton darüber gegossen wird.
Im Vergleich zu den herkömmlichen rigiden Schalungen erlaubt die «KnitCrete»-Methode (ein Wortspiel aus dem englischen «knit» für Stricken und «concrete» für Beton) auch komplexe Strukturen kostengünstig, in Rekordzeit – und mit einem viel kleineren ökologischen Fussabdruck – zu bauen. Die MIT Technology Review hat Popescu für die Entwicklung dieser effizienten und ökologisch bewussten Bauweise zu einer von weltweit nur 35 jungen «Innovators under 35» erkoren.
Die Ehrung aus den USA freut sie sehr. «Der Titel zeigt, dass meine Arbeit wertgeschätzt wird», sagt Popescu. Im Juni hat sie ihre Doktorarbeit abgeschlossen – und will nun ihre Methode als Postdoktorandin weiter verfeinern. In Zusammenarbeit mit Spezialistinnen und Spezialisten anderer Disziplinen gelte es etwa das Verhalten und die Eigenschaften von Materialien zu optimieren.