Grundsätzliches zur Wiederherstellung von Wäldern
Eine Billion Bäume pflanzen ist nur ein Teil einer umfassenden Lösung für den Klimawandel. Thomas Crowther plädiert für einen ganzheitlichen Ansatz, der Wiederaufforstung und Emissionsreduktion umfasst.

Nun da sich die Welt für die «Trillion Tree Campaign» engagiert – eine globale Initiative der UNO für Biodiversität und gegen Klimawandel, die seit Kurzem auch vom Weltwirtschaftsforum WEF unterstützt wird – mag der Eindruck entstehen, dass das Pflanzen von Bäumen eine einfache Lösung für unser Klimaproblem ist. Leider tickt die ökologische Uhr unaufhaltsam. So braucht es meiner Meinung nach rasche und vielseitige Massnahmen, um die Folgen des Klimawandels zu mildern. Bäume zu pflanzen allein reicht nicht aus, um die Biodiversität, unser Wohlergehen und den Klimawandel positiv zu beeinflussen.

Wood Wide Web
In meiner Gruppe an der ETH Zürich verfolgen wir einen ganzheitlichen Ansatz zum Verständnis ökologischer Prozesse. Basierend auf Millionen von direkten Beobachtungen haben wir das komplexe Geflecht aus Pilzen, Bakterien und Wurzelsystemen kartiert, das Bäume verbindet, wir nennen es das Wood Wide Web. Diese Karten helfen uns zu verstehen, welche Arten von Ökosystemen bestimmte Baumarten unterstützen, und welche Arten in bestimmten Regionen aufgrund von vorhandenen Pilzarten gedeihen.
«Unsere vier Prinzipien der Wiederaufforstung tragen dazu bei, dass wir die richtigen Bäume in den richtigen Ökosystemen und mit Unterstützung der Menschen vor Ort pflanzen.»Tom Crowther
Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Schutz und die Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme auf der ganzen Welt – Gebiete, die der Mensch derzeit nicht nutzt – das Potenzial haben, der Atmosphäre grosse Mengen an Kohlenstoff zu entziehen, ohne städtische oder landwirtschaftliche Flächen zu gefährden.
Für eine solche Wiederaufforstung stellten wir vier Prinzipien auf. Sie tragen dazu bei, dass wir die richtigen Bäume in den richtigen Ökosystemen und mit Unterstützung der Menschen vor Ort pflanzen. Nur so lässt sich der grösste ökologische Nutzen erzielen.
Kohlenstoffemissionen senken
Erstens entbindet uns eine Teilnahme an der Trillion Tree Campaign nicht davon, zwingend die Treibhausgasemissionen zu senken. Die Reduktion der Emissionen hat höchste Priorität im Kampf gegen den Klimawandel. Wir können den Ausstoss an Treibhausgasen nicht mit Bäumen allein ausgleichen. In Kombination mit der Dekarbonisierung kann die Wiederherstellung von Ökosystemen jedoch helfen, einen Teil des Kohlenstoffs aus der Atmosphäre zu entfernen.
Bäume an der richtigen Stelle pflanzen
Zweitens müssen wir einheimische Baumarten an den Orten pflanzen, an denen sie natürlich vorkommen. Bäume in fremde Ökosysteme einzubringen könnte unbeabsichtigte negative Konsequenzen haben. Eine Aufforstung kann sogar kontraproduktiv sein, da Wälder das Klima in vielen Teilen der Welt auch erwärmen können. Daher ist ein detailliertes ökologisches Verständnis unablässig für den Erfolg von Naturschutz und Wiederaufforstung. Erhaltene und wiederhergestellte Naturwälder, Gras- und Strauchlandschaften sowie Feuchtgebiete können als bedeutende Speicher für Kohlenstoff und biologische Vielfalt dienen. Monokulturplantagen mit exotischen Arten werden wahrscheinlich nicht den gewünschten Nutzen bringen.
Lokale Gemeinschaften einbeziehen
Drittens hat Restaurierung, die sozial verträglich und wirtschaftlich nachhaltig erfolgt, eine weitaus grössere Erfolgswahrscheinlichkeit. Bei Wiederaufforstungsbemühungen ist es wichtig, die Rechte der indigenen Völker und lokalen Gemeinschaften zu bewahren. Wenn die Gemeinschaften von den Dienstleistungen, die diese neuen Ökosysteme bieten, profitieren, ist die Wiederherstellung nachhaltig.
Alte Wälder erhalten
Schliesslich sind alte Wälder lebenswichtige Horte für biologische Vielfalt und Kohlenstoff. Dennoch verlieren wir diese Speicher in einem alarmierenden Tempo. Der Schutz und die nachhaltige Bewirtschaftung der bestehenden Wälder steht im Zentrum der globalen Wiederherstellungsbewegung. Die Wiederherstellung zuvor geschädigter Regionen kann dann dazu beitragen, die Kohlenstoffbilanz in eine günstige Richtung zu kippen.
Kommentare
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Eine Praktikerin vor Ort ist Anita Studer mit ihrer Organisation www.nordesta.orgcall_made im NE von Brasilien Eine Kontaktaufnahme oder Unterstützung würde uns sehrfreuen. Beste Grüsse Urs-Peter Stäuble
Richtig. Baume helfen aber wir muessen Staedte bauen wo wir keine Autos brauchen - so wie Florence usw. Die ausdehnung mit Amerikanisierten 'suburbia' ist ein grosser Fehlschuss.
Den Wäldern in Europa, den USA und China geht es schon erheblich besser als vor 50 oder 100 Jahren. Und das vor allem, weil dort mit Abholzen nicht mehr das grosse Geschäft gemacht werden kann. Aber in Brasilien, Indonesien oder Afrika (gerade dort, wo die letzten Ur- und Regenwälder stehen) ist das ganz anders: dort wird abgeholzt. Die borealen, nördlich gelegenen Wälder nehmen nun mehr CO2 auf (auch wegen CO2-„Düngung“) während die tropischen Wälder weniger aufnehmen. Und hier liegt die Crux: Bolsonaro entscheidet, was mit den Amazonas-Wäldern passiert, und nicht Professor Tom Crowther. Die Ideallösung, die im stillen Kämmerlein an der ETH ausgebrütet wird, schafft es vielleicht bis zur Kenntnisnahme bei der UNEP - aber nicht bis zu Bolsonaro (Brasilien) oder Widodo (Indonesien).
Schön und gut... Im Beitrag scheint es, dass der Begriff "Wood Wide Web" neu geschaffen wurde. Dem ist sicher nicht so, denn Thomas Boller (Professor an der Uni Basel) hat den Begriff schon vor vielen Jahren verwendet (vielleicht auch "erfunden")...
Der Begriff "Wood Wide Web" wird schon 2002 von Verena Wiemken und Thomas Boller, beide Uni Basel, in dem Artikel: Ectomycorrhiza: Gene expression, metabolism and the wood-wide web (https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1369526602002698?via%3Dihub) verwendet.