Mit Leib und Seele Unternehmer

ETH-Alumnus Christoph Rennhard entwickelt mit seiner Firma Präzisionsmaschinen für den Weltmarkt. Er setzt auf Kompetenz, Kundenorientierung und talentierte Mitarbeitende – und darauf, dass sein KMU schneller ist als Grosskonzerne.

Christoph Rennhard vor Maschinen
ETH-​Alumnus Christoph Rennhard (Bild: Daniel Winkler)

Ein unscheinbares Industriequartier am Dorfrand von Küssnacht am Rigi. Gesichtslose Zweckbauten, eine dicht befahrene Hauptstrasse, ein paar Steinwürfe entfernt die ersten Bauernhäuser. Wenig deutet darauf hin, dass hinter der nüchternen Eingangstüre eine Firma ihren Sitz hat, die mit hoch spezialisierten Maschinen den Weltmarkt beliefert.

«Ich bin Chris», begrüsst Hausherr Christoph Rennhard die Gäste mit festem Handschlag. Sofort beginnt er mit Elan von seiner Firma zu erzählen, berichtet von seinen Mitarbeitenden in China, die in Schanghai im Lockdown sind, zeigt auf originell geformte Betonteile, die mit einem von seiner Firma gebauten Roboter hergestellt wurden, weist auf den gelben Boden hin, auf dem Verunreinigungen leicht zu erkennen sind, die breiten Korridore, die ein speditives Arbeiten erlauben.

Rennhard hat die Firma LCA Automation vor zwölf Jahren übernommen. Heute zählt das Unternehmen rund achzig Mitarbeitende. Knapp siebzig davon arbeiten hier in Küssnacht, die anderen im mexikanischen Puebla und in Schanghai in China. LCA stellt komplexe, massgeschneiderte Fertigungs- und Prüfmaschinen her, mit denen sich Bauteile in hoher Kadenz und Präzision vollautomatisch herstellen und prüfen lassen. Objekte zielgenau positionieren, Materialien bearbeiten, Baugruppen zusammensetzen, Informationen verarbeiten, Prozessschritte überwachen: All diese Ingenieuraufgaben kommen zusammen, wenn Rennhard mit seiner Mannschaft eine neue Anlage konzipiert.

Auf der Präsentation, die Rennhard inzwischen in seinem Büro vorführt, sind die Logos von bekannten Automobilfirmen zu sehen, die Maschinen von LCA nutzen. «Konzerne arbeiten gerne mit einem KMU wie uns zusammen, weil wir schnell entscheiden können und kompetent sind», erklärt er. In einem KMU müssten alle am gleichen Strick ziehen, und die Leistung aller Teammitglieder sei sichtbar. «Dies führt zu einer hohen Effizienz, was oft einen erfrischenden Kontrast zu den komplexen Entwicklungs- und Beschaffungsprozessen der Grosskonzerne bietet.» Für die Mitarbeiter sei der Einsatz sehr fordernd, da die Einzelleistung entsprechend der geringeren Anzahl Mitarbeiter höher gewichtet werde. «Man muss sich auf jeden verlassen können», hält er fest.

Rüstzeug und Erfahrungen

Christoph Rennhard sitzt oben auf einer Leiter
Christoph Rennhard: «Für uns ist es wichtig, dass wir Zugang zum Know-how der ETH haben, damit wir im Wettbewerb mithalten können.» (Bild: Daniel Winkler)

Rennhard selbst hat sich sein fachliches Rüstzeug an der ETH Zürich geholt, nachdem er in St. Gallen eine altsprachliche A-Matur gemacht hatte. «Ich bin noch heute froh um die humanistische Bildung», erzählt der gebürtige Appenzeller. Die Studienwahl fiel auf Maschinenbau und Werkstofftechnologie. «Mich haben diese Themen einfach fasziniert», erinnert er sich. «Auch wenn ich kein mustergültiger Student war. Ich war sehr oft im Militär und habe nebenher gearbeitet.» Die Frage, ob er sein Studium selber finanziert habe, quittiert er mit einem Schulterzucken. «Ein ETH-Studium kostet ja nicht so viel.»

Seine Doktorarbeit über metallurgische Pulververfahren hat er mit Industriepartnern gemacht und dabei erste Erfahrungen im Ausland gesammelt. Danach zog es ihn nach Südafrika, wo er als Head New Product Development für ein Stahlwerk neue Werkstoffe und die dazu notwendige Prozesstechnik entwickelte. Es waren spannende Jahre, nicht nur fachlich, sondern auch, weil sich Südafrika am Ende der Apartheid grundlegend veränderte. Bemerkenswert fand Rennhard, dass die südafrikanischen Manager viel mutiger waren als ihre europäischen Kollegen. «Ich konnte als junger Ingenieur gewagte Experimente durchführen, die man so in Europa nicht hätte machen können, weil das Risiko, die Anlage zu beschädigen, zu hoch war.» In Südafrika lernte er auch seine Frau kennen, die 1996 mit ihm in die Schweiz kam und heute ebenfalls in der Firma arbeitet.

«Ich erhielt die Chance, die Generalstabsausbildung zu machen», begründet er den damaligen Entscheid, wieder in die Schweiz zu kommen. Insgesamt viermal habe er – in verschiedenen Rängen – die Grenadier-Rekrutenschule in Isone (TI) absolviert. «Das Militär war zuerst eine sportliche Herausforderung für mich, am Ende bin ich auf der strategisch-planerischen Ebene angelangt.» Er habe in Isone vieles gelernt, das ihm heute zugute komme. «Die militärische Entschlussfassung kennt viele Schritte, die man in angepasster Form auch im Unternehmen anwenden kann.» Im Militär habe er auch gelernt, wie man Menschen führe und motiviere. Als Chef ist es ihm wichtig, dass seine Mitarbeitenden die nötige Wertschätzung bekommen. Viele in Rennhards Team sind noch jung. Dennoch übergibt er ihnen Führungsaufgaben und lässt ihnen viel Gestaltungsraum.

«Wir brauchen keine mittelmässigen Hochschulabgänger, sondern möglichst viele fähige Berufsleute und wenige, aber hervorragende Akademiker.»
Christoph Rennhard

«Meine grösste Herausforderung ist es, talentierte Mitarbeitende zu finden», erklärt Rennhard. Gerne würde er mehr ETH-Absolvierende einstellen. «Aber viele gehen lieber zu einer grossen Firma, wir bieten halt keinen klingenden Namen», hat er beobachtet. «Sie unterschätzen auch, wie anspruchsvoll die Arbeit bei uns ist. Man kann sich bei uns nicht in internen Workshops erholen», sagt Rennhard mit einem Augenzwinkern. Dennoch wäre es aus seiner Sicht ein Fehler, wenn die Schweiz mehr Akademiker und Akademikerinnen ausbilden würde. «Wir brauchen keine mittelmässigen Hochschulabgänger, sondern möglichst viele fähige Berufsleute und wenige, aber hervorragende Akademiker.»

Rennhard, der begeisterter Motorradfahrer ist und sein technisches Flair auch als Hobbypilot auslebt, ist mit Leib und Seele Unternehmer und verbindet dabei Weltläufigkeit mit schweizerischer Bodenständigkeit. Immer wieder streut er Formulierungen ein, die er in seiner Jugend im Appenzell verinnerlicht hat: «Immer der sein, der man ist» oder «Trau, schau, wem» etwa, aber auch: «Ich bin ein Patriot und stolz auf den Werkstandort Schweiz.» Ehrlichkeit und Loyalität seien wichtige Begriffe für ihn. «Eine Firma verlassen und die Kunden mitnehmen, das wäre für mich nie infrage gekommen.»

In vielen Branchen aktiv

Nach seiner Rückkehr aus Südafrika arbeitete er für zwei Schweizer Firmen, in einer ist er noch heute als Verwaltungsrat tätig. Als neuer Chef bei LCA begann er damals sofort, die Softwareabteilung zu verstärken: «Die Steuerung unserer Anlagen ist sehr anspruchsvoll», erklärt er. Offenbar gelingt es der Firma gut, diese Aufgabe zu lösen. «Wir haben wenig Ausfälle», erklärt Rennhard mit Stolz. Auch wenn die Firma via Internet zu allen Anlagen Zugriff hat, ist die direkte Präsenz vor Ort wichtig. «Wenn unsere Kunden anrufen, erwarten sie schnellstmöglich eine kompetente Person am Apparat. Das klappt in neun von zehn Einsätzen.»

LCA ist in vielen Branchen tätig, die vielen Bauteile in Rennhards Büro zeugen davon. Wie bringt man das alles unter einen Hut? «Inhaltlich sind wir klar fokussiert», erklärt Rennhard. «Wir integrieren Technologien zu einem automatischen Gesamtsystem.» Eine neue Branche hat er kürzlich in einem Projekt mit dem Baustoffhersteller Sika und der Baufirma Affentranger kennengelernt. Die drei Partner haben einen Roboter entwickelt, der individuell geformte Bauteile aus Spezialbeton fertigt. Als Mitglied des Beirats von Inspire, dem ETH-Kompetenzzentrum für Technologietransfer, hat Rennhard zudem einen direkten Draht zur aktuellen Forschung. «Für uns ist es wichtig, dass wir Zugang zum Know-how der ETH haben, damit wir im Wettbewerb mithalten können.»

Ganz zum Schluss kommt Rennhard auf die automatische Kugelbahn in der Eingangshalle zu sprechen, die ein Team von Lehrlingen für die lokale Gewerbemesse entwickelt hat. «Das war ein voller Erfolg beim Publikum», erinnert sich Rennhard. «Die lokale Präsenz ist wichtig für uns. Denn hier finden wir diejenigen jungen Menschen, die bei uns eine Berufslehre machen.» Und manche von ihnen kommen später als seine Mitarbeitenden bis nach Mexiko oder China.

Zur Person

Christoph Rennhard hat an der ETH Zürich Maschinenbau und Werkstofftechnologie studiert und 1993 seine Doktorarbeit abgeschlossen. Nach verschiedenen beruflichen Stationen, unter anderem in Südafrika und in den USA, übernahm er 2010 als Inhaber die Firma LCA Automation in Küssnacht am Rigi. Er sitzt zudem im Beirat von Inspire ein, dem ETH-Kompetenzzentrum für Technologietransfer.

«Globe» Schönheit und Wissenschaft

Globe 22/02 Titelblatt: bunte Simlation einer gemessenen Gravitationswelle

Dieser Text ist in der Ausgabe 22/02 des ETH-​​​​Magazins Globe erschienen.

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