The Floor is Yours
Funktional integrierte, funikuläre Böden
Block Research Group, ETH Zürich
Architektur und Gebäudesysteme, ETH Zürich
Digitale Bautechnologien, ETH Zürich
Der rasch voranschreitende Abbau von Rohstoffen hat zur Folge, dass bereits im Jahr 2050 nicht mehr genügend Sand und Stahl für Betonbauten verfügbar sein werden. Es ist deshalb an der Zeit, das Design und die Bauweise von Gebäuden neu zu überdenken. Die ETH Zürich präsentiert im Pavillon in Davos ein funktional integriertes Bodensystem. Es ist das Ergebnis neuartiger Architekturforschung und zeigt, wie das Zusammenspiel von historischen, geometrischen Designs und neuen Technologien zu einer leichteren Bauweise sowie zu signifikanten Rohstoffeinsparungen führen kann.
Ein Team von Forschenden am Institut für Technologie des Departements Architektur der ETH Zürich ist derzeit daran, ein integriertes Boden-Tragwerksystem zu entwickeln. Ziel ist es, den erheblichen Anteil der Bauindustrie an den globalen Treibhausgas-Emissionen und am raschen Abbau natürlicher Ressourcen anzugehen und letztlich zu reduzieren. Die tragenden Elemente eines mehrstöckigen Gebäudes machen nämlich bis zu 50 % seiner Grauenergie aus. Und in Gebäuden mit zehn oder mehr Stockwerken stammen bis zu 80 % des Gewichts des Tragwerks von den Bodenplatten, die üblicherweise aus Stahlbeton hergestellt werden. Ein materialeffizientes Boden-Tragwerksystem könnte die graue Energie der bebauten Gebiete in den schnell wachsenden Städten dieses Planeten signifikant reduzieren. Zusätzlich würden optimierte Heiz- und Kühlsysteme den Energieverbrauch für den Gebäudebetrieb wesentlich verringern.
Die Block Research Group entwickelt funikuläre Böden mit versteiften Rippen, bestehend aus doppelt geschwungenen Schalen, die unter Druck Belastungen effizient standhalten. Spannungen werden zudem anstatt durch eingelagerte Stahlarmierungen extern über Verbindungen absorbiert. Dies ermöglicht eine massive Reduktion von bautechnisch unnötigem Beton um bis zu 70 %. Die Tragwerkgeometrie resultiert darüber hinaus in äusserst geringen Belastungen selbst in den sehr dünnen Bereichen, was die Verarbeitung schwächerer Materialien – wie beispielsweise von rezykliertem Beton – erlaubt. Durch das Aushöhlen der Bodenplatte – wobei ausschliesslich Bausubstanz zurückbleibt, die für einen effizienten Kräftetransfer unter Druck notwendig ist – lassen sich Rohre, Kabel und mechanische Systeme durch Bodenvolumen leiten, die früher nicht zugänglich waren.
Der Lehrstuhl für Architektur und Gebäudesysteme erforscht Energie- und Klimasysteme für Gebäude sowie deren Integration in tragende Elemente. Dies mit dem Ziel, die Effizienz zu erhöhen und Raumbedarf sowie Kosten zu reduzieren. Untersucht wird im Rahmen dieser Forschung insbesondere die Integration einer optimierten, dreidimensionalen Erweiterung eines hybriden Kühlungs- und Heizungs-Induktionsdurchlass-HVAC-Systems in funikuläre Boden-Geometrien. Synergien mit dem Tragwerkdesign werden durch die Nutzung der Hohlräume und der geometrischen Eigenschaften des Bodens erzielt, die eine effiziente Leitung von Luft und Wasser für den Wärmetransport und die Luftversorgung erlauben. Möglich wird ein derartiges, optimales Strömungsdesign dank der Flexibilität von 3D-Druck.
Aufgrund der komplexen Tragwerkgeometrie und des hohen Integrationsniveaus würde die Herstellung derartiger Böden aus Beton typischerweise zu material- und kostenintensiven Verschalungslösungen führen. Zudem wären komplexe Montage- und Demontagearbeiten erforderlich. In Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Digitale Bautechnologien werden deshalb neue, effiziente Verschalungslösungen untersucht, die auf modernsten 3D-Drucktechnologien basieren. Ziel ist es, massgeschneiderte, dünnwandige Formen zu entwickeln, die sich sowohl für interne Leitungssysteme als auch für die sichtbare Unterseite des Bodens eignen.
Der im Pavillon der ETH Zürich am World Economic Forum (WEF) 2019 in Davos ausgestellte Prototyp dieses funktional integrierten, funikulären Bodensystems ist eine effiziente Lösung, möglich gemacht durch Tragwerkgeometrie, Gebäudesystemintegration, effiziente Herstellungsmethoden und kollaborative Forschung im Rahmen des National Research Program Digital Fabrication (NCCR DFAB). Mit dem Prototyp soll das enorme Potenzial derartiger neuer Baukomponenten aufgezeigt werden, wenn es darum geht, die Herausforderungen zu thematisieren und zu meistern, mit denen sich die Bauindustrie bereits heute konfrontiert sieht und die in Zukunft noch zunehmen werden.
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Weitere Informationen
Projektgruppe
Block Research Group, ETH Zürich
Prof. Dr. Philippe Block
Cristián Calvo Barentin
Dr. Matthias Rippmann
Dr. Andrew Liew
Dr. Tom Van Mele
Architecture and Building Systems, ETH Zürich
Prof. Dr. Arno Schlüter
Dr. Gearóid Lydon
Digital Building Technologies, ETH Zürich
Prof. Dr. Benjamin Dillenburger
Andrei Jipa
Matteo Lomaglio
Georgia Chousou
Links
Functionally integrated funicular floor for NEST HiLo, 2019 - project page
Sponsoren
externe Seite BASF Schweiz AG
externe Seite Holcim (Schweiz) AG