Mittelsmänner in Sachen 3-D-Druck

Die 3-D-Printing-Landschaft ist für Firmen kaum mehr zu überblicken. Das ändert sich jetzt: Der ETH-Spin-off Additively.com schafft Transparenz und Überblick und vermittelt Kunden den richtigen Anbieter.

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Matthias Baldinger (l.) und Fabian Rahm möchten mit ihrem Spin-off abheben. (Bild: Peter Rüegg / ETH Zürich)

Im Büro von Matthias Baldinger und Fabian Rahm steht eine Sitzreihe aus einem Flugzeug einer Schweizer Charterfluglinie. Drei Stühle für eine Zweimannfirma? «Irgendwann mal möchten wir wachsen und mehr Mitarbeiter einstellen können», sagt Rahm, der die Sessel von seiner Schwester, die bei der Fluglinie Flugbegleiterin ist, geschenkt bekommen hat.

Momentan gilt es aber erst abzuheben, nachdem der Spin-off der beiden Firmengründer, Additively.com, Fahrt aufgenommen hat: Seit dem 17. März ist ihr neues Webportal online, mit dem Baldinger und Rahm an Höhe gewinnen und auf Kurs kommen wollen. Auf welcher Flughöhe sich der ETH-Spin-off schliesslich stabilisiert, ist offen. Damit erschöpfen sich die Analogien zur Fliegerei: externe SeiteAdditively.com beschäftigt sich nämlich ausschliesslich mit 3-D-Printing.

Scharnier zwischen Anbieter und Abnehmer

Die Idee der jungen Firma ist, für Unternehmen, die auf dem boomenden 3-D-Printing-Markt nach einer geeigneten Lösung suchen, Hilfe zu leisten: beim Auswählen des geeigneten Druckverfahrens, des richtigen Anbieters und beim Einholen von Offerten. Additively.com ist eine Beratungs- und Vermittleragentur, die an der Schnittstelle zwischen Anbietern und Abnehmern von 3-D-Druckerzeugnissen positioniert ist. Mit dieser Position sind Baldinger und Rahm zurzeit allein auf weiter Flur.

In den letzten Jahren ist der 3-D-Printing-Markt förmlich explodiert und dadurch unübersichtlich und intransparent geworden. Einerseits gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher 3D-Drucktechnologien. Und für jede Anwendung muss die optimalste Technologie ausgewählt werden. Andererseits gibt es einen schnell wachsenden und vielfältigen Dienstleistermarkt. Die Anbieter sind teilweise technologisch sehr verschieden ausgerichtet und haben unterschiedliche Geschäftsmodelle, was es Abnehmern von Druckerzeugnissen erschwert, den richtigen ausfindig zu machen. Daher erfordert es von Firmen, die 3D-gedruckte Teile realisieren möchten, viel Zeit und Fachwissen. «Aufgrund dieser Komplexität werden heute viele vielversprechende 3D-Druck-Projekte leider nicht umgesetzt», sagt Baldinger.

Um Ordnung ins Chaos zu bringen haben er und Rahm die Webplattform Additively.com geschaffen. Auf diese können Kunden die 3D-Daten der Teile, die sie benötigen, hochladen und die Anforderungen spezifizieren. Die Jungunternehmer unterstützen sie dann dabei, für die Herstellung der Teile die richtige 3D-Druck-Technologie auszuwählen und Angebote von geeigneten Dienstleistern einzuholen. Hierzu steht ihnen ein Verzeichnis von mittlerweile über250 Anbietern zur Verfügung. Kunden können dann die Preise vergleichen und die gewünschten Teile bestellen. Anschliessend können sie die Produzenten auch bewerten. Für neu vermittelte Aufträge verlangen Baldinger und Rahm von den Anbietern eine Kommissionsgebühr. Daneben stellen die Jungunternehmer auf ihrer Website in einer Lernumgebung detaillierte Informationen über 3D-Druck zur Verfügung.

Faktor 28 gab Ausschlag

Die Idee für die Firma hatte Matthias Baldinger. Für seinen früheren Chef musste er Unterlagen über 3-D-Drucken aufbereiten. Und er war fasziniert von der Technologie und den Produkten, die mit 3-D-Printern erzeugt werden konnten. So hängte er seinen Job bei Accenture, den er nach dem Studium begonnen hatte, an den Nagel und begann eine Dissertation am Lehrstuhl von Professor Paul Schönsleben am Department Management, Technologie und Ökonomie (D-MTEC) der ETH Zürich. In dieser Arbeit befasst er sich damit, wie 3D-Printing in die produzierende Industrie eingebracht werden kann.

Mit Fabian Rahm holte sich Baldinger einen Software-Entwickler an Bord, der das Webportal aufsetzte und weiterentwickelt. Rahm arbeitete zuvor als Informatiker bei Swissair und überlebte das Grounding der Airline, danach bei der damaligen Telekurs und zuletzt bei einem KMU, das Flugsimulatoren entwickelt. 2012 beschloss er, sich selbständig zu machen. Dann wurde er von Baldinger angefragt, ob er Lust hat, mit ihm eine Firma zu gründen. Im Juni 2013 sassen sie erstmals über den Firmenkonzepten zusammen, Mitte September bezogen sie im Technopark ein kleines, einfaches Büro.

Im letzten Jahr haben die Jungunternehmer mit einer Vergleichsstudie die Basis für ihr Unternehmen gelegt. Dabei holten sie für fünf Referenzobjekte bei verschiedenen 3-D-Druck-Anbietern Offerten ein, verglichen Preis und Technologien. Das Ergebnis dieser Studie bekräftige sie in ihrem Vorhaben. Die Preisunterschiede für den Druck von ein und demselben Teil unterschieden sich teilweise um den Faktor 28. Grund genug, die Branche zu durchforsten und Transparenz herzustellen. «Das ist im Sinne der Kunden, die dank unserer Dienstleistung Zeit und Geld sparen», ist Fabian Rahm überzeugt.

Koryphäe unterstützt Jungunternehmer

Mit ihrer neuen Website sind die Firmengründer nun seit Mitte März online. Davor lag eine eineinhalbmonatige Probephase, in der sie 15 Aufträge mit Testkunden abwickelten. Bis zu sechs Offerten pro Teil holten sie ein. «Dies hat uns gezeigt, dass die Abläufe stimmen: das war das Proof of concept», sagt Baldinger.

Momentan können sich die Jungunternehmer keinen Lohn auszahlen. Additively.com macht derzeit noch zu wenig Umsatz. Das soll sich jedoch bald ändern. Bis im Sommer soll sich zeigen, wie es mit der Finanzierung weiter geht.

Zurzeit werden die Firmengründer von einem KTI-Coach beraten. Dieser hat sie in der Vorbereitungsphase begleitet, nun sind sie dabei, mit seiner Hilfe den Businessplan zu überarbeiten. «Uns hilft vor allem die langfristige Sicht, die der Coach einbringt», sagt Baldinger. Sie selbst würden oft vor lauter kurzfristigen Dingen die Langzeitperspektive vergessen. Darüber hinaus steht ihnen der 3-D-Print-Experte Gideon Levy mit Rat und Tat zur Seite. «Er unterstützt uns inhaltlich und hilft durch Mund-zu-Mund-Propaganda. Er ist in der Branche bestens vernetzt», lobt ihn Rahm. Und: Bereits vor 20 Jahren habe er vorhergesagt, dass 3-D-Printing die Produktionstechnik der Zukunft werde. Darauf bauen die beiden Spin-off-Gründer nun ihr Unternehmen auf.

3-D-Drucktechniken

Mit 3-D-Printing, im Fachbegriff Additive Manufacturing, wird eine Vielzahl verschiedener externe SeiteProduktionstechnologien bezeichnet. Zu diesen Drucktechnologien zählen unter anderem das Laser Sintering, das Fused Deposition Modelling (FDM) oder die Stereolithography. So unterschiedlich die Drucktechniken, so verschieden auch die Materialien, die damit verarbeitet werden. Daraus resultieren auch eine Vielzahl verschiedener Maschinentypen, die teilweise über eine Million Franken kosten. 3-D-Printing hat viele Vorteile verglichen mit traditionellen Herstellungsprozessen, vor allem bei der Produktion von Bauteilen in kleiner Stückzahl oder mit komplexer Geometrie. Das macht es interessant für Prototypen, Supportteile und Kleinserien. In allen Industrien gibt es eine Vielzahl von Anwendungen.

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