Neue Sicht aufs Limmattal
Das Limmattal kann sich nachhaltig entwickeln, wenn Gemeinden, Regionen, Kantone und der Bund an einem Strick ziehen. Mit der Ideenkonkurrenz «Perspektive Raumentwicklung Limmattal» (PeRL) wurden dafür gemeinsam Grundlagen geschaffen, die nun der Öffentlichkeit vorgestellt werden.
Im knapp 30 Kilometer langen Tal der Limmat von der Zürcher Hardbrücke bis an das Wasserschloss bei Brugg – Lebensraum für über 200‘000 Einwohnerinnen und Einwohner – drängen sich Infrastrukturen von regionaler, kantonaler, nationaler und europäischer Bedeutung. Die Beteiligten des Projekts PeRL gehen davon aus, dass die Bevölkerung bis ins Jahr 2050 um mindestens ein Drittel wachsen wird und sich weiter urban entwickeln soll. «Was im Limmattal in den nächsten Jahren und Jahrzehnten räumlich geschieht, ist für die gesamte Schweiz von Relevanz», erklärt der Leiter des Begleitgremiums von PeRL, Bernd Scholl, Professor am Institut für Raum- und Landschaftsentwicklung der ETH Zürich. Aus diesem Grund wurde 2013 nach intensiver Vorbereitung ein Planungsprozess durchgeführt, bei dem breit abgestützte Vorstellungen für die langfristige räumliche Entwicklung des Limmattals erarbeitet wurden.
Im Rahmen dieses Prozesses haben vier interdisziplinäre Planungsteams von Albert Speer & Partner (Frankfurt/M.), ASTOC Architects and Planners (Köln), KCAP Architects & Planners (Zürich) und der Metron AG (Brugg) Vorschläge für eine Gesamtvorstellung erarbeitet, wie sich das Limmattal entwickeln soll und wo bei der Entwicklung die Schwerpunkte zu legen sind. Im Unterschied zu einem klassischen Wettbewerb wurde kein Siegerentwurf gekürt. Vielmehr fügte das Begleitgremium aus externen Fachleuten sowie Expertinnen und Experten der beteiligten Ebenen die besten Vorschläge aller Planungsteams in einer Gesamtbetrachtung zusammen. Darauf abgestützt wurden im Begleitgremium Empfehlungen zuhanden der politischen Behörden formuliert. Hervorzustreichen sind insbesondere die folgenden Empfehlungen:
Eigenständiges Limmattal – mehr als eine Erweiterung Zürichs
Laut dem Begleitgremium soll das Limmattal kein durchgehendes homogenes Stadtband werden. Vielmehr definierte das Gremium drei Teilräume mit unterschiedlichen Charakteristika und eigenständigen Profilen. Es sind dies die Räume von Baden-Wettingen bis zum Wasserschloss an der Mündung der Limmat, Dietikon/Spreitenbach/Killwangen sowie Zürich-Altstetten/Schlieren. Das Gremium empfiehlt in seinem Bericht, sich mit dem mittleren Teil Dietikon/Spreitenbach/Killwangen prioritär und vertieft zu beschäftigen und die drängenden Aufgaben der Siedlungs-, Verkehrs- und Landschaftsentwicklung integrierend und grenzübergreifend zu klären.
Qualitäten für einen attraktiven Lebensraum nutzen
Aber nicht alles soll sich nach Ansicht des PeRL-Begleitgremiums ändern: die Qualitäten des Limmattals seien zu bewahren, um diese für einen zukunftsfähigen Lebensraum nutzen zu können. Das Potenzial der Landschaft mit der Limmat und den Hangrücken sowie die landschaftlich geprägten Spangen quer zum Talraum sollen die Siedlungsentwicklung wesentlich mitprägen. Die Freiraumqualitäten eines abwechslungsreichen und frei zugänglichen Flussraums sind weiter zu stärken, und die Möglichkeiten für das Wohnen am Wasser künftig vermehrt zu nutzen.
Um attraktive und belebte Ortszentren zu erhalten, hält das Begleitgremium fest, dass es auch künftig sowohl den lokalen Detailhandel als auch die grossflächigen Einkaufszentren brauche. Die Angebote sollen jedoch noch stärker aufeinander abgestimmt werden. Die Gemeinden sollten eine aktive Bodenpolitik betreiben, das heisst Standorte für strategische regionale und kommunale Infrastrukturen identifizieren und für die Zukunft sichern.
Der Verkehr als grosse gemeinsame Aufgabe
Ein besonderes Augenmerk richtet das Begleitgremium auf die Verkehrssituation, die in der Region schon heute angespannt sei. Da die für die gesamte Schweiz bedeutende Region Zürich und der Flughafen erreichbar bleiben müssen, sei es dringlich, die Verkehrsträger im Limmattal zu einem integrierten System zu verknüpfen. Vorrangig sollte die Limmattalbahn von Zürich-Altstetten bis Killwangen als Rückgrat des regionalen Verkehrs im östlichen Limmattal umgesetzt und der Honeret-Tunnel als dritte Doppelspur realisiert werden.
Veloschnellwege sowohl längs der Limmat als auch längs der Bahnachse sollten zusammen mit kleinteiligen lokalen Velowegnetzen zudem den Langsamverkehr fördern. Das zusätzliche Verkehrsaufkommen müsse überwiegend von diesem und dem ÖV bewältigt werden. Um langfristig zu gewährleisten, dass auch der motorisierte Individualverkehr funktionsfähig bleibe, seien bauliche aber vor allem auch betriebliche Optimierungsmöglichkeiten der Hochleistungsstrassen vorurteilsfrei zu prüfen.
Den kreativen Prozess nutzen – die Zusammenarbeit weiter intensivieren
PeRL hat exemplarische Bedeutung über den Prozess hinaus. Erstmals haben Akteure über Gemeinde-, Regions- und Kantonsgrenzen hinweg und zusammen mit den betroffenen Bundesstellen eine langfristige Entwicklungsperspektive erarbeitet und sich auf wesentliche Stossrichtungen verständigt. «Bundesseitig besteht der Wunsch nach weiterer, vertiefter Zusammenarbeit über die administrativen Grenzen und die Staatsebenen hinweg», sagt Martin Tschopp, Stellvertretender Leiter der Sektion Bundesplanungen im Bundesamt für Raumentwicklung. So ist wegen der exemplarischen Bedeutung dieses Prozesses und des Limmattals für die übergeordnete Raumentwicklung vorgesehen, dass aufbauend auf den PeRL-Ergebnissen ein Nachfolgeprojekt «Nachhaltige Raumentwicklung 2014-2018» verfolgt wird.
«Das Limmattal ist mit dem Projekt und der Bereitschaft, dieses konsequent weiterzuverfolgen, zu einem eigentlichen Modell für schweizerische Raumplanung geworden. Dieses begleiten wir vom Institut für Raum- und Landschaftsentwicklung der ETH Zürich gerne», so Scholl.
Weitere Informationen
Die Ergebnisse der Ideenkonkurrenz stehen in Form eines Berichtes unter www.irl.ethz.ch/re/cooperation/perl zur Verfügung.