Das Internet der Lieblings-Dinge

Der ETH-Spin-off «Qipp» verbindet mithilfe virtueller Profile unsere Lieblingsobjekte mit dem Internet. Dank Smartphones sollen Hersteller mit den Käufern über die gesamte Lebensspanne eines Produkts in Kontakt bleiben.

Vergrösserte Ansicht: qipp
Herren der Dinge: Die «Qipp»-Gründer Manfred Bausch, Stefan Zanetti und Claudio Büttler (v.l.n.r.) wollen das Internet der Dinge auf unsere Smartphones bringen.

Kühlschränke, die sich selber auffüllen, Autoreifen, die ihren Luftstand automatisch melden, Maschinen, die zur Wartung rufen – das Internet der Dinge soll einst alle Objekte, die uns umgeben, mit dem Internet verbinden. Möglich macht das die enorme Miniaturisierung von Sensoren, Chips und Prozessoren, denn heute hat in praktisch jedem Ding ein winziger Chip Platz – und sei es nur auf einer Klebeetikette.

Was bis vor kurzem noch der Forschung und Industrie vorbehalten war, findet nun den Weg zu den privaten Nutzern. Der 2012 gegründete ETH-Spin-off «Qipp» (externe Seite https://www.qipp.com) mit derzeit neun Mitarbeitern macht`s möglich. Der Gründer, Stefan Zanetti, machte sich von 2005 bis 2009 als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Professur für Informationsmanagement an der ETH Zürich gemeinsam mit Professor Elgar Fleisch auf die Suche nach ersten kommerziellen Anwendungen des Internets der Dinge. Dabei kam er zum Schluss: «Das Internet der Dinge krankt momentan noch an der Notwendigkeit, Sensoren und Kommunikationsmodule in Produkte einzubauen. Folglich führte dies bisher zu sehr spezifischen Anwendungen.»

Zanettis Idee: Weshalb nicht einfach virtuelle Profile für Dinge im Internet anlegen, anstatt den Objekten Mikrochips wie RFIDs einzubauen. Dafür programmierten er und seine Mitarbeiter eine Plattform, auf welcher Nutzer seit wenigen Wochen ihre Lieblingsgegenstände, wie Velos, Handtaschen oder Elektrogeräte mit virtuellen Stellvertretern erweitern können. Über diese werden sämtliche nützlichen Informationen und Dienste zu den Dingen wie Garantiescheine, Gebrauchsanweisungen, Erinnerungen für Wartungen und Aktualisierungen, eigene Notizen oder Links abgelegt. Als Medium, um zwischen Mensch, Gegenstand und Internet zu vermitteln, dient das Smartphone. Weiterer Vorteil: Das Dingeprofil wird kontinuierlich mit Informationen aus dem Internet ergänzt, zum Beispiel zu Produkterweiterungen, neu verfügbaren Accessoires oder aktuellen Modellen. Die Qipp-Web-Plattform dient aber auch als eine Art Facebook der Lieblingsdinge: Wer ein Benutzerkonto hat, kann die Informationen über seine Objekte veröffentlichen und mit anderen Qipp-Nutzern teilen.

Neue Produzenten-Konsumenten-Beziehung

Insbesondere die Generation der «Digital Natives», die gelernt hat, mit dem Smartphone durchs Leben zu steuern, dürfte sich über eine solche Virtualisierung des Materiellen freuen – zumal der Dienst gratis ist. Doch wie verdient der Start-up damit Geld? «Heute verlieren Hersteller den Kontakt zu ihren Kunden meist, sobald das Produkt ausgeliefert ist», erklärt Zanetti. «Mit unserem Service schaffen wir eine direkte Beziehung zwischen Produzenten und Konsumenten, die über die gesamte Lebensspanne des Produkts dauert.» «Post Purchase Service», nennt sich das in der Fachsprache – und den will sich der ETH-Spin-off bezahlen lassen.

Dazu versieht Qipp Produkte oder Verpackungen mit einem eindeutigen Erkennungsmerkmal, zum Beispiel mit einem QR-Code. Sobald man den Code mit der Smartphone-Kamera eingelesen hat, wird das Produkt zum eigenen Profil der Lieblingsdinge hinzugefügt. Übers Internet kann der Hersteller nun auf neue Produkte aufmerksam machen, über einen Rückruf oder Software-Updates informieren.

Einer der ersten sechs Qipp-Nutzer ist Philipp Schwander. Der «Master of Wine» vertreibt eine eigene Linie an ausgewählten Weinen. Gefällt seinen Käufern oder deren Gästen ein Wein besonders gut, können sie mit dem Smartphone das Qipp-Label einscannen. Dadurch erhalten sie nicht nur eine Fülle an zusätzlichen Informationen zu Rebsorte und Weingut, sondern auch die Möglichkeit, den Wein mit einem Klick zu bestellen. Dass diese direkte und einfache Art des Produktevertriebs für Händler attraktiv ist, leuchtet ein. Daher verwundert es nicht, dass zu den ersten Kunden auch grosse Firmen wie Bosch und Swisscom gehören. Laut Zanetti sind zudem Verhandlungen mit über hundert weiteren Unternehmen im Gang.

Daten auswerten für Kundenberatung

Und was ist mit dem Datenschutz? Schliesslich dürften Konsumgüterunternehmen ein grosses Interesse an Informationen zum Kaufverhalten der Qipp-Nutzer haben. Zanetti ist pragmatisch: Jeder Nutzer kann wählen, welche Daten er den Produzenten über Qipp zugänglich macht. Je mehr Daten verfügbar sind, desto spezifischer sind auch die virtuellen Angebote der Produzenten. Ungefragt würden aber keine Daten an Unternehmen verkauft, versichert der ETH-Alumnus: «Das wäre unser Tod.» Hingegen wertet Qipp die anonymisierten Daten aus, um damit ihre Geschäftspartner bezüglich Konsumentenwünschen und Marketing zu beraten. Die automatisierte Echtzeitauswertung von riesigen Datenmengen, schafft auch in diesem Bereich neue Möglichkeiten. Dass Qipp zu einem fragwürdigen Warenkult beiträgt und den Konsum anheizt, glaubt Zanetti nicht. Vielmehr könne der Service dazu beitragen, dass Produkte besser gewartet und deshalb länger genutzt würden, ist er überzeugt.

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