Stroh-Albedo mildert Hitzeextreme

Felder, die nach der Ernte nicht umgepflügt werden, reflektieren mehr Strahlung als gepflügte. Dieser Effekt vermag Temperaturextreme bei Hitzewellen um bis zu zwei Grad zu dämpfen, zeigen ETH-Forschende in einer neuen Studie auf.

Vergrösserte Ansicht: Stroh und Erntereste reflektieren die einfallende Sonnenstrahlung. Bei Hitzewellen sinkt dadurch lokal die Temperatur um bis zu zwei Grad. (Bild: skoeber/flickr.com)
Stroh und Erntereste reflektieren die einfallende Sonnenstrahlung. Bei Hitzewellen sinkt dadurch lokal die Temperatur um bis zu zwei Grad. (Bild: skoeber/flickr.com)

Weizenfelder werden oft gleich nach der Ernte umgepflügt. Dadurch verschwinden die hellen Stoppeln und Erntereste von der Oberfläche, nackte dunkle Erde gelangt nach oben. In Europa ist Umpflügen nach der Ernte eine weit verbreitete und übliche Bewirtschaftungsmethode. So bearbeitete Felder können sich aber während Hitzewellen nachteilig auf das lokale Klima auswirken. Das zeigen Forscher der ETH Zürich um Edouard Davin, Oberassistent am Institut für Atmosphäre und Klima, und Sonia Seneviratne, Professorin für Land-Klima-Dynamik, in einer neuen Studie in der Fachzeitschrift PNAS.

Ungepflügte Stoppelfelder sind heller und reflektieren mehr Strahlung als beackerte: Messungen zeigen, dass etwa 30 Prozent der Sonneneinstrahlung dank des sogenannten Albedo-Effektes zurückgeworfen wird. Die Albedo ist ein Mass für das Rückstrahlungsvermögen von reflektierenden Oberflächen. Bearbeitete Äcker hingegen reflektieren nur 20 Prozent der solaren Einstrahlung. Modellsimulationen zeigen, dass dieser gering erscheinende Unterschied die Rückstrahlung von ungepflügten Feldern um 50 Prozent vergrössert und sich auf Extremtemperaturen markant auswirkt: Bei extremer Hitze, wie sie 2003 Europa heimsuchte, senkten unbearbeitete Felder die lokale Temperatur um bis zu zwei Grad.

Regionaler Effekt

Je heisser es wird, desto kräftiger wirkt der Albedo-Effekt und desto stärker ist die Kühlung. «Der Effekt ist deshalb während Hitzewellen stärker, weil in solchen Phasen kaum Wolken vorhanden sind, sodass mehr Strahlung ins All zurückgeworfen wird», sagt Erstautor Davin. Der Kühleffekt wirkt allerdings nur kurzfristig und lokal, allenfalls regional, nicht aber überregional.

«Würden sämtliche französischen Bauern ihre Felder im Sommer nicht mehr umpflügen, würde dies in Deutschland wenig Auswirkung haben», ergänzt Seneviratne. Auch langfristig dürfte dieser Mechanismus den Trend zum wärmeren Klima und damit häufigeren Hitzewellen nicht merklich beeinflussen. Dennoch sei der lokale Beitrag wichtig, findet die ETH-Professorin. Insbesondere könne dies dazu beitragen, Temperaturspitzen zu brechen. Die Forscherin räumt allerdings ein, dass der Effekt von nicht beackerten Feldern überwiegend in Regionen spielt, in denen es im Sommer sehr heiss wird, etwa im Mittelmeergebiet, weil die Sonneneinstrahlung dort besonders hoch ist. An Hitzetagen kann der Effekt aber auch in Nord- und Mitteleuropa relevant werden.

Für die Studie, eine Zusammenarbeit der ETH-Forscher mit französischen Kollegen, analysierte Davin Strahlungsmessdaten von Ackerland in der nähe der südfranzösischen Stadt Avignon. Ausserdem haben die Forscher Modellsimulationen für Europa durchgeführt, in denen sie die Effekte von nicht gepflügten Böden einbauten.

Die kühlende Wirkung eines unbearbeiteten Feldes führen die Forscher aber nicht nur auf den Albedo-Effekt zurück. Die Ernteresten wirken auch als Isolationsschicht, welche die Feuchtigkeit in den tieferen Bodenschichten zurückbehält und nur langsam entlässt. Dies trägt ebenfalls dazu bei, die Lufttemperatur während einer Hitzewelle zu senken. In einem gepflügten Feld hingegen verdunstet das Bodenwasser rascher und bei Hitzewellen fast vollständig.

In Amerika ist Nicht-Pflügen üblich

Die Forscher halten das Nicht-Pflügen für eine brauchbare Variante, um lokal die Folgen des Klimawandels – wie vermehrt extrem heisse Sommertage – zu mildern. «Es wird zunehmend wichtiger, dass wir die Ackerland-Albedo ausnutzen, um Hitzewellen zu dämpfen. Obwohl solche Ereignisse selten auftreten, haben sie massive ökologische und gesundheitliche Folgen», sagt Seneviratne. Die Forscher befürchten, dass mit dem Klimawandel Hitzewellen häufiger werden. Obschon der mittlere globale Temperaturanstieg in den vergangenen Jahren stagnierte, nahm die Zahl an Hitzeextremen über Landgebieten weiter zu, wie die ETH-Professorin kürzlich in einer Publikation in Nature Climate Change aufzeigte.

Insbesondere in Europa besteht genügend Potenzial, um mithilfe nicht bearbeiteter Felder die hohen Temperaturen an Hitzetagen zu dämpfen. Bis anhin verzichten die Bauern nur bei einem verschwindend kleinen Anteil der Felder auf das Pflügen nach der Ernte. Der europäische Anteil an weltweit nicht gepflügten Anbauflächen beträgt nur zwei Prozent. In den USA und Südamerika ist es anders: Dort liegen 85 Prozent der weltweiten nicht gepflügten Ackerflächen.

Literaturhinweise

Davin EL, Seneviratne SI, Ciais P, Olioso A, Wang T: Preferential cooling of hot extremes from cropland albedo management. PNAS, Online-Veröffentlichung vom 23. Juni 2014. DOI: externe Seite 10.1073/pnas.1317323111

Seneviratne SI, Donat M, Mueller B, Alexander LV: No pause in the increase of hot temperature extremes. Nature Climate Change 2014, 4: 161-163. DOI: externe Seite 10.1038/nclimate2145

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