Gesucht: Namen für Exoplaneten

Sie heissen «CoRoT-4 b» oder «OGLE-2005-BLG-390L b» – Exoplaneten haben oft wissenschaftliche Bezeichnungen, die unaussprechlich sind. Nun hat die Internationale Astronomische Union (IAU) in Zusammenarbeit mit dem Citizen-Science-Projekt Zooniverse einen öffentlichen Wettbewerb ausgeschrieben, bei dem aus einer Liste von 305 Exoplaneten die 30 Populärsten ausgewählt werden und einen neuen Namen bekommen sollen.

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Rund 800 extrasolare Planetensystemen und 1078 Exoplaneten sind heute bekannt und laufend werden weitere entdeckt. (Bild:ESO /M.Kormesser)

ETH-News fragte Kevin Schawinski, Professor für Astrophysik und Mitinitiant der Citizen Science-Plattform, und Sascha Patrick Quanz, der als Senior Scientist selber Exoplaneten erforscht, was sie von der Idee halten.

Welches ist Ihr Lieblings-Exoplanet? Und was ist das Besondere an gerade diesem Exoplaneten?

Schawinski
(Bild: Kevin Schawinski)

Schawinski: Mein Lieblings-Exoplanet ist PH1b (Planethunters 1b), der von Citizen Scientists der Plattform planethunters entdeckt wurde. PH1b ist ein echtes Rätsel, vor allem wenn wir verstehen wollen, wie ein solcher Planet entsteht. PH1b umkreist einen Doppelstern, der seinerseits einen zweiten Doppelstern umrundet. Wenn man von PH1b in den Himmel schaut, sieht man deshalb nicht eine Sonne, nicht zwei, sondern sogar vier!

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(Bild: Sascha Quanz)

Quanz: Mein Lieblingsplanetensystem sind vier Gasriesen, die alle den Stern HR8799 umkreisen. Jeder der vier Exoplaneten ist um einiges schwerer als Jupiter in unserem Sonnensystem und braucht zwischen 50 und 500 Erdenjahre, um den Stern zu umrunden. Das Besondere an ihnen ist, dass wir mit den leistungsstärksten Teleskopen schon heute «Fotos» von ihnen machen können. Diese Fotos helfen uns dabei, die Zusammensetzung der Atmosphäre dieser Exoplaneten zu analysieren.

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PH1b mit seinen vier Sonnen ist der Lieblingsplanet von Kevin Schawinski. (Bild: NASA/Haven Giguere/Yale)

Haben Sie schon über einen neuen Namen nachgedacht? Welchen würden Sie vorschlagen?
Schawinski: Ich habe immer erwartet, dass sich die Öffentlichkeit via Internet Namen für Exoplaneten einfallen lassen wird. Der Wisdom-of-Crowd-Effekt bringt bei sehr vielen Dingen unglaubliche Vorteile. Einer davon ist, dass sich viele Menschen zusammen einen besseren Namen ausdenken als ich alleine.

Quanz: Ehrlich gesagt, habe ich mir das bisher noch nie überlegt... Wahrscheinlich sollte ich das Ganze mit meinen Kindern diskutieren – die sind kreativer als ich.

Was halten Sie persönlich von der Initiative der IAU?
Quanz: Ich finde die Initiative sehr gut. Es ist wichtig, dass die Öffentlichkeit Zugang zu unserer Forschung hat und sieht, was wir tun. Mit der Namensgebung haben viele Menschen die Möglichkeit, sich mit dem Thema «Exoplaneten» auseinanderzusetzen. Dabei entdecken sie, wie viele Planeten mittlerweile in unserer kosmischen Nachbarschaft gefunden wurden und welche Eigenschaften sie haben.

Schawinski: Ich sehe das auch so. Die stärkere Einbindung der Öffentlichkeit in die Wissenschaftswelt ist positiv. Mit verständlichen Namen werden diese fernen Welten – einerseits die der Exoplaneten und andererseits die der Wissenschaft - viel realer und greifbarer.

Jede Meldung über Exoplaneten stösst auf ein grosses Interesse in der Bevölkerung. Warum ist das so?

Gasriesen des Sterns HR8799
Von den vier Gasriesen des Sterns HR8799 gibt es erste reale Aufnahmen. (Bild: NASA)

Quanz: Das hat teilweise mit der Frage nach ausserirdischem Leben und unserem Platz im Universum zu tun. Seitdem wir wissenschaftlich belegen konnten, dass es da draussen unzählige Planeten gibt, stellt sich die Frage, ob auf einigen von ihnen lebensfreundliche Bedingungen herrschen. Die Frage drängt sich deshalb auf, weil die meisten von ihnen – zumindest von der Grösse und von der Masse her – unserer Erde ziemlich ähnlich sind... Nachts in den Himmel zu schauen und zu wissen, dass fast jeder Stern von Planeten umkreist wird, ist schon ein faszinierender Gedanke.

Schawinski: Ganz klar: Jeder neu entdeckte Exoplanet bringt uns näher an einen Planeten, der unserer Erde ähnelt - und auf dem könnte dann auch Leben sein. Wenn da draussen irgendwo Leben existiert, das nicht mit unserem irdischen verbunden ist, wäre das die grösste Entdeckung aller Zeiten.

Welches sind die nächsten grossen Schritte bei der Erforschung der Exoplaneten? Welche Fragen sind noch ungeklärt?
Schawinski: Der nächste Schritt ist, wirklich erdähnliche Planeten in unserer Umgebung zu finden. Aber beim – berechtigten – Hype um die Exoplaneten sollten wir auch unser Sonnensystem nicht vergessen. Eine Mission zu den Monden des Jupiters oder Saturn, auf denen es auch Leben geben könnte, wäre äusserst faszinierend.

Quanz: Je mehr Planeten wir finden, umso mehr Fragen tauchen auf; insofern haben wir extrem viele offene Fragen! Wir sollten klären, wie viele Planeten ihre Sterne in einem Abstand umkreisen, der es erlaubt, dass auf ihnen Wasser flüssig sein könnte. Flüssiges Wasser wird häufig als Bedingung genannt, damit Leben, wie wir es von der Erde kennen, auf einem anderen Planet möglich sein könnte.

 

 

2M1207b  war 2004 der erste Exoplanet, der direkt auf optischem Wege durch das Very Large Telescope (VLT) der ESO wahrgenommen werden konnte.

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Exoplanet 2M1207b (Bild: ESO)

Zu den Personen

Kevin Schawinski wurde 1981 in Zürich geboren und ist seit 2012 Assistenzprofessor der Astrophysik von Galaxien und schwarzen Löchern am Departement Physik. Sein Hauptforschungsinteresse gilt der Co-Evolution von Galaxien und supermassiven schwarzen Löchern. Zudem engagiert sich Schawinski für “Citizen Science” (Bürgerwissenschaft) und die direkte Einbindung der Öffentlichkeit in die wissenschaftliche Forschung. (ETH life vom 21.1.2013)

Sascha Patrick Quanz ist Senior Scientist bei der Professur Star&Planet Formation am Departement Physik und seit 2009 an der ETH Zürich. Er erforscht die physikalischen und chemischen Eigenschaften von extrasolaren Planeten und ihren Entstehungsprozess. (ETH Life vom 28.2.2013)

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