Haftpflicht für Schäden des Klimawandels
Um die globalen Herausforderungen des Klimawandels künftig besser zu meistern, schlagen wir einen marktwirtschaftlichen Ansatz nach dem Modell der Schweizer Gebäudeversicherung vor: Eine Klimahaftpflichtversicherung könnte für unwetterbedingte Infrastrukturschäden aufkommen und Klimaschutz- sowie Anpassungsprojekte finanzieren.
Es ist noch nicht lange her, dass man in der Schweiz Häuser an unvernünftigen Lagen baute, in Zonen also, die von Überschwemmungen, Lawinen und Hangrutschen gefährdet waren. Es gab zwar auf Stufe Bund Gefahrenkarten und Weisungen an Kantone und Gemeinden, den Bau von Häusern in solchen Zonen zu untersagen. Aber die politischen Gremien in den Kantonen und Gemeinden hatten zum Teil andere Prioritäten.
Ähnlich ist es in der Klimapolitik: Auf Stufe UN gibt es den Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change), der die Auswirkungen des Klimawandels bestimmt, sozusagen die «Gefahrenkarte» zeichnet, und es gibt die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen UNFCCC (United Nations Framework Convention on Climate Change), welche die Klimakonferenzen (COP) durchführt und Regeln berät. Auch wenn es einmal dazu kommt, dass etwas beschlossen wird, wie vor Jahren in Kyoto, dann haben diese Regeln und Beschlüsse auf nationaler Stufe wenig – oder gar kein – Gewicht.
Versicherung fördert Kooperation
Heute werden in der Schweiz in gefährdeten Zonen praktisch keine Häuser mehr gebaut. Warum? Die Gebäudeversicherungen haben erkannt, dass es für sie besser ist, neue Häuser in Gefahrenzonen nicht zu versichern. Dies hat den Bau solcher Häuser schlagartig gestoppt. Gebäudeversicherungen sind aus historischen Gründen zwar oft staatliche Einrichtungen, arbeiten aber ähnlich wie private Firmen und sind zum Teil auch privat. Dass der Staat die Gefahrenzonen definiert und alle Gebäudeversicherungen diese in ihrem eigenen Interesse nutzen, ist ein Beispiel einer erfolgreichen Zusammenarbeit von öffentlicher Hand mit privaten und öffentlich-rechtlich organisierten Versicherungen. Auch in Kantonen ohne obligatorische Gebäudeversicherung ist der Anteil der versicherten Gebäude sehr hoch. Banken würden ohne Versicherungsschutz kaum eine Hypothek geben, und für schuldenfreie Liegenschaften wäre der Totalverlust ein zu hohes Risiko.
Wie lässt sich dieses Modell auf den Klimawandel übertragen?
Es gibt heute lebhafte Diskussionen unter Juristen und Naturwissenschaftlern, bei NGOs und in der Versicherungsbranche, wem Klimaschäden angelastet werden können [1]. Ein Ansatz sagt, dass die Förderer von klimaschädigenden Stoffen letztlich die Klimaschäden verursachen. Diese Idee teilt auch die in den USA erhobene Forderung nach dem «Divestment» (Gegenteil von Investment) von Vermögensportfolien bezüglich Aktien von solchen Förderfirmen [2].
Demnach ist denkbar, dass die Unternehmen, die am Anfang der physischen Kausalkette stehen und klimaschädigende Substanzen wie etwa fossile Brennstoffe fördern, eine Haftpflichtversicherung für Klimaschäden aufnehmen [3]. Neben Erdöl, Erdgas und Kohle könnte man auch Kalk berücksichtigen, der bei der Zementherstellung teilweise in CO2 umgewandelt wird, und weitere Stoffe, die zu klimaschädigenden Emissionen führen.
Heute kann man wetterbedingte Schäden zwar nur ungefähr dem vom Menschen verursachten Klimawandel zuschreiben. Aber wie in anderen Bereichen des menschlichen Lebens wissen wir mit Wahrscheinlichkeiten umzugehen – die eingangs erwähnten Gefahrenkarten sind ein Beispiel dafür. Man könnte ein Gremium schaffen (wohl am ehesten im Rahmen der UN), das die Methoden zur Bestimmung der Klimaschäden ex-post festlegt und mit der Zeit verfeinert.
So könnte eine Klimahaftpflicht funktionieren
Kürzlich haben wir die marktwirtschaftlichen Aspekte dieser Idee in einem externe Seite Meinungsbeitrag in der NZZ dargestellt (siehe auch Box Downloads rechts). Versicherungsunternehmen werden die Haftung der Förderfirmen nur übernehmen, wenn die internationale Gemeinschaft und die gesetzgebenden Behörden einiger Länder diese Versicherungsidee anerkennen und nicht-versicherte fossile Brennstoffe entsprechend ächten würden. Die Versicherungsidee könnte Akzeptanz gewinnen, wenn die Versicherungen Klimaschäden und Katastrophenhilfe über einen Pool vergüten und zudem die angehäuften Prämien zu einem guten Teil in Vorsorgeprojekte investieren würden. Es könnte so recht viel Geld zusammen kommen, das
- einerseits im traditionellen Kapitalmarkt angelegt wäre, um klimabedingte Umweltschäden insbesondere an der öffentlichen Infrastruktur sofort zu begleichen.
- andererseits in umfangreiche Projekte fliessen müsste, die den Klimawandel mindern und wichtige Infrastrukturen auf den Klimawandel vorbereiten.
All dies bräuchte sicherlich internationale Spielregeln und Konventionen, aber keine Massnahmen, bei denen die Staaten selbst viel Geld in die Hand nehmen und aktiv werden müssten.
Weiterführende Informationen
Der erwähnte externe Seite Meinungsbeitrag in der NZZ, eine englische Übersetzung und eine Liste mit ausführlichen Referenzen können unter Downloads in der rechten Spalte heruntergeladen werden.
[1] Lord R, Goldberg S, Rajamani L, Brunnée J (eds.). Climate Change Liability – Transnational Law and Practice. Cambridge University Press, 2012
Heede R. Tracing anthropogenic carbon dioxide and methane emissions to fossil fuel and cement producers 1854–2010. Climatic Change [2014] 122:229–241
[2] Goldenberg S. Harvard faculty members urge university to divest from fossil fuels. The Gardian, 10 April 2014
[3] Shiller RJ. Buying Insurance Against Climate Change. The Upshot: Economic View in the NYTimes of May 24, 2014
Climate Risk Statement of The Geneva Association. Toronto 16 may 2014 www.genevaassociation.org
Kommentare
this is very nice article. thanks for this.
Teil 2 "Large-scale and possibly irreversible changes in the terrestrial biosphere and vegetation cover are thought to have occurred in the past when anthropogenic perturbation was negligible (e.g., the development of the Saharan desert, Claussen et al., 1999). These changes may be interpreted as non-linear changes triggered by slow changes in external forcing and thus cannot be excluded to occur in the future. Knowledge on these phenomena, however, is not advanced yet." IPCC TAR WG1. Dieser Artikel setzt als gegeben voraus, dass: - anthropogenes CO2 das Klima signifikant verändert und nur negative Auswirkungen hat - dass das jetzige Klima optimal überall auf dem Planeten optimal ist und dass jegliche Änderung schädlich ist Der Artikel ergeht sich in der gewagten Hypothese, dass es Versicherungen gelingen wird, anthropogene von natürlichen Klimavariationen und ihre Auswirkungen zu unterscheiden und Kosten der Auswirkungen quantitativ zu bestimmen. Wenn man die Beurteilung von komplexen, chaotischen Phänomenen den Versicherungen überlässt, die damit ihr Geld verdienen wollen, dann sind die "Auswirkungen" bereits vorgezeichnet: Gewinner sind immer und zwangsweise die Versicherungen, am Klima ändert das nichts.
Teil 1 "gibt es den Weltklimarat IPCC, der die Auswirkungen des Klimawandels bestimmt" Klima und Klimawandel sind abstrakte Begriffe, Konzepte. Sie sind wie folgt "bestimmt" (definiert): Klima ist der Zustand der Atmosphäre an einem Ort, der über einen längeren Zeitraum durch Mittelwerte und Summen ausgewählter physikalischer Grössen beschrieben werden kann. Klimawandel ist dementsprechend eine Änderung des Zustands der Atmosphäre über einen längeren Zeitraum. Es gibt kein globales Klima, weil es keinen globalen Zustand der Atmosphäre gibt. Auch in einem völlig statischen Klimasystem, "wandelt" sich das Klima, wenn wir uns über die Oberfläche des Planeten bewegen. Und wir machen uns diese örtlichen Klimaunterschiede zu nutze, wenn wir die Sommerferien im Süden auf Meereshöhe, die Winterferien im Norden in den Bergen verbringen, wenn wir Orangen und Trauben aus dem Süden importieren. Der systematische Wechsel von einem Klima ins andere gehört zum Lebensrhythmus von Zugvögeln. Ist Klimawandel, sind Klimaunterschiede (in jedem Fall) schädlich; gibt es demnach ein unschädliches "Normal"-Klima? Was verursacht Klimawandel?
Selbst wenn man einen Zusammenhang zw. CO2 und globaler Erwärmung akzeptiert, bleiben doch zu viele Fragen offen, v.a. auf der Schadenseite: Welche Schäden - z.B. Folgen von Erdrutschen, Ueberschwemmungen, Wirbelstürmen - sind auf globale Erwärmung zurückzuführen, welche davon sind ohnehin durch bestehende (Gebäude-)Versicherungen abgedeckt; welche vorsorglichen Massnahmen könnten Versicherungen verlangen / durchsetzen (z.B. Bauverbot an allen Meeresküsten??). In der Schweiz - wer sollte für das Abschmelzen der Gletscher wieviel ausbezahlt bekommen, und wer sollte das entscheiden? Das ganze wäre wohl eher ein endloses Festival für Versicherungsjuristen. Die Schweiz und ihre Institutionen wie die ETH sollten sich um Rechtssicherheit bemühen, nicht um das Gegenteil.
Es ist tatsächlich nicht leicht den kausalen Zusammenhang zwischen Klimaveränderung und Schäden zu bestimmen. Unsere Idee ist, dass der Anteil den die Klimaveränderung an den Schäden hat, für unterschiedliche Situationen zum Vornherein zwar ungefähr, aber verbindlich festlegt wird. Ähnlich wird es bei den Katastrophenanleihen gemacht. Solche Festlegungen auf Expertenebene, könnten, so vermuten wir, einfacher sein, als die internationalen Verhandlungen über Zuteilungen von nationalen Emissionsgrenzen und vor allem einfacher als das Sicherstellen der weltweiten Einhaltung der Grenzen. Danke für den Kommentar Daniel Spreng
Mit der Klimahaftpflichtversicherung wird auf indirekte Art ein CO2-Preis eingeführt - unter scheinbarer Umgehung des politischen Prozesses. Das kann meiner Ansicht aber nur funktionieren, wenn es eine globale Rechtsbehörde gibt, die alle Streitfälle nach gleichem Recht und gleichen Bemessungsgrundsätzen behandelt. Immerhin gibt es mit dem Weltstrafgericht bereits eine solch globale juristische Instanz. Vergleichbare globale politische Instanzen gibt es nicht. Deswegen ist die Idee des juristischen Zugangs zum Klimaproblem vielversprechend. Dennoch sehe ich wenig Chancen für diesen Vorschlag vor allem weil viele wichtige Energiekonzerne in staatlicher Hand oder unter staatlicher Kontrolle sind. Dies gilt vor allem für China, Russland (Gazprom), aber auch für Saudiarabien und viele lateinamerikanische Länder. Diese Länder würden eine solche Regelung nicht einfach hinnehmen, denn sie würden es nicht als Regulierung von privat geführten Unternehmen sehen, sondern als indirekte politische Einflussnahme. Allenfalls könnte - wie im Artikel angetönt - eine Art Handelsboykott gegen Firmen und Länder ausgeübt werden, die sich der Haftplicht enziehen wollen. Die vergleichbare CO2-Abgabe für den Flugverkehr in der EU hat aber bereits zu negativen Reaktionen von seiten Cinas und Russlands geführt, worauf die EU diese Abgabe gestrichen hat. Eine Klimahaftpflicht einzuführen ist also nicht einfach und geht nicht wahrscheinlich nicht ohne Zoff.
Eine „Ungefährhaftung“ oder „Wahrscheinlichkeitshaftung“, nun das ist ja noch die Steigerung der Vermutungshaftung, die das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom (Az: C-378/08) vom 4. März 2010 bereits eingeführt hat. Das bedeutet „auch im Fall nicht klar abgegrenzter Verschmutzungen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den Tätigkeiten von Betreibern und einer festgestellten Verschmutzung zu vermuten, weil sich deren Anlagen in der Nähe des verschmutzten Gebiets befinden.“ Diese Vermutungshaftung betrifft wenigstens noch einen eingeschränkten Kreis von möglichen Umweltschädigern. Trotzdem schlägt dieses Urteil den rechtsstaatlichen Grundsätzen ins Gesicht. Nach solchen haftet man nur, wenn die Kausalkette zwischen Ursache und Wirkung klar bewiesen ist. Es wird bekanntlich von vielen renommierten Forschern bestritten, dass globale Klimaveränderungen von Menschen verursacht werden. Viele dieser Wissenschaftler werden gezielt diskriminiert, weil ihre Thesen die CO2-Abzockerei behindern könnten. Diese geht mit einer „Ungefährhaftung“ in die nächste Runde. Das war nicht anders zu erwarten, seit sich Ideen wie die Grosse Transformation breit machen, man lese dazu das Potsdamer Memorandum. Im Grunde geht es darum, Vermögen umzuverteilen. Regula Heinzelmann, Juristin
Ich gehe mit dem Kommentar von Regula Heinzelmann einig. Die Haftung für Schäden oder Schädigungen, die gar nicht verursacht wurden oder gar nicht nachweisbar sind, scheint mir eine absurde Idee zu sein, die der Willkür Tüt und Tor öffnet.