Madonnen überall
Heute Abend wird in der Graphischen Sammlung der ETH Zürich eine Ausstellung der Schweizer Künstlerin Annelies Štrba eröffnet. Ihre aktuellen Madonnenbilder werden dabei Drucken Alter Meister gegenübergestellt.
Die Schweizer Künstlerin Annelies Štrba (*1947) ist seit langem für ihre Videos und Fotomontagen bekannt. Sie arbeitet stets sehr persönlich und gibt in ihren Werken viel von sich preis. Warum also befasst sich die Künstlerin mit einem so universalen Motiv wie der Madonna? Dies sei kein Widerspruch, denn Štrba sei bereits in frühester Kindheit in den Bann der Muttergottes-Darstellungen gezogen worden, erklärt Konstanze Forst-Battaglia, die Kuratorin der Ausstellung. Zudem fliesst auch bei dieser Ausstellung viel Privates der Künstlerin ein – so sind in einer Bildserie zum Beispiel Porträts ihrer Töchter versteckt.
Die meisten der Werke hat Štrba exklusiv für diese Ausstellung in der Graphischen Sammlung geschaffen. Seit Jahren fotografiert die Künstlerin alle möglichen Mariendarstellungen in Kirchen und Kapellen und hat diese nun am Computer verfremdet. Dabei verwendet sie eine neue, schrille Farbpalette, beschneidet die Bilder radikal oder arbeitet mit Unschärfe. Danach druckt Štrba das Resultat auf Leinwand oder Papier und übermalt die Werke zum Teil mit Goldfarbe. Die Ausstellung überrascht denn auch durch ihre Frische und Leichtigkeit. Die drei präsentierten Bildserien sind sehr eng gehängt. Diese Hängung imitiert einerseits Votivwände in Kirchenräumen, andererseits verdeutlicht sie die serielle Arbeitsweise, die sich durch das ganze Werk von Štrba zieht. Zusammen mit den grossformatigen Einzelwerken spiegeln die Bildserien Štrbas intensive Auseinandersetzung mit der christlichen Bildtradition.
Kontrast zu Alten Meistern
Ein besonderer Clou der Ausstellung: Zu den Werken von Štrba im Hauptraum hat Forst-Battaglia aus den reichen Beständen der Graphischen Sammlung Madonnendarstellungen Alter Meister ausgewählt und stellt diese in den Korridoren des ETH-Gebäudes aus. Zu sehen sind unter anderem mehrere Blätter aus Albrecht Dürrers Marienleben-Zyklus (1502-1511) und besonders eindrucksvolle Drucke von Martin Schongauer, beispielsweise «Maria mit Kind im Innenhof» (ca.1470-1482). Die Auswahl der Werke veranschaulicht die grosse ikonographische Vielfalt des Motivs. Eine kluge Reminiszenz sind beispielsweise die Drucke mit Darstellungen des heiligen Lukas, welchem der Legende nach die Mutter Gottes erschienen ist, so dass er sie – als erster in der Kunstgeschichte – malen konnte.
Im Kontrast zu den Alten Meistern zeigt sich denn auch, wie sehr sich die Künstlerin vom religiösen Kontext gelöst hat. Štrba wirft einen modernen Blick auf die Figur der Maria, denn auch sie thematisiert deren Variationsbreite, individualisiert sie aber auch durch deren Verfremdung. Sie ist fasziniert von der Idee, wie viele Darstellungen von Madonna als Frau und Mutter möglich sind, und macht dadurch das alte Motiv zu etwas Aktuellem und unmittelbar Erfahrbarem. «Für Štrba gibt es so viele Madonnen wie es Frauentypen auf dieser Welt gibt», fasst Forst-Battaglia zusammen. So könnte es sein, dass die Besucher unter den vielen Gesichtern plötzlich ihre Nachbarin oder die Kassiererin aus der Migros erkennen. Madonnen überall.
Annelies Štrba – Madonnen
Die Eröffnung der Ausstellung findet am Dienstag, den 19. August 2014, um 18 Uhr statt. Danach ist die Ausstellung vom 20. August bis 19. Oktober 2014 geöffnet. Öffnungszeiten: Montag bis Sonntag von 10.00 - 16.45 Uhr, Eintritt frei. Die Führungen Kunst am Montagmittag finden jeweils zur laufenden Ausstellung statt. Ort: Graphische Sammlung, ETH Zentrum HG E 52, Rämistrasse 101, 8092 Zürich.