Therapie gegen Arthritis

Mit einem neuen Wirkstoff ist es Forschenden erstmals gelungen, Arthritis bei Mäusen zu heilen. Die Wissenschaftler planen nun, die Wirksamkeit des Medikaments bei Menschen zu testen.

Vergrösserte Ansicht: Kniegelenk
Bei chronischer Polyarthritis sind mehrere Gelenke entzündet, zum Beispiel auch das hier dargestellte Kniegelenk. (Bild: istock.com / Raycat)

Chronische Polyarthritis (auch: rheumatoide Arthritis) ist eine schmerzhafte Entzündung mehrerer Gelenke des Körpers. Die Gelenkkapsel schwillt an, und mit dem Fortschreiten der Krankheit können auch Knorpel und Knochen zerstört werden. Weltweit sind 0,5 bis 1 Prozent aller Menschen von dieser Krankheit betroffen. Bisher ist es möglich, den Krankheitsverlauf mit Medikamenten zu verlangsamen oder zu stabilisieren. Nun haben ETH-Forschende mit einem von ihnen entwickelten Medikament in einem Mausmodell für chronische Polyarthritis einen Therapieerfolg erzielt, der weitergeht: Die Tiere können nach Medikamentengabe als geheilt betrachtet werden.

Bei dem Medikament handelt es sich um einen biotechnologisch hergestellten Wirkstoff, der aus zwei aneinandergekoppelten Teilen besteht. Der eine Teil ist der körpereigene Immunbotenstoff Interleukin-4 (IL-4). Von früheren Studien ist bekannt, dass dieser Botenstoff an chronischer Polyarthritis erkrankte Mäuse vor Knorpel- und Knochenschäden schützt. ETH-Wissenschaftler haben an dieses IL-4 einen Antikörper gekoppelt, der nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip an eine Proteinform bindet, welche nur bei bestimmten Krankheiten in entzündetem Gewebe (sowie in Tumorgewebe) vorkommt.

Gezielter Medikamententransport

«Dank der Kopplung mit dem Antikörper gelangt IL-4 an Ort und Stelle der Krankheit, wenn das Fusionsmolekül in den Körper injiziert wird», sagt die Pharmazeutin Teresa Hemmerle, die soeben ihre Dissertation in der Gruppe von Dario Neri, Professor am Institut für Pharmazeutische Wissenschaften, abgeschlossen hat. Gemeinsam mit Fabia Doll, ebenfalls promovierte ETH-Pharmazeutin, ist sie Erstautorin der Studie. Hemmerle: «Damit ist es uns möglich, den Wirkstoff am Ort der Krankheit zu konzentrieren. Im restlichen Körper ist die Konzentration minimal, wodurch Nebenwirkungen verringert werden.»

Die Forschenden testeten das neue Fusionsmolekül, das sie auch als «bewaffneten Antikörper» bezeichnen, in einem KTI-Projekt gemeinsam mit dem ETH-Spin-off Philochem. Sie arbeiteten mit einem Mausmodell, bei dem die Tiere innerhalb von wenigen Tagen aufgrund der Entzündung geschwollene Zehen und Pfoten entwickelten. Unter anderem prüften die Forscherinnen das Fusionsmolekül in Kombination mit Dexamethason, einem Cortison-ähnlichen, entzündungshemmenden Medikament, das bereits heute zur Behandlung von chronischer Polyarthritis bei Menschen eingesetzt wird. Die Forschenden begannen die Mäuse jeweils dann zu behandeln, wenn bei den Tieren die Krankheit ausbrach, was sie anhand der Schwellung der Extremitäten feststellten.

Klinische Versuche im kommenden Jahr

Das neue Fusionsmolekül und Dexamethason einzeln konnten bei den an Arthritis erkrankten Tieren den Krankheitsverlauf nur verlangsamen. Hingegen verschwanden die Arthritis-typischen Anzeichen wie geschwollene Zehen und Pfoten innerhalb weniger Tage komplett, wenn beide Medikamente gleichzeitig verabreicht wurden. Auch die Konzentrationen einer ganzen Reihe von Immunbotenstoffen im Blut und im Krankheitsgewebe, die bei Polyarthritis verändert sind, gingen auf Normalwerte zurück. «In unserem Mausmodell führt diese kombinierte Therapie zu einer langfristigen Heilung», resümiert Hemmerle, die seit dem Abschluss ihrer Dissertation beim Spin-off Philochem arbeitet und das Projekt dort weiterführt.

Aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse im Tiermodell trifft Philochem derzeit die Vorbereitungen, um das neue Medikament in klinischen Versuchen bei Menschen mit chronischer Polyarthritis zu testen. Laut Angaben der Forschenden sollen diese Versuche im kommenden Jahr beginnen.

Literaturhinweis

Hemmerle T, Doll F, Neri D: Antibody-based delivery of IL4 to the neovasculature cures mice with arthritis. PNAS, Online-Veröffentlichung vom 4. August 2014, doi: externe Seite 10.1073/pnas.1402783111

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14 Kommentare

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  • Sabine Vorberg23.12.2015 19:43

    Dieser Artikel ist ja nun fast 1 ½ Jahre alt - nun lese ich gar nichts neueres mehr. Hat sich das neue Medikament als Flop erwiesen? Oder wo kann man über die weitere Entwicklung lesen? Wird es nun an getestet und wenn ja, mit welchen Ergebnissen?

     
       
    • Erna Loosli22.07.2015 23:38

      Ich hoffe, dass Ihre Forschungen auch beim Menschen schon bald angewendet werden können. Ich selber habe Knieprobleme und so wieder Hoffnung. Ich wünsche ihnen viel Erfolg!

       
         
      • Myrtha Milhalm14.06.2015 14:34

        Ich habe seit 10 Jahren Polyarthritis und freue mich wenn dieses Medikament uns Menschen helfen kann. Ich wünsche dem Team weiteren Erfolg.

         
           
        • Elvira Jetzer22.03.2015 12:14

          Ich habe seit 25 Jahren Polyarthritis und währe froh gewesen wenn es die Medikamente da schon gegeben hätte. Dann währen jetzt nicht fast alle Gelenke zerstört und mussten ersetzt werden. Aber ich möge es allen gönnen die jetzt an dieser Krankheit erkranken. Auch ich profitiere von den neuen Medikamenten.

           
             
          • Tina Hausmann18.03.2015 07:26

            Bin seit einem Jahr von dieser Krankheit betroffen und hoffe immer noch auf Heilung. Ich wünsche dem Team viel Erfolg auf den Weg zur Zulassung dieses Medikaments.

             
               
            • Nicole Marsch23.02.2015 16:28

              Polyartrithis ist eine fürchterliche Krankheit und ich wünsche mir für mich und alle andern Erkrankten,dass ihre Forschungen auch beim Menschen schon bald erfolgreich sein werden!

               
                 
              • Radovan Sivcevic28.11.2014 09:09

                Ich bin seit 10 Jahren an cronischer Polyarthritis erkrankt und freue mich über jede Nachricht, die mir Hoffnung auf Heilung gibt. Für Ihre Forschung wünsche ich Ihnen viel Erfolg.

                 
                   
                • Frey Heinrich24.10.2014 12:06

                  Mit Interesse habe ich von Ihrem Erfolg gelesen - ein Medikament gefunden zu haben, das Polyarthritis heilen kann. Ich gratuliere dem Forscherteam herzlich zu diesen Erfolg und hoffe, dass es vielen Leidenden helfen wird. Ich selber leide seit ca 6 Jahren unter dieser Krankheit und mit mir weitere 100'000 Personen in der Schweiz.

                   
                     
                  • Axel Schulz 12.10.2014 10:51

                    Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei dem Zulassungsverfahren, endlich ein echter Lichtblick für viele Kranke Menschen.

                     
                       
                    • Sybille Gräff 04.10.2014 17:43

                      Ich bin seit 7 Jahren an chronischer Polyarthritis erkrankt und freue mich über jede Nachricht, die mir Hoffnung auf Heilung gibt. Für Ihre Forschung wünsche ich Ihnen viel Erfolg.

                       
                         
                      • Maja Schmid 08.08.2014 07:23

                        Für Sie sind Menschen wohl Mäuse, oder wie sonst erklären Sie sich die immer fortwährenden Tierquälereien, die Sie sich ganz legal leisten.

                         
                        • Patrick Embrach22.06.2015 08:49

                          @Maja: Schon mal Arthritis gehabt? Ich bin froh, dass tausend Mäuse sterben, damit ich vielleicht ein normales Leben ohne Schmerzen oder Schmerzmittel führen kann.

                           
                           
                        • Silvia Chesini10.04.2015 14:57

                          Es ist sehr traurig zu erfahren, mit welcher Gleichgültigkeit Leute sich für Tiere stark machen und gegen leidende Menschen entscheiden.

                           
                           
                        • Redaktion ETH-News 11.08.2014 08:59

                          Die Redaktion hält fest, dass alle an der ETH Zürich durchgeführten Tierversuche von den Behörden bewilligt sind. Im Rahmen einer Bewilligungserteilung wird immer eine Güterabwägung zwischen dem erwarteten Erkenntnisgewinn und der allfälligen Belastung für die Tiere vorgenommen. Ein Versuch wird nur dann bewilligt, wenn dabei der erwartete Erkenntnisgewinn überwiegt.