EU-Verhandlungen durchgespielt

Verhandlungen mit der EU über die Personenfreizügigkeit simulieren: Zwei Professoren der ETH Zürich und der Universität Zürich wollten im Rahmen eines Seminars herausfinden, ob sich die Methode der Simulation nicht nur in den technischen Wissenschaften, sondern auch im politischen Kontext als Prognoseinstrument verwenden lässt. Akteure waren – nebst Studierenden – erfahrene Vertreterinnen und Vertreter aus Diplomatie und Politik.

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Die Verhandlungsbasis zwischen EU und der Schweiz war an der Simulation klein. (Bild: ETH Zürich)

Nachdem im Februar 2014 die Volksinitiative gegen die Masseneinwanderung angenommen wurde, muss die Schweiz entscheiden, mit welchen Vorgaben sie in die Neuverhandlungen zur Personenfreizügigkeit mit der EU einsteigen möchte. Vor diesem Hintergrund hat am Freitag an der ETH Zürich ein einzigartiges Seminar stattgefunden, in dem diese Verhandlungen mit der EU unter möglichst realitätsnahen Bedingungen simuliert wurden. Konzipiert wurde die Lehrveranstaltung durch die ETH-Professur Verhandlungsführung zusammen mit dem Lehrstuhl für Europarecht an der Universität Zürich, dem Europa Institut an der Universität Zürich und dem Think Tank «foraus». Durch das Simulationsexperiment wollten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Erkenntnisse über die verschiedenen Verhandlungslogiken der Akteure gewinnen. Zudem sollten die Erfolgsaussichten von verschiedenen Verhandlungspositionen getestet und gleichzeitig überprüft werden, wie zuverlässig dieses Instrument der Verhandlungssimulation an sich ist. 24 Studierende der ETH Zürich, der Universität Zürich sowie der Universität Genf hatten die Möglichkeit, den Ablauf der simulierten diplomatischen Verhandlungen mitzugestalten, zu analysieren und zu beurteilen.

Die Anlage der Simulation

In drei parallel laufenden Verhandlungen sassen sich jeweils eine Delegation aus der Schweiz und eine aus der EU gegenüber, wobei jede Delegation aus einer Fachperson aus der Diplomatie und einer aus der Politik bestand (siehe Liste der Simulationsteilnehmerinnen und -teilnehmer am Ende der Medienmitteilung). Auch die beteiligten Studierenden hatten fest zugeteilte Rollen, als Assistierende, Beisitzende oder Beobachtende der einzelnen Verhandlungsdelegationen. Während die Schweizer Delegationen mit drei verschiedenen Mandaten ins Rennen stiegen, traten die drei EU-Delegierten alle mit der gleichen Verhandlungsposition an, welche die wichtigsten Anliegen der EU berücksichtigte. Alle Verhandlungsteilnehmenden erhielten die vertraulichen Mandate eine Woche im Voraus, um sich vorbereiten zu können. Die Verhandlungsteams wurden einen Tag vor der Simulation zufällig zugelost.

Die Mandate

Die Mandate A und B sehen jährlich festgelegte Kontingente vor und berücksichtigen den Inländervorrang. Während beim Mandat A aber schon Erwerbstätige ab 3 Monaten unter das Kontingent fallen, wäre dies beim Mandat B erst nach 12 Monaten der Fall. Dieser Unterschied hat grosse Auswirkungen, da im zweiten Fall die Zahl der Personen, die unter das Kontingent fallen würden, schätzungsweise nur halb so gross wäre. Zudem wird bei den Mandaten die Zahl der Grenzgänger unterschiedlich reguliert. Beim Mandat A existiert eine Nachweispflicht, dass nur ein Ausländer oder eine Ausländerin für diese Arbeit gefunden werden konnte; beim Mandat B hingegen wird der Inländervorrang lediglich summarisch in der Berechnung der Höchstzahlen berücksichtigt. Mandat A entspricht im Wesentlichen dem Vorschlag, den der Bundesrat am 20. Juni 2014 vorgestellt hatte.

Mandat C ist ein an der Professur Verhandlungsführung der ETH Zürich entwickelter Vorschlag, der sich grundsätzlich von den anderen beiden Vorschlägen unterscheidet: Es gibt keine fixen Kontingente, dafür werden jährlich Höchstzahlen bzw. Schwellenwerte definiert und eine Schutzklausel für statistische Ausnahmesituationen verankert. Die Schwellenwerte werden aufgrund objektiver Faktoren wie zum Beispiel dem Mittelwert der Nettozuwanderungen im Freizügigkeitsraum EU/EWR/CH berechnet. Wird der Schwellenwert erreicht, könnte die Zuwanderung beschränkt werden.

Kleine Verhandlungsbasis

Es zeigte sich, dass bei allen durchgespielten Mandaten die Verhandlungsbasis klein war und auf der Ebene der Grundsätze wohl keine Lösung möglich ist. Als besonders hohe Hürde stellte sich der Inländervorrang heraus. Weiter zu prüfen bleibt, ob eine Annäherung im Sinne eines pragmatischen Ansatzes möglich wäre, wie es das Mandat C mit der Einführung von Schutzklauseln darstellt. Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen in den kommenden Wochen nun das Experiment auswerten und herausfinden, inwiefern die Simulationsmethode generell prognostische Aussagen über Verhandlungen zulässt.

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