Tanzende Lampenschirme voller Magie
Die ETH Zürich und das ETH-Spin-off Verity Studios zeigen in Zusammenarbeit mit Cirque du Soleil wie man mit moderner Technik Unterhaltung und Poesie vereint.
Soeben hat der kanadische Cirque du Soleil den Kurzfilm «externe Seite Sparked» auf YouTube hochgeladen, in dem tanzende Lampenschirme einen Elektrotüftler – und mit ihm die Betrachter des Videos - verzücken. Was nicht zu sehen ist: Unter den Lampenschirmen versteckt sind Quadrokopter, die Flugmaschinen aus dem Labor von Raffaello D'Andrea, Professor am Institut für Dynamische Systeme und Regelungstechnik der ETH Zürich. ETH-News unterhielt sich mit ihm und dem ehemaligen Vizedirektor des Instituts und Mitgründer von Verity Studios, Markus Waibel, über ihre Zusammenarbeit mit dem Cirque du Soleil und das Debüt ihrer Flugmaschinen im Kurzfilm.
ETH-News: Wie kam Ihre Partnerschaft mit dem Cirque du Soleil für den Dreh dieses Kurzfilms zustande?
Raffaello D'Andrea: Wir sind in der glücklichen Lage, dass unsere bisherige Arbeit an der ETH Zürich stets viel öffentliche Aufmerksamkeit erhalten hat. Dementsprechend haben uns über die Jahre zahlreiche Leute kontaktiert, die gerne mit uns zusammenarbeiten wollten.
Markus Waibel: Mit dem Cirque du Soleil führten wir nun über zwei Jahre lang Gespräche. Beide Seiten teilen die Ansicht, dass Technologie dazu genutzt werden kann, um das Publikum zum Staunen zu bringen und wunderbare Geschichten zu erzählen.
Was brauchte es, um diesen Film zu realisieren?
D'Andrea: Der Film wurde in der Flying Machine Arena an der ETH Zürich gedreht. Diese Arena ist eine portable Testumgebung, in der wir unsere Flugmaschinen weiterentwickeln, testen, und dem Publikum vorführen. Die Arena besteht aus kommerziell verfügbarer Hardware, wie zum Beispiel einem Motion Capture System, das als Navigationssystem in Innenräumen dient, zwei PCs, und W-Lan-Funksystemen. Im Zentrum der Flying Machine Arena stehen aber dessen System-Architektur und die eingesetzte Software. Diese erlauben uns zum einen rasch Bewegungsabläufe zu simulieren. Zum anderen können wir damit die Algorithmen aus unserer Forschung zu Steuerungs- und Regelungsmethoden implementieren. Auf diesen Gebieten konzentrieren wir auch unsere Forschung.
Waibel: Technologisch gesehen gleicht vieles im Film dem, was wir auch im Rahmen der rund 200 Vorführungen in den letzten sechs Jahren gezeigt haben. Ein erster wichtiger Unterschied hängt mit den an den Flugmaschinen befestigten Lampenschirmen zusammen. Im Vergleich zu normalen Flugrobotern verloren die Maschinen dadurch an Agilität und unsere mathematischen Modelle können die komplexen aerodynamischen Effekte der Lampenschirme nur unpräzise abbilden. Das war zugleich eine guter Test für die Strapazierfähigkeit unserer Algorithmen. Ein weiterer bedeutender Unterschied war die Komplexität der Choreographie. Diese wurde nur durch ein neues Tool möglich, welches unser Spin-off Verity Studios entwickelte.
Wie entstand die Choreografie?
Waibel: Es ist oft nicht intuitiv herauszufinden, was mit autonomen Quadrokoptern einfach und was schwierig umzusetzen ist. Gute Beispiele dafür stellten wir kürzlich an der externe Seite TED Global vor. Es war deshalb sehr wichtig, dass Verity Studios und Cirque du Soleil die kreativen Schlüsselelemente der Geschichte von Anfang an gemeinsam erarbeiteten. Basierend auf der ersten Version des Skriptes kreierte Verity Studios verschiedene Choreographien. Die Choreographien waren dabei nicht fix vorprogrammiert, sondern wurden aus dynamischen Bewegungselementen zusammengesetzt. So konnten wir Rückmeldungen des Regisseurs, des Kameramannes, und aller anderen Mitgliedern des Kreativteams direkt während den Proben berücksichtigen.
Sind Quadrokopter in der Lage, auch ausserhalb der Flying Machine Arena zu fliegen?
D'Andrea: Ja. Vor kurzem demonstrierten wir unseren «externe Seite Failsafe»-Algorithmus draussen, in der Nähe des Zürichbergs. Dieser Algorithmus verhindert einen Absturz eines Quadrokopters beim Ausfall eines Motors oder Propellers. Dies macht die Flugmaschinen viel sicherer und zuverlässiger.
Welchen Nutzen bieten die fliegenden Maschinen der Gesellschaft?
D‘Andrea: An der ETH Zürich konzentrieren wir uns auf zwei Hauptnutzen: Forschung und Lehre. Wir haben festgestellt, dass es für unsere Studenten unglaublich motivierend und pädagogisch höchst wertvoll ist, vollständige Systeme zu schaffen, die Kontrollsysteme erfahrbar machen. Gleichzeitig eignen sich vollständige Systeme wie unsere Flying Machine Arena ausgezeichnet dafür, theoretische Konzepte zu testen. Sie stellen uns häufig vor neue und umfangreichere theoretische Herausforderungen als ihre unmittelbare Anwendung. Viele der anspruchsvollsten Forschungsfragen bei Steuerungs- und Regelungssystemen hängen mit den Flugmaschinen und deren Interaktionen mit ihrer Umgebung zusammen, so zum Beispiel ob sie sicher mit den Menschen koexistieren oder sogar interagieren können.
Waibel: In den vergangenen zwei Jahren hat sich gezeigt, dass der gesellschaftliche Nutzen der Flugmaschinen weit über Forschung und Lehre hinausgeht. Mit diesem Kurzfilm und unserer Arbeit mit Verity Studios generell sehen wir auch Potential, einen kulturellen und künstlerischen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten.
Wie gehen Sie mit der Angst der Leute um, dass fliegende Roboter für negative Zwecke wie militärische Drohnen verwendet werden könnten?
Waibel: Die Einführung der Quadrokopter in die Welt der Kultur und des Theaters eignet sich gut das Publikum mit eventuellen Ängsten und Vorurteilen über Drohnen zu konfrontieren. Gleichzeitig können wir zeigen, dass es für Drohnen auch andere Anwendungen die vielleicht heute noch unkonventionell erscheinen gibt und geben wird.
D'Andrea: Das Risiko, dass eine neue Technologie auf nachteilige Weise genutzt wird, besteht immer. Statt technologischen Fortschritt zu unterdrücken, liegt meiner Meinung nach die beste Strategie darin, bei der Gesetzgebung grosszügig zu sein statt Probleme lösen zu wollen, die möglicherweise nicht einmal vorhanden sind. Sollten Probleme auftauchen, ist es aber wichtig, dass die Gesetze schnell, bestimmt, und wirksam durchgesetzt werden.
In einem Interview sprachen Sie von Universitäten als Orte, wo es für die Studenten keine Einschränkungen geben sollte; wo es ihnen erlaubt ist, Grenzen zu sprengen und Dinge zu tun, die sie nie zuvor getan haben. Welches ist die nächste Grenze, die sie durchbrechen möchten?
D'Andrea: Eine unserer Forschungsinteressen ist die Interaktion von Mensch und Maschine. Es gibt auf diesem Gebiet so viele interessante und ungelöste Probleme. Es ist klar, dass wir auf eine Welt zusteuern, in welcher Maschinen in unseren Alltag vollständig integriert sein werden.
Welchen Rat würden Sie jungen Leuten geben, die sich für dieses Gebiet interessieren?
Waibel: Der beste Rat, den ich einem jungen Menschen geben kann, ist folgender: Folge beharrlich deiner Leidenschaft. Die produktivsten Stunden deines Lebens wirst du bei der Arbeit verbringen. Deshalb solltest du dafür sorgen, dass du an etwas arbeitest, das dir wirklich Spass macht und wo du mit Herzblut dabei bist, um darin gut zu werden.