Zu Besuch beim Schweizerischen Erdbebendienst

Erdbeben sind die Naturgefahr mit dem grössten Schadenspotenzial in der Schweiz. Gewusst? Weshalb das so ist, haben interessierte Besucher am Tag der offenen Tür zum 100-jährigen Jubiläum des Schweizerischen Erdbebendienstes (SED) erfahren.

Vergrösserte Ansicht: Schweizerischer Erdbebendienst Einsatzraum
Im Einsatzraum des SED werden Echtzeit-Erdbebendaten aus der ganzen Schweiz ausgewertet. So können die Fachleute die Erdbeben lokalisieren sowie Behörden, Bevölkerung und Medien im Ernstfall rasch informieren. (Bild: ETH Zürich/SED)

Mehr als 600 Besucher haben sich am vergangenen Sonntag ins NO-Gebäude der ETH an der Sonneggstrasse eingefunden, um ihr Wissen über das «Erdbebenland Schweiz» zu erweitern. Dort hat der Schweizerische Erdbebendienst an der ETH Zürich zum Tag der offenen Tür eingeladen, um der Öffentlichkeit seine Arbeit und sein Wissen vorzustellen.

Neben Schautafeln mit Text und Grafiken finden vor allem die Experimente zum selber ausprobieren, und der Erdbebensimulator grosses Interesse bei Jung und Alt. Mit der Erdbebenwerkstatt und dem Einsatzraum sind auch zwei für die Arbeit des SED wichtige Räume für die Gäste zugänglich, in welche die Öffentlichkeit sonst keinen Einblick hat. Entsprechend angeregt tauschen sich Besucherinnen und Besucher mit den Fachpersonen des SED aus.

Wissen zum Anfassen

Da ist zum Beispiel Carolin Höfer, Doktorandin an der ETH und Mitarbeiterin von focusterra. Sie demonstriert anhand eines Modells das Prinzip der Bodenverflüssigung: Bei Erschütterung steigt der Grundwasserspiegel und der Boden verliert seine Festigkeit. Als eine Folge davon können zum Beispiel Häuser in arge Schieflage geraten. So geschehen bei dem verheerenden Erdbeben in Christchurch im Februar 2011.

An einem zweiten Posten, der von den Studentinnen Vanessa Schenker und Iris Thurnheer betreut wird, geht es um Massnahmen, die in der Praxis zur Prävention vor der Bodenverflüssigung angewendet werden können. So können Gebäude zusätzlich stabilisiert werden, indem man sie im Boden verankert.

Ein kleines Seismometermodell zeigt anschaulich, wie Erdbebenwellen aufgezeichnet werden. Besonders Kinder freuen sich, wenn sie einmal selber Naturgewalt spielen und ein heftiges Beben auslösen können: Das Seismogramm wird direkt auf einem Bildschirm ersichtlich.

Erdbebenland Schweiz

Stefan Wiemer, Direktor des SED und Professor für Seismologie an der ETH Zürich, hält an diesem Sonntag zweimal einen halbstündigen Vortrag über das «Erdbebenland Schweiz». Darin geht es auch um die Geschichte des Erdbebendienstes. Dieser wurde 1914 per Bundesgesetz als Institution verankert. Seit 1957 ist er an der ETH angesiedelt. Die moderne Erdbebenforschung mit den heutigen technischen Möglichkeiten ist - nicht nur in der Schweiz - eine vergleichsweise junge Disziplin.

Gemäss Wiemer konzentriert sich die aktuelle Erdbebenforschung in der Schweiz auf drei Schwerpunkte:

  • Grundlagenforschung zur Ausbreitung der von Erdbeben verursachten «seismischen Wellen»,
  • Mechanismen von menschgemachten Erdbeben (z.B. Tiefengeothermie) und, besonders wichtig,
  • Erforschung der Erdbebengefährdung und Auswirkung auf das Erdbebenrisiko.

Auch wenn die Erdbebengefährdung in der Schweiz als moderat eingestuft werden kann, weist die Schweiz ein vergleichsweise hohes Erdbebenrisiko auf. Darum ist der Dialog mit der Bevölkerung wichtig: «Erdbeben, die katastrophale Ausmasse erreichen, sind in der Schweiz nur alle 50 bis 100 Jahre zu erwarten und werden im Vergleich zu anderen Naturgefahren manchmal vergessen. Doch weil ein solches Beben viele Milliarden Franken Schaden und grosses menschliches Leid anrichten könnte, ist es wichtig, dass die Erdbebengefährdung im öffentlichen Bewusstsein verankert bleibt», antwortet Professor Wiemer auf die Frage, ob das Schadenspotenzial von Erdbeben in der Schweiz unterschätzt werde.

Der altehrwürdige Binningen-Seismograph

Ein Höhepunkt am Tag der offenen Tür ist die Führung zum Binningen-Seismographen. Er steht im untersten Stockwerk des NO-Gebäudes: Er wurde 1934 installiert und in aufwändiger Detailarbeit in Binnigen ab- und an der Sonneggstrasse wieder aufgebaut. Mit 21 Tonnen Gesamtgewicht ist er der schwerste je in der Schweiz gebaute Seismograph.

Heutige Seismometer wiegen nur noch etwa 13 kg, sind aber 10'000 mal empfindlicher, was die Erfassung seismischer Daten anbelangt. Wie ein solches modernes Seismometer aussieht und funktioniert, erfahren die Besuchenden in der Erdbebenwerkstatt. Im Einsatzraum sehen sie, wie die Fachpersonen in einem Ernstfall die Erdbebendaten auswerten sowie Behörden und Öffentlichkeit informieren.

Ein Erdbeben auf Rollen

Die meisten Besucherinnen und Besucher des Tages der offenen Tür haben laut eigenen Angaben bereits einmal ein Erdbeben erlebt. Entsprechend ist das Interesse am Erdbebensimulator gross. In dem kleinen Erlebnisraum, der auf Skateboardrollen steht, werden reale Beben aus den letzten 15 Jahren simuliert und obwohl die Bodenbewegung nur eindimensional ist, bekommt man ein gewisses Gespür dafür, was es bedeutet, wenn die Erde bebt. Um ein Erlebnis reicher, gehen die Besucherinnen und Besucher dann nach Hause.

unvorherSehbar - Erdbeben in der Schweiz

Zum 100-jährigen Jubiläum stellt der Erdbebendienst seine Arbeit in der Ausstellung «unvorherSehbar - Erdbeben in der Schweiz» im Museum focusTerra vor und führt durch die Erdbebengeschichte der Schweiz.

unvorherSehbar - Erdbeben in der Schweiz
6. September bis 30. November 2014
Museum focusTerra
Montag bis Freitag 9 bis 17 Uhr
Sonntag 10 bis 16 Uhr

Eintritt frei

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