Ein schärferer Blick in biologische Zellen

Der diesjährige Chemie-Nobelpreis wird für die Entwicklung einer hochauflösenden Mikroskopietechnik verliehen. Mit William Moerner hat einer der drei Preisträger auch einen Bezug zur ETH Zürich.

Vergrösserte Ansicht: Nobelpreisträger Chemie 2014
Die Gewinner des Chemie-Nobelpreises 2014: Stefan Hell, William Moerner und Eric Betzig (v.l.n.r.). (Bild: Keystone)

Eric Betzig vom Howard Hughes Medical Institute, Stefan Hell, Direktor des Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie in Göttingen, und William Moerner, Professor an der Stanford University, werden dieses Jahr mit dem Nobelpreis in Chemie ausgezeichnet. Das Nobelkomitee würdigt damit die Leistungen dieser Wissenschaftler für die hochaufgelöste Lichtmikroskopie.

Einer der Preisträger hat auch eine Verbindung zur ETH Zürich. So war William Moerner 1993/94 ein Jahr hier Gastprofessor. Urs Wild, mittlerweile emeritierter Professor für Physikalische Chemie an der ETH Zürich, hat ihn zuvor bei der gemeinsamen Tätigkeit am IBM-Forschungszentrum in San Jose, Kalifornien, kennengelernt und ihn zu dem Forschungsaufenthalt nach Zürich eingeladen. «Moerner war schon bei IBM ein hervorragender Mann. Er fiel mir auf als jemand, der originell sowie experimentell und intellektuell anspruchsvoll arbeitete», sagt Wild heute dazu.

Thema an der ETH bearbeitet

Das Jahr an der ETH war Moerners erste Station als Forscher und Dozent an einer Hochschule. «Für seine Weiterentwicklung dürfte das ein wichtiger Aufenthalt gewesen sein in der Übergangsphase von der Industrie hin zu einer Hochschulkarriere», sagt Wild, der mit Moerner immer noch in Kontakt steht. Bereits während seinem Aufenthalt an der ETH (und auch vorher bei IBM) arbeitete Moerner daran, Einzelmoleküle mikroskopisch sichtbar zu machen. In der damaligen Anfangsphase sei es darum gegangen zu untersuchen, wie sich einzelne Moleküle photochemisch verhielten, etwa, wie hell sie leuchteten, sagt Wild. In dieser Zeit veröffentlichten Moerner und Wild vier gemeinsame Forschungsarbeiten zum Thema.

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William Moerner 1992 an einer von der ETH auf dem Monte Verità organisierten Wissenschaftskonferenz. (Bild: zvg)
Vergrösserte Ansicht: Abbildung Forschungspublikation
Ein einzelnes fluoreszierendes Mokül (Spitze links) auf einer Fäche von 100 x 100 Mikrometern. Abbildung in einer Forschungspublikation von Moerner und Wild von 1994. (Quelle: Plakhotnik T et al. Chimia 84: 31-32)

Moerner und viele andere Forscher, darunter auch Betzig und Hell, trugen in weiterer Forschungsarbeit dazu bei, dass es heute ausgereifte Lichtmikroskopiesysteme gibt, mit denen auch lebende Proben wie etwa Zellen hochaufgelöst untersucht werden können. Die drei nun ausgezeichneten Wissenschaftler arbeiteten unabhängig voneinander, Moerner und Betzig an derselben Technik, Hell an einer anderen.

Auflösung zehnmal erhöht

Zwar lassen sich mittels Elektronenmikroskopie noch höher aufgelöste Aufnahmen machen als mittels Lichtmikroskopie. Dazu müssen Proben jedoch chemisch fixiert werden. Lebende Zellen lassen sich damit nicht untersuchen. Der Nobelpreis wurde verliehen für Arbeiten, die dazu beitrugen, die Auflösung der Lichtmikroskopie im Vergleich zu früheren Systemen rund zehnmal zu erhöhen.

Lichtmikroskope der neusten Generation stehen auch am Zentrum für Licht- und Elektronenmikroskopie Scope M an der ETH Zürich. Ein erstes seit zwei Jahren, und vor einem Monat kam ein zweites Gerät hinzu, das mit einer anderen Technik funktioniert. Forschende der ETH nutzen die Geräte hauptsächlich für zellbiologische Arbeiten. Sie können damit das Innere von Zellen hochaufgelöst sichtbar machen.

«Auszeichnung für das gesamte Gebiet»

«Der Preis ist eine Anerkennung für das gesamte Gebiet der Lichtmikroskopie», freut sich Gábor Csúcs, der technische Leiter für Lichtmikroskopie von ScopeM. «Während vielen Jahren waren der Lichtmikroskopie enge Grenzen gesetzt, die Unterschiede in der Auflösung im Vergleich zur Elektronenmikroskopie waren gross.» Dank der Arbeit der diesjährigen Chemie-Nobelpreisträger seien die Auflösungsunterschiede deutlich geschrumpft.

Im Unterschied zu einigen früheren Nobelpreisen werde mit dem diesjährigen Chemie-Nobelpreis keine eigentliche Entdeckung geehrt, sondern die Entwicklung einer Methode, sagt Csúcs. Die hochauflösende Lichtmikroskopie werde zwar seit einigen Jahren angewendet, allerdings meist in Kombination mit anderen Messtechniken. Seines Wissens gebe noch keine zellbiologische Arbeit, die ausschliesslich wegen der hochauflösenden Lichtmikroskopie möglich gewesen wäre.

«Hervorragende Wissenschaftler»

Csúcs hat Eric Betzig und Stefan Hell an Wissenschaftskonferenzen getroffen. Beide Forscher haben auch schon mehrfach Seminare an der ETH Zürich besucht. «Es sind hervorragende Wissenschaftler», sagt Csúcs. Er kann sich an Gespräche mit Betzig erinnern und bezeichnet ihn als eine sehr witzige Person, sowie als eine, die sich vor allem um wissenschaftliche Entdeckungen, jedoch um wenig anderes kümmert. «Ich habe den Eindruck, dass er wenig Wert legt auf Ruhm und Auszeichnungen. Daher bin ich gespannt, wie er auf den Nobelpreis reagiert.»

«Alle drei Preisträger haben bei der Entwicklung der hochauflösenden Lichtmikroskopie eine wichtige Rolle gespielt», sagt Csúcs. Das bedeute jedoch nicht, dass sie die einzigen Wissenschaftler seien, die für das Forschungsfeld bedeutend seien. Die Entscheidung des Nobelkomitees, genau diese drei Personen auszuzeichnen, werde daher innerhalb der Wissenschaftsgemeinschaft möglicherweise noch grosse Diskussionen auslösen. Denn es gebe insgesamt drei hochauflösende Lichtmikroskopietechniken. Die drei Preisträger stünden jedoch nur für zwei dieser Techniken, die STED-Mikroskopie (Stimulated Emission Depletion) und die Lokalisationsmikroskopie. Die dritte Technik, SIM (Structured Illumination Microscope) genannt, sei heute ebenso bedeutend, sagt Csúcs. Deren Entwickler gingen bei den diesjährigen Nobelpreisen jedoch leer aus.

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