Evolutive Sackgasse als Erfolgsmodell

Die Coco-de-mer oder Seychellenpalme bildet die grössten und schwersten Samen im gesamten Pflanzenreich. Weshalb diese Pflanze trotz Nährstoffarmut diesen Effort leistet, erklären Ökologen um ETH-Professor Peter Edwards.

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Ein Forscher untersucht die unreifen Früchte der Coco-de-mer. (Bild: http://seychelles.ethz.ch)

Um die Seychellenpalme, die unter dem Namen Coco-de-mer bekannt ist, ranken sich Mythen, die vor allem der eigenartigen Form ihrer Samen zu verdanken sind. Aber auch etwas wissenschaftlicher betrachtet sind die Früchte der Seychellenpalme etwas Besonderes: Sie werden bis zu 18 Kilogramm schwer und können einen Durchmesser von einem halben Meter erreichen. Damit sind sie die grössten Pflanzensamen der Welt.

Für Forschende ist die Grösse der Frucht umso verwunderlicher, ist dies doch für die Palme eine evolutive Sackgasse: Solch schwere Samen erschweren die Verbreitung der Pflanze erheblich. Die reifen Kokosnüsse fallen nur zu Boden und bleiben dort liegen. Auch wächst die Seychellenpalme auf äusserst nährstoffarmen Böden. Die riesigen Früchte klingen deshalb nach Verschwendung und einem Widerspruch, für den Wissenschaftler um Peter Edwards, emeritierter ETH-Professor für Pflanzenökologie, nun neue Erklärungen präsentieren.

Blätter wie Trichter mit Dachrinne

So hat die Palme mehrere erstaunliche Mechanismen entwickelt, um die Nährstoffversorgung für sich und ihren Nachwuchs zu optimieren und dadurch solche grosse Samen produzieren zu können. Damit ist sie wohl die einzige Pflanzenart, die «Brutpflege» betreibt, um die Überlebenschancen ihres Nachwuchses zu erhöhen.

Für diese Brutpflege hat die Palme ein perfektes System von Trichtern und «Dachrinnen» evolviert, um Nährstoffe und Wasser gezielt umzuleiten und den eigenen Nachwuchs (und sich selbst) zu versorgen. Die Blätter wirken dabei wie ein Trichter, die Regenwasser effizient einfangen. Die Blattstiele leiten das Wasser schliesslich gezielt an den Stammfuss ab.

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Der männliche Blütenstand der Coco-de-mer wird bis zu 1,8 m lang. (Bild: adrien/flickr.com (CC BY-NC-ND 2.0)

Peter Edwards, Christopher Kaiser-Bunbury von der TU Darmstadt und Frauke Fleischer-Dogley von der Seychelles Islands Foundation zeigen auf, dass mit dem Wasser auch nährstoffreiche Ausscheidungen von Tieren, Pollen, sowie abgestorbene Pflanzenteile, die auf den Palmblättern liegen, zum Stammfuss geführt werden. Dies düngt den Boden mit Phosphat und Nitrat. Bodenanalysen der Forscher bestätigten denn auch, dass der Phosphor- und Stickstoffgehalt in 20 Zentimetern Entfernung vom Stamm um 50 Prozent höher ist als in zwei Metern Abstand.

Coco-de-mer hat aber auch den Einsatz der Nährstoffe optimiert. Die drei Forschenden fanden heraus, dass Blätter und Stamm nur sehr wenig Stickstoff und Phosphor enthalten. «Die beiden Nährstoffe in diesen Pflanzenteilen sind deshalb so extrem niedrig, weil der Palme zum Einen nur sehr wenige Nährstoffe aus der Umwelt zur Verfügung stehen, zum anderen aber sich dahingehend entwickelt hat, dass sie alle zur Verfügung stehenden Ressourcen in Blüten, Blütenstände und Früchte investiert», sagt Christopher Kaiser-Bunbury.

Vorteil des Nicht-weit-vom-Stamme-Fallens

Die effiziente Nährstoffverwendung und das raffinierte Anreicherungssystem der Seychellenpalme erklären zwar, wie es sich die Pflanze leisten kann, Samen in Übergrösse zu bilden, den evolutiven Sinn dahinter jedoch nicht. «Dafür müssen wir weiter in die Evolutionsgeschichte zurückblicken», betont Edwards, der als Erstautor einer Studie aufgeführt ist, die soeben in New Phytologist erschienen ist.

Die Frühform der Seychellenpalme, welche auf afrikanische Vorfahren zurückgeht, war für die Verbreitung ihrer Samen sehr wahrscheinlich auf Tiere angewiesen. Mit der Abspaltung der Seychellen von Indien vor rund 65 Millionen Jahren wurde die Palme vom Festland und damit von ihren tierischen Verbreitern isoliert. Die schon damals grossen Samen fielen fortan nahe dem Elternbaum auf den Boden. In der Folge mussten sich die Keimlinge unter anderem an das Aufwachsen im Schatten der elterlichen Baumkrone anpassen.

Diese Anpassung sowie der Nährstoffvorrat, den die im Lauf der Evolution stetig grösser werdende Kokosnuss bot, bevorteilte die Palme gegenüber anderen Pflanzen, die sie mit der Zeit verdrängte. So wurde die Seychellenpalme zur dominanten Art, die Wälder prägt.

Konkurrenz unter ihresgleichen

Die Forscher deuten die Samengrösse jedoch auch als Antwort der Palme auf die Konkurrenz zwischen den Keimlingen der eigenen Art. In der Regel bilden die meisten Pflanzenarten mobile Samen, die fliegen, schwimmen oder von Tieren transportiert werden können, sodass die Keimlinge nicht mit ihren Eltern um Licht, Nährstoffe und Wasser konkurrieren. Die Früchte der Coco-de-mer sind jedoch zu gross und zu schwer, um mobil zu sein. Deshalb kämpft eine Jungpalme nicht nur mit dem Elternbaum um die knappen Ressourcen, sondern vor allem auch mit ihren «Cousinen».

Daher gilt: Je grösser die Samen, desto grösser das Nährstoffdepot, das einem Keimling für sein Aufwachsen zur Verfügung steht. Artgenossen, deren Reserven geringer sind, setzen sich nicht durch und gehen ein. «Der Wettbewerb um die Weitergabe der eigenen Gene innerhalb der Art hat den Wettlauf hin zu immer grösseren Samen gefördert», folgert Pflanzenökologe Edwards.

Die Seychellenpalme scheint dabei einem evolutionären Muster zu folgen, das auch bei anderen Arten, die auf isolierten Inseln gedeihen, auftritt: Besiedeln Pflanzen isolierte Inseln, entwickeln sie im Lauf der Zeit grosse Samen. Inselarten haben überdies in der Regel grössere Samen als ihre Festlandverwandten.

Coco-de-mer

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Die Seychellenpalme produziert die grössten Samen überhaupt. (Bild: wikipedia.org)

Die Seychellenpalme oder Coco-de-mer (Lodoicea maldivica) kommt nur gerade auf den beiden Seychellen-Inseln Praslin und Curieuse vor. Sie wird 15 bis 20 Meter hoch. Dabei handelt es sich meist um alte männliche Exemplare. Erst wenn die Blätter Zugang zum Kronendach haben, also bei einer Stammhöhe von sechs bis acht Metern, beginnen die Seychellenpalmen zu blühen und Früchte zu produzieren. Diese brauchen bis zu sieben Jahre für Wachstum und Reifung. Zudem produzieren die meisten Palmen nicht mehr als zehn Nüsse aufs Mal. Die Coco-de-mer ist zweihäusig: Männliche und weibliche Blüten sitzen auf verschiedenen Individuen. Wie die Bestäubung abläuft, weiss die Forschung allerdings noch nicht genau. Möglicherweise transportieren Echsen, die in den Palmen leben, den Pollen auf weibliche Blüten. Die Seychellenpalme ist gefährdet, unter anderem wegen dem Handel mit den Kokosnüssen. Dadurch können sich Bestände nur ungenügend verjüngen.

Literaturhinweis

Edwards PJ, Fleischer-Dogley F, Kaiser-Bunbury CN. The nutrient economy of Lodoicea maldivica, a monodominant palm producing the world's largest seed. New Phytologist, 23. Januar 2015, doi: externe Seite 10.1111/nph.13272

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