Ein Resonator für Elektronen
Resonatoren sind ein wichtiges Werkzeug in der Physik. Mit Hilfe von Hohlspiegeln bündeln sie normalerweise Lichtwellen, die dann beispielsweise auf Atome einwirken. Physikern an der ETH Zürich ist es nun gelungen, einen Resonator für Elektronen zu bauen und die damit erzeugten Stehwellen auf ein künstliches Atom zu richten.
Die Idee, mit einem gekrümmten Spiegel Licht so zu reflektieren, dass es in einem Punkt gebündelt wird, hatte der griechische Naturforscher Archimedes schon vor mehr als zweitausend Jahren – der Legende nach steckte er auf diese Weise feindliche römische Schiffe in Brand. Heutzutage spielen solche Hohl- oder Parabolspiegel in vielen technischen Anwendungen eine Rolle, von der Satellitenschüssel bis hin zu Laser-Resonatoren, in denen Lichtwellen zwischen zwei Spiegeln verstärkt werden. Auch in der modernen Quantenphysik kommen Hohlspiegel-Resonatoren zum Einsatz. Um zum Beispiel einzelne Atome zu studieren, nutzen Forscher die Bündelung des Lichts durch die Spiegel aus, um die Wechselwirkung zwischen den Lichtwellen und den Atomen zu verstärken. Einem Team von Physikern der ETH Zürich innerhalb des Nationalen Forschungsschwerpunkts Quantenwissenschaften und -technologie (NFS QSIT) ist es nun gelungen, einen Resonator zu konstruieren, in dem nicht Lichtwellen, sondern Elektronen gebündelt werden. In Zukunft könnten solche Resonatoren beim Bau von Quantencomputern und in der Erforschung von Vielteilcheneffekten in Festkörpern zum Einsatz kommen.
Für ihre Experimente nutzten die Postdoktoranden Clemens Rössler und Oded Zilberberg Halbleiterstrukturen, in denen Elektronen sich nur in einer Ebene bewegen können. An einem Ende der Ebene befindet sich ein so genannter Quantenpunkt – eine nur hundert Nanometer grosse Falle für Elektronen, die aufgrund der Quantenmechanik genau festgelegte Energiezustände ähnlich denen eines Atoms aufweisen. Man nennt solche Quantenpunkte daher auch «künstliche Atome». Auf der anderen Seite, wenige Mikrometer entfernt, bildet eine gekrümmte Elektrode einen Hohlspiegel, von dem Elektronen reflektiert werden, wenn dieser unter Spannung gesetzt wird.
Bessere Materialien
Die Möglichkeit, Elektronen auf diese Weise zu bündeln, wurde bereits 1997 an der Harvard-Universität untersucht. Allerdings konnten die ETH-Forscher nun mit wesentlich besseren Materialien arbeiten, die direkt im Labor von Werner Wegscheider, Professor für Festkörperphysik, hergestellt wurden. «Diese sind hundertmal reiner als die damals verwendeten», erklärt Rössler, «und damit können sich die Elektronen auch hundertmal so lange ungestört bewegen». Dies wiederum führt dazu, dass sich im Gegensatz zu den früheren Arbeiten die quantenmechanische Wellennatur der Elektronen nun sehr deutlich bemerkbar macht.
In ihrem Experiment sehen das die Physiker daran, dass sich der Strom, der vom Quantenpunkt zum Hohlspiegel fliesst, auf charakteristische Weise mit der angelegten Spannung ändert. «Unsere Resultate zeigen, dass die Elektronen im Resonator nicht einfach hin und her fliegen, sondern eine Stehwelle bilden und so kohärent an den Quantenpunkt koppeln», betont Rössler, der das Experiment in der Arbeitsgruppe von ETH-Professor Klaus Ensslin entwickelt hat. Anders als bei Lichtwellen sorgt der Spin der Elektronen zudem dafür, dass diese sich wie winzige Magnete verhalten. Tatsächlich konnten die Forscher nachweisen, dass die Wechselwirkung zwischen den Quantenpunkt-Elektronen und der Elektronen-Welle über den Spin stattfindet. «Diese Spin-kohärente Kopplung könnte es in Zukunft möglich machen, Quantenpunkte über grosse Distanzen zu verbinden», sagt Zilberberg, der in der Gruppe von ETH-Professor Gianni Blatter ein theoretisches Modell zu Rösslers Experiment entwickelt hat.
Geeignet für Quantencomputer
Schon länger werden Quantenpunkte als mögliche Kandidaten für so genannte Quanten-Bits oder «Qubits» gehandelt, mit denen Quantencomputer rechnen. Bisher mussten die Quantenpunkte in einem solchen Rechner sehr nah beieinander stehen, um die nötige Kopplung für die Rechenvorgänge zu erreichen. Das wiederum machte es schwierig, einzelne Qubits zu kontrollieren und auszulesen. Eine weitreichende Kopplung über einen entsprechend gestalteten Resonator könnte dieses Problem elegant lösen.
Auch in der Grundlagenforschung könnten die Elektronen-Resonatoren der ETH-Forscher nützlich werden, etwa bei der Untersuchung des Kondo-Effekts. Dieser tritt auf, wenn viele Elektronen zusammen mit dem magnetischen Moment einer Verunreinigung im Material wechselwirken. Mit Hilfe eines Quantenpunktes, der eine solche Verunreinigung simuliert, und eines Resonators erhoffen sich die Physiker, den Kondo-Effekt sehr präzise studieren zu können.
Von der Idee für ihre Forschung – die aus Diskussionen während eines früheren Experiments entstand – und der jetzt erscheinenden Publikation brauchten die jungen Forscher nur etwas mehr als ein Jahr. Dafür, dass es so schnell ging, hat Zilberberg eine einfache Erklärung: «Innerhalb des QSIT-Netzwerks ist es leicht, spontan über Gruppen hinweg zusammenzuarbeiten, da man sich räumlich und thematisch sehr nah und sowieso in gemeinsamen Projekten involviert ist. Und wenn man zu irgendetwas die Meinung eines Experten braucht, so sitzt dieser meist nur ein paar Büros entfernt.»
Literaturhinweis
Rössler C, Oehri D, Zilberberg O, Blatter G, Karalic M, Pijnenburg J, Hofmann A, Ihn T, Ensslin K, Reichl C, Wegscheider W: Transport Spectroscopy of a Spin-Coherent Dot-Cavity System. Physical Review Letters, 12. Oktober 2015, doi: externe Seite 10.1103/PhysRevLett.115.166603