Bessere und billigere Materialien

Leistungsfähige Batterien, leuchtende Halbleiter, sensible Detektoren: Der Chemiker Maksym Kovalenko tüftelt an Materialien, die sowohl leistungsfähiger als auch preiswerter sind als die heute verwendeten. 

Eisen, Natrium, Magnesium und Schwefel – aus diesen vier einfachen chemischen Elementen will Maksym Kovalenko, Assistenzprofessor für anorganische Funktionsmaterialien an der ETH Zürich, zusammen mit seinen Mitarbeitenden an der Empa in Dübendorf eine leistungsfähige Batterie bauen.

Ziel der Forscher ist es, ein grundsätzliches Dilemma bei der Stromspeicherung mit Batterien zu überwinden. Die zukunftsträchtigen Lithium-Batterien, die beispielsweise in Elektroautos zum Einsatz kommen, sind zwar leistungsfähig, eignen sich aber für grosse stationäre Anlagen nur beschränkt. Denn das leichte Element steht nur in begrenzten Mengen zur Verfügung. Deshalb wird man damit kaum elektrische Speicheranlagen im grossen Stil bauen können.

Kovalenko denkt dabei an Batterieanlagen, die 1000 Mal grösser sind als die Akkus in den Elektroautos. «Für solche Installationen brauchen wir kostengünstige Materialen, die in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen», ist der gebürtige Ukrainer überzeugt. Wenn man sich nach dieser strengen Vorgabe ausrichtet, beschränkt man sich als Forscher natürlich sehr stark. Denn letztlich kommen dann nur noch einige wenige Elemente des ganzen Periodensystems als mögliche Kandidaten in Frage.

Pyrit als Schlüsselfaktor

Trotz dieser rigorosen Beschränkung kann Kovalenko einen ersten Erfolg verbuchen. Der von ihm entwickelte Prototyp einer Batterie besteht aus einer Magnesium-Anode und einer Kathode aus kristallinem Eisensulfid, auch Pyrit oder (volkstümlich) Katzengold genannt. Als Elektrolyt setzen die Forscher eine Lösung aus Magnesiumund Natriumionen ein. Der Testakku im Labor überstand 40 Lade- und Entladezyklen ohne nennenswerte Einbusse der Leistungsfähigkeit – ein vielversprechendes Resultat für die weitere Entwicklung.

Bis zu einer praktischen Anwendung wird es allerdings noch eine Weile dauern. «Wir stehen wirklich erst am Anfang der Forschung», erklärt der Chemiker. «Wenn man bedenkt, dass die Entwicklung der Lithiumbatterien bis zu ihrer heutigen Leistungsfähigkeit 30 Jahre dauerte, ist es klar, dass es noch einige Jahre dauern wird, bis lithiumfreie Batterien wie unsere auf dem Markt erhältlich sein werden.»

Mit der Batterietechnologie arbeitet Kovalenko an einem öffentlichkeitswirksamen Thema. «Doch eigentlich macht diese nur einen kleinen Teil meiner Arbeit aus, auch wenn es sich um einen wichtigen Bereich handelt», erklärt er. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Forschung an der ETH sind neue halbleitende Materialien. Sein Ziel ist es, Materialien zu entwickeln, die entweder besser oder billiger sind als die heutigen Verbindungen – oder im Idealfall sogar beides zusammen. Dabei verspricht er sich von neuen Materialien in verschiedenen Bereichen neue Impulse, beispielsweise beim Bau von Solarzellen, aber auch bei der Herstellung von Bildschirmen oder LED-Lampen.

Klare Farbe als Vorteil

Grosse Hoffnungen setzt Kovalenko in Halogenide. In diesen Stoffen verbinden sich Metalle – beispielsweise Cäsium und Blei – mit Halogenen wie Chlor, Brom oder Jod. Solche Verbindungen haben ideale Eigenschaften für die genannten Anwendungen. Sie sind beispielsweise in der Lage, blaues oder ultraviolettes Licht in eine andere Farbe umzuwandeln. «Unser Ziel ist es, Materialien zu entwickeln, die mindestens so gut sind wie die Substanzen, die heute von den grossen Bildschirmherstellern verwendet werden», hält Kovalenko fest. Diese setzen meist Indiumphosphide oder cadmiumhaltige Verbindungen ein. 

Halogenid-Nanopartikel
Je nachdem, wie die Halogenid-Nanopartikel zusammengesetzt sind, leuchten sie in einer anderen Farbe. Verbindet man Cäsium und Blei mit Chlor, entstehen blaue Farben. Ersetzt man Chlor durch Brom, leuchten die Substanzen grün. Rote Töne entstehen, wenn man Jod zugibt. (Bild: Maksym Kovalenko)

Die von Kovalenkos Gruppe untersuchten Materialen, die als Nanopartikel in einer Suspension hergestellt werden, haben zwei Vorteile: Zum einen lassen sie sich sehr günstig herstellen. Zum anderen sind sie sehr leistungsfähig. Sie erzeugen reine Farben, so dass das Licht mit hoher Effizienz umgewandelt werden kann. Da es aufgrund der klaren Farbe keinen Farbfilter mehr braucht, geht bei der Umwandlung weniger Energie verloren als bei herkömmlichen Materialien.

Obwohl die Entwicklung inzwischen so weit fortgeschritten ist, dass diese neuen Verbindungen nun Eingang in die Entwicklung von kommerziellen Produkten finden, gibt es für Kovalenko als Grundlagenforscher noch viel zu tun: Wie genau wachsen die Nanopartikel in der Suspension? Wie ist ihre Oberflächenchemie? Und wie verhalten sich die Partikel, wenn man sie in ein Polymer einbettet? «Die grosse Herausforderung besteht darin, die Leuchtkraft dieser Partikel zu erhalten, wenn wir sie aus der Suspension in eine feste Form überführen», berichtet der Chemiker.

Forschen für die Sicherheit

Die Halogenid-Halbleiter sind noch in einem anderen Bereich von grossem Interesse: Man könnte sie nämlich auch nutzen, um radioaktive Gammastrahlung zu detektieren. «Zurzeit gibt es nur wenige Materialien, die diese Strahlen bei Raumtemperatur messen können», erläutert Kovalenko. «Und das beste Material ist zudem relativ kostspielig.» Der Bedarf an günstigen Stoffen, die radioaktive Strahlung registrieren können, werde in den nächsten Jahren steigen, und zwar nicht nur in der Medizin oder in der Forschung, sondern beispielsweise auch an Flughäfen. «Angesichts der heutigen Terrorbedrohung wäre es hilfreich, wenn man ein günstiges Material hätte, das diese Strahlen registrieren kann. So könnte man die Sicherheitsleute flächendeckend mit solchen Detektoren ausrüsten.»

Die Umsetzung ist allerdings nicht ganz einfach: Um die energiereichen Photonen der Gammastrahlung überhaupt registrieren zu können, braucht man einen relativ dicken Halbleiter aus schweren Elementen. Kovalenko favorisiert denn auch Materialien, die Blei oder Cäsium enthalten. «Im Moment sind wir in der Lage, aus diesen Materialien Nanopartikel herzustellen. Doch für die gewünschten Detektoren brauchen wir Einzelkristalle, die einige Millimeter gross sind, also eine Million Mal grösser als die Nanopartikel.»

Wie man derart grosse Kristalle möglichst preiswert züchtet, erforscht der Chemiker zurzeit. «Wir müssen bei Hunderten von Substanzen untersuchen, wie man sie möglichst einfach züchten kann und ob sie sich als Detektoren eignen», meint er. «Doch bis dahin braucht es viel hartnäckige Arbeit.» Immerhin, so viel steht schon fest: Bei den neuen Materialien braucht es keine reine Schmelze mehr, um die Kristalle zu züchten, sondern «nur» noch eine wässrige Lösung, die nicht einmal besonders rein sein muss. 

Perowskit
Die synthetisch hergestellten Blei-Halid-Kristalle sind das zentrale Ausgangsmaterial für die die neuartigen Detektoren für radioaktive Strahlung, die Maksym Kovalenko mit seiner Gruppe entwickelt. (Bild: Maksym Kovalenko)

Mit den Batterien und neuen Halbleitermaterialien bearbeitet Kovalenko zwei sehr unterschiedliche Bereiche, die nur wenige direkte Berührungspunkte haben. «In diesem Spannungsfeld zu arbeiten ist eine grosse Herausforderung, aber gleichzeitig auch eine Bereicherung. Denn jeder Themenbereich bietet mir sehr faszinierende Einblicke, wie Materialien funktionieren.» 

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