Himmelsauge auf Nutzpflanzen

Die Pflanzenwissenschaftler der ETH Zürich haben vor kurzem in Lindau-Eschikon eine weltweit einmalige Anlage in Betrieb genommen: eine Feldphänotypisierungsanlage. Damit können die Forschenden Kulturpflanzen sehr präzise vermessen und überwachen.

FPP
Fast wie bei einer Flugschau: Der Sensorkopf der Phänotypisierungsanlage schwebt über den Köpfen der Besucher. (Bild: Peter Rüegg/ETH Zürich)

Schon von der Strasse aus sind die Masten sichtbar, die auf dem Areal des agrarwissenschaftlichen Forschungsbetriebs der ETH Zürich in Lindau-Eschikon (ZH) stehen. Man fragt sich unweigerlich: Wozu sind diese da? Forschende der Gruppe für Kulturpflanzenwissenschaften der ETH Zürich haben das Geheimnis der Türme gelüftet: Am Freitag, 10. Juni, weihten sie mit einer kleinen Feier ihre Feldphänotypisierungsanlage ein. Damit geht die weltweit erste derartige Anlage in Betrieb.

Mit dieser Anlage werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Kulturpflanzen fast über das ganze Jahr hinweg genau untersuchen können. Damit wollen sie herausfinden, worin sich einzelne Sorten voneinander unterscheiden, wie lange diese bis zur Blüte brauchen oder wie die Entwicklung von der Temperatur oder Bodenfeuchte abhängt. Die Wissenschaftler untersuchen derzeit hunderte kleiner Plots verschiedener Sorten von Weizen, Soja, Mais, Buchweizen und Futtergräsern.

Mit der Überwachungsanlage können die Forschenden auch erkennen, ob und wie sich Pilzkrankheiten auf den Pflanzen entwickeln oder wie viel Unkraut den Boden bedeckt. «Die Anlage hilft langfristig der Pflanzenzüchtung und der Präzisions-Landwirtschaft», fasst Achim Walter, Professor für Kulturpflanzenwissenschaften der ETH Zürich zusammen.

Inspiriert durch Fussball-Übertragung

Von ihm stammt die Idee, eine solche Feldphänotypisierungsanlage für die Nutzpflanzenforschung zu bauen. Inspiriert wurde er von «Spider Cams» – über dem Stadion schwebenden Kameras, die auch an der derzeitigen Fussball-EM verwendet werden. Diese Kameras vermitteln den TV-Zuschauerinnen den Eindruck eines Fluges über das Spielfeld.

Die Anlage ist denn auch nach dem gleichen Prinzip wie die fliegenden Kameras in Fussballstadien aufgebaut: In den Ecken des 100 mal 130 Meter grossen Versuchsfelds stehen vier 24 Meter hohe Masten. Von deren Spitzen verlaufen Doppel-Aramidseile hin zum beweglichen Sensorkopf, der bis zu sieben Meter über dem Boden schwebt. Elektrische Seilwinden am Fuss der Masten regulieren die Länge der Seilabschnitte zwischen dem Sensorkopf und den Masten. Dadurch ist der Sensorkopf überall über dem Versuchsfeld frei positionierbar – und das ohne Boden oder Pflanzen zu berühren und in hoher Präzision. Der Sensorkopf ist unter anderem bestückt mit einem Laser-Vermessungsgerät, Multispektralkameras, einer Infrarotkamera und zwei Spektrometern.

Prüfstand für Digitalisierung der Landwirtschaft

Die Feldphänotypisierungsanlage ist bereits jetzt eine vielfältig verwendete Einrichtung, an deren Daten auch Bildmaterial von Drohnen kalibriert wird. Walter erhofft sich von der Anlage neben vielen wertvollen Versuchsdaten auch Erkenntnisse zu den Grenzen und Einsatzmöglichkeiten verschiedener Sensoren, die in Zukunft in Traktoren, Drohnen oder Smartphones über unsere Felder geführt werden.

«In zehn Jahren wird das Auge des Landwirts und des Züchters durch eine Vielzahl von Sensoren unterstützt werden, um Krankheiten zu erkennen und über mögliche Anwendungen von Hilfsstoffen informiert zu werden. Mit dieser Anlage können wir früher und präziser als andere lernen, welche Herausforderungen es zu meistern gilt. Welche Form von Beratung wollen wir? Welche Arbeitsschritte können und wollen wir mit welcher Zuverlässigkeit an Algorithmen und Maschinen abgeben?», sagt Walter. 

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