Nanotechnologie ermöglicht neue Einblicke in chemische Reaktionen

Forschende der ETH Zürich und des Paul Scherrer Instituts haben eine neuartige Methode entwickelt, die die Suche nach optimalen Katalyse-Verfahren beschleunigen dürfte.

Vergrösserte Ansicht: Karim Waiz (Bild: Paul Scherrer Institut/Markus Fischer)
Grosse Anlage zur Untersuchung kleinster Körnchen: Synchrotron Lichtquelle Schweiz des PSI. (Bild: Paul Scherrer Institut/Markus Fischer)

In der chemischen Industrie werden 80 Prozent aller Produkte mit Katalyse-Verfahren hergestellt. Auch in der Energieumwandlung und -speicherung und der Abgasreinigung sind sie unverzichtbar. Das Beisein eines Katalysators sorgt dafür, dass chemische Reaktionen in Gang gebracht oder beschleunigt werden. Entsprechend wichtig ist, dass diese Verfahren möglichst schnell und effizient ablaufen; das schont die Umwelt, spart Zeit und Ressourcen. Deshalb hat die Industrie grosses Interesse daran, katalytische Verfahren zu optimieren. «Dafür braucht sie ein tieferes Verständnis davon, was auf molekularer Ebene vor sich geht», sagt Jeroen van Bokhoven, Professor für heterogene Katalyse an der ETH Zürich und Leiter des Labors Katalyse und nachhaltige Chemie am PSI.

Modellversuch mit unerreichter Präzision

Dieses tiefere Verständnis kann ein neuer Ansatz, den Forschende in der neusten Ausgabe des Fachjournals Nature präsentieren, liefern: Das Team um Waiz Karim, Yasin Ekinci und van Bokhoven baute ein Modellsystem, in dem die Katalyse bis ins kleinste Detail untersucht werden kann. Für den Modellversuch verwendete das Team Eisenoxid, das durch Zugabe von Wasserstoff und unter Beihilfe des Katalysators Platin zu Eisen umgewandelt wird. Das Platin spaltet den molekularen Wasserstoff in elementaren Wasserstoff auf. Als solcher kann er leichter mit dem Eisenoxid reagieren, das sich auch in einer gewissen Entfernung von dem Platin befinden kann.

Der Clou des Modells: Mithilfe modernster Elektronenstrahl-Lithografie, die sonst vor allem in der Halbleitertechnik eingesetzt wird, gelang es, winzige, aus nur wenigen Atomen bestehende Partikel auf ein Trägermaterial aufzubringen. Diese Körnchen platzierten die Forschenden paarweise in einem rasterartigen Modell in verschiedenen Abständen zueinander. «Wir konnten so 16 verschiedene Situationen auf einmal testen und dabei Grösse, Form und Abstand der Partikel auf den Nanometer genau bestimmen», erklärt Waiz Karim, der sowohl an der ETH Zürich als auch am PSI tätig ist.

Neu ist nicht nur die Präzision der Partikelplatzierung sondern auch die genaue Beobachtung der chemischen Reaktionen. Diese ermöglichte ein spezielles Verfahren zur mikroskopischen Untersuchung solch winziger Körnchen mittels Röntgenstrahlen.

Chemische Wissenschaft enorm voranbringen

Wie sich zeigte, spielen sich manche Phänomene aber in noch kleineren Dimensionen ab. So auch der sogenannte Wasserstoff-Spillover-Effekt, der zur Effizienz einer Katalyse mit Wasserstoff beiträgt. Den Effekt hat man zwar bereits 1964 entdeckt, bislang aber nicht bis ins Detail verstehen und visualisieren können. Die PSI- und ETH-Forschenden konnten den Effekt mit ihrem Modell erstmals mit der nötigen Präzision untersuchten und klären, unter welchen Umständen er auftritt.

«Unser Verfahren basiert auf drei Säulen», fasst Jeroen van Bokhoven zusammen. «Die Nanofabrikation des Modellsystems, die präzise Messung der chemischen Reaktionen, und dazu die theoretische Modellierung: Im Einklang mit unseren Experimenten haben wir den Prozess bis hinunter auf die molekulare Ebene beschrieben.» Dies dürfte die chemische Wissenschaft insgesamt enorm voranbringen: «Wir öffnen damit eine ganz neue Dimension, um Katalyse-Verfahren zu untersuchen und zu verstehen. Und mit diesem Verständnis können dann die Herstellungsprozesse viel gezielter verbessert werden.»

Dieser Text basiert auf einer Medienmitteilung des Paul Scherrer Instituts.

Literaturhinweis

Karim W, Spreafico C, Kleibert A, Gobrecht J, VandeVondele J, Ekinci Y, van Bokhoven JA. Support effects on hydrogen spillover. Nature, published online 2017 January 4th. doi: externe Seite10.1038/nature20782

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