Medizin und Datenwissenschaft als künftige Schwerpunkte
Für die Schulleitung der ETH Zürich haben die Bereiche Medizin und Datenwissenschaft eine hohe Priorität. Initiativen wie der neue Bachelorstudiengang Medizin, neue Weiterbildungsprogramme oder die Wiederholung des Cybathlon im Jahr 2020 belegen, dass die ETH ihr Wissen noch direkter in den Dienst der Gesellschaft stellen will.
In der Mitte ihrer ersten, vierjährigen Amtsperiode trat heute die Schulleitung der ETH Zürich vor die Medien, blickte zurück und gab einen Ausblick auf die strategischen Stossrichtungen der nächsten Jahre.
Nationalen Bildungsauftrag ernst nehmen
Neben der Offenheit und internationalen Vernetzung, die jüngst durch den ersten Platz im THE-Ranking zur Internationalität unterstrichen wurde, sei für die ETH die Verankerung in der Schweiz von zentraler Bedeutung. Lino Guzzella, Präsident der ETH Zürich: «Die ETH trägt seit rund 160 Jahren ein ‚Eidgenössisch‘ im Namen, was auch einen nationalen Bildungsauftrag umfasst. Wir nehmen diesen sehr ernst. So ist es kein Zufall, dass 87% unserer Bachelor-Studierenden aus der Schweiz kommen.»
Lino Guzzella betonte in seinen Ausführungen die zentrale Rolle der Datenwissenschaft und bezeichnete sie als einen der «Schlüssel zum wirtschaftlichen Fortschritt». Führend sei die ETH besonders im Bereich Informationssicherheit: «Mit ihrer Expertise wird die ETH wesentlich zur erfolgreichen Umsetzung der Strategie ‚Digitale Schweiz‘ des Bundesrates beitragen», zeigte sich der ETH-Präsident überzeugt.
Cybathlon-Neuauflage im Jahr 2020
Als emotional bewegendsten Moment seiner bisherigen Amtszeit bezeichnete der ETH-Präsident die Weltpremiere des Cybathlon im Oktober 2016 in Kloten. Umso mehr freue es ihn, ankündigen zu dürfen, dass diese Erfolgsgeschichte weitergeschrieben werde: «Der zweite Cybathlon findet 2020 wiederum im Raum Zürich und nochmals unter der Regie der ETH Zürich statt.» Dieser Wettkampf für Menschen mit Behinderung, die technische Hilfsmittel einsetzen dürfen, gilt als wichtiger Treiber neuartiger und alltagstauglicher Assistenztechnologien.
Der Cybathlon ist ein Beispiel für die Nähe der ETH zur Medizin. Lino Guzzella betonte: «Medizin ist eine Top-Priorität für die ETH Zürich.» Gleichzeitig spiele Technologie in der Medizin eine immer grössere Rolle: «Zunehmend benötigen Mediziner naturwissenschaftlich-technisches und datenwissenschaftliches Rüstzeug – und die Vermittlung und Anwendung von solchem Wissen ist unsere Kernkompetenz.» Deshalb sei es für die ETH wichtig, ab September 2017 einen eigenen Bachelorstudiengang in Medizin anzubieten.
Mit den rasanten Entwicklungen Schritt halten
Rektorin Sarah Springman zeigte auf, wie die ETH die Studierenden des neuen Bachelorstudiengangs Medizin ausbilden will. «Die Perspektiven für medizinische Diagnose, Prognostik und Therapie wandeln sich rapide dank neuer Entwicklungen in der Bioinformatik, den molekularen Biowissenschaften und den bildgebenden Verfahren», so Springman. In diesen Disziplinen forsche und lehre die ETH schon heute an vorderster Front. Die Studierenden sollen in einer fundierten naturwissenschaftlichen Ausbildung von der Interdisziplinarität der ETH profitieren. Angesichts des rasanten technologischen Wandels gewinne auch das Weiterbildungsangebot an Bedeutung, ist Springman überzeugt: «Das lebenslange Lernen ist heute eine Notwendigkeit, um auf dem Arbeitsmarkt fit und konkurrenzfähig zu bleiben. Die ETH Zürich leistet auch hier ihren Beitrag – sie versteht ihr Engagement in der Weiterbildung als Wissenstransfer der Forschung direkt in Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft.» Künftig sollen sich die Forschungsschwerpunkte der ETH vermehrt im Weiterbildungsangebot niederschlagen. Als Beispiel nannte Springman die neuen MAS-Programme «Mobilität der Zukunft» und «Mediation in Friedensprozessen».
Embedded researchers sollen Mediziner besser verstehen
Für Detlef Günther, den Vizepräsidenten für Forschung und Wirtschaftsbeziehungen, ist die intrinsisch motivierte Grundlagenforschung zentral: «Sie ist die Basis für neue wissenschaftliche Erkenntnisse und bildet das Fundament für alle Innovation, auf welche die Schweiz so dringend angewiesen ist.» Gerade im medizinischen Bereich gelinge der Wissenstransfer sehr gut: Rund 20% aller Patente und Spin-off-Gründungen der ETH Zürich hätten eine mögliche medizinische Anwendung. Es sei klar, dass die medizinische Entwicklung stark Grundlagen- und Technologie-getrieben sei und deshalb die ETH eine zunehmend wichtige Rolle spielen werde. «Die verschiedenen Disziplinen Natur- und Ingenieurwissenschaften und Medizin haben andere Kulturen und sprechen unterschiedliche Sprachen. Wir müssen diese Welten aktiv zusammenbringen», so Günther. An der ETH denke man zum Beispiel über «embedded researchers» bzw. «embedded clinicians» nach. Das würde bedeuten, dass ETH-Forschende direkt in die Klinik oder den Operationssaal gehen, um die Prozesse und Bedürfnisse der Medizin besser zu verstehen.
Flexible Infrastrukturen für die Medizin
«Die angestrebte inhaltliche Kooperation im neuen strategischen Schwerpunkt Medizin und Gesundheitswissenschaften verlangt auch eine bauliche Kooperation», hielt Ulrich Weidmann, Vizepräsident für Personal und Ressourcen, fest und präsentierte zwei in diesem Kontext geplante Infrastrukturprojekte. Der Neubau BSS in Basel fördert aufgrund seiner Nähe zur Universität Basel eine effiziente Nutzung akademischer und infrastruktureller Synergien. Und im neuen Gebäude GLC an der Gloriastrasse in Zürich sollen künftig Forschungsgruppen der ETH verstärkt mit Angehörigen der Universität Zürich, der Spitäler und Vertretern der Industrie zusammenarbeiten. Für Weidmann steht fest: «Sowohl auf dem Campus Hönggerberg mit dem Masterplan und den neuen Sonderbauvorschriften wie auch im akademischen Grossprojekt Hochschulgebiet Zürich Zentrum sind Gebietsplanungen das geeignete Instrument, um Kooperationen gemeinsam und in enger Zusammenarbeit mit Stadt, Kanton und Bevölkerung baulich zu gestalten».
Nachhaltige Finanzierung durch Diversifikation
Eine langfristige Planung sei auch bei der Finanzierung der ETH Zürich unabdingbar, erklärte Robert Perich, Vizepräsident für Finanzen und Controlling. Im Kontext steigender Studierendenzahlen, eines weltweit verschärften Hochschulwettbewerbs um die besten Talente und begrenzter Bundesmittel werde es für die ETH immer wichtiger, neue Finanzierungsquellen – sprich Drittmittel – zu erschliessen. Neben einem verantwortungsvollen Umgang mit Zuwendungen betonte Perich die Tatsache, dass Drittmittel in der Regel mit zum Teil erheblichen indirekten Kosten für die ETH einhergehen: «Nur wenn eine herausragende und strategiekonforme Idee sowie ein robuster Umsetzungsvorschlag vorhanden sind, lohnt es sich für uns, ein extern finanziertes Forschungsvorhaben umzusetzen». Letztlich ginge es darum, eine gut ausbalancierte Diversifikation der Finanzierungsmittel zu finden. Eine vernünftige Grundfinanzierung durch den Bund sei jedoch auch zukünftig unverzichtbar.