Hartnäckig und neugierig
Felicitas Pauss hat als Professorin für Teilchenphysik massgeblich zur Entdeckung des Higgs-Teilchens beigetragen. Nun wird sie morgen mit der Richard-Ernst-Medaille ausgezeichnet.
Wäre es nach ihren Eltern gegangen, wäre sie Musikerin geworden. Doch Felicitas Pauss hatte andere Pläne: «Bereits als Mädchen begeisterte ich mich für Technik», erinnert sich die gebürtige Österreicherin. «Und als ich dann im Gymnasium erste Einblicke in die faszinierende Welt der Atomkerne bekam, war für mich klar, dass eine künstlerische Karriere nicht in Frage kam.»
An zwei wichtigen Entdeckungen beteiligt
Als Teilchenphysikerin will sie seither wissen, was unsere Welt im Innersten zusammenhält. Die emeritierte ETH-Professorin hat als führende Kraft beim CMS-Experiment am Large Hadron Collider (LHC) des Cern in Genf massgeblich dazu beigetragen, dass 2012 die Existenz des berühmten Higgs-Teilchens experimentell bestätigt werden konnte. Diese Entdeckung war auch die Grundlage für den bereits im darauffolgenden Jahr vergebenen Nobelpreis in Physik.
«Ich hatte wirklich Glück in meiner wissenschaftlichen Karriere: Bereits in den 1980er-Jahren war ich an der Entdeckung des Z-Teilchens beteiligt, wofür es auch einen Nobelpreis gab», blickt sie zurück. Dennoch ist ihre Neugier damit nicht gestillt: «Es wäre fantastisch, wenn wir mit dem LHC etwas entdecken würden, das sich mit dem Standardmodell der Teilchenphysik nicht voraussagen lässt.»
Forschen am technischen Limit
«Man muss gezielt Fragen stellen und darf dann nicht locker lassen», sagte Felicitas Pauss einmal in einem Fernsehinterview. Genau diese Hartnäckigkeit zeichnet sie als Forscherin aus. Der Bau des CMS Experiments erforderte von ihr nicht nur viel Geduld, sondern auch jahrelange technische Grundlagenarbeit. «In der Teilchenphysik arbeiten wir an der Grenze des Machbaren. Deshalb müssen wir viele der technologisch sehr komplexen Detektorkomponenten selber entwickeln.» In diesem Bereich hat Pauss viel zum Gelingen des CMS beigetragen, wurden an der ETH Zürich unter ihrer Ägide doch wichtige Teile dieses Detektors entwickelt.
«Viele waren skeptisch, ob sich eine derart komplexe Anlage wie der LHC zusammen mit den Experimenten wirklich realisieren lässt.» Dass das Werk gelang, liegt ihrer Ansicht nach an der Art, wie am Cern Entscheide getroffen werden. «Unser Erfolgsmodell ist das System der Peer-Review-Commitees», ist sie überzeugt. Dabei sieht sie durchaus Parallelen zur Musik: «Nur wenn alle im Orchester ihre Instrumente hervorragend beherrschen ist das Konzert ein Erfolg», meint sie. «Genauso ist es in der Teilchenphysik.»
Zeit für die eigene Forschung
In den letzten Jahren war sie neben ihrer Lehr- und Forschungstätigkeit auch stark mit anderen Aufgaben beschäftigt gewesen: Zwischen 2009 und 2013 war sie für die internationalen Beziehungen des Cern zuständig; danach wurde sie Beraterin des ETH-Präsidenten in internationalen Angelegenheiten und Präsidentin der Konferenz des Lehrkörpers der ETH. Und nicht zuletzt hat sie viele Vorträge und Interviews zur Teilchenphysik gegeben. Warum sie bei Medien eine gern gesehene Auskunftsperson ist, wird im Gespräch schnell klar: Nur wenige Forschende vermögen ein derart komplexes Forschungsgebiet so eloquent und anschaulich zu vermitteln wie sie.
Seit ihrer Emeritierung im Herbst 2016 hat sie nun endlich wieder mehr Zeit für die Wissenschaft. Denn trotz aller Erfolge, auf die sie in ihrer langen Karriere zurückblicken kann: Etwas wirklich Neues zu entdecken, das die Grenzen des heute Bekannten sprengt, davon träumt sie noch immer.
Richard Ernst Vorlesung
Felicitas Pauss, emeritierte ETH-Professorin für Teilchenphysik, hält am Mittwoch, 17. Mai 2017 um 16 Uhr im Auditorium Maximum die Richard R. Ernst Lecture zum Thema «Science without Borders: The Mystery of Matter, Space and Time». Die Veranstaltung ist öffentlich und kostenlos. Eine Anmeldung ist nicht notwendig.
Informationen zur Veranstaltung finden sich hier.