Studierende stellen praktisches Können unter Beweis

Bei den Fokusprojekten können Teams von Maschinenbaustudierenden ihr erlerntes Wissen praktisch anwenden und zwei Semester lang selbständig neue technische Lösungen entwickeln. ETH-News besuchte zwei Teams, die ein neuartiges Windkraftwerk und einen Brutschrank für Hautzellen entwickeln.

Vergrösserte Ansicht: Das Ftero Team auf der Polyterrasse
Das Ftero-Team präsentiert ihr Flugzeug auf der Polyterrasse in Zürich. (Bild: ETH Zürich / Dominic Keidel)

ETH-Zentrum, CLA-Gebäude, Raum J31: Dort, wo sich heute Computer an Computer und Schreibtisch an Schreibtisch drängen, befand sich Anfang September noch ein leeres Zimmer. «Wir mussten unser Projekt von Null aufbauen», beschreibt Lorenz Affentranger, Maschinenbau-Student im sechsten Semester, den Start des Fokusprojekts externe Seite Ftero. Bei dem Projekt geht es darum, ein neuartiges System zur Energiegewinnung aus Windkraft zu entwickeln.

Ein extra leichtes Flugzeug aus Carbon ist dabei über ein Seil mit einem mobilen Generator am Boden verbunden. Dieses «Airborne Wind Energy System» produziert Strom, indem das Flugzeug zunächst das Seil von der Rolle abrollt und anschliessend komplexe Kreise fliegt. Um die Windkraft optimal auszunutzen, kann es je nach Wetter und Standort in unterschiedlichen Höhen fliegen. Das Team hat für das Projekt sowohl das Flugzeug entwickelt als auch die Regelungstechnik programmiert, die dafür sorgt, dass das Flugzeug autonom in den Höhen bleibt, in denen es am meisten Energie erzeugt.

Verantwortung bei den Studierenden

Ftero ist eines von neun Fokusprojekten, die vom ETH-Departement Maschinenbau und Verfahrenstechnik (D-MAVT) für Bachelorstudierende angeboten werden. Zwei Semester lang bekommen die Studierenden Zeit, eigenständig aus einer Idee ein Projekt mit einem greifbaren und technisch möglichst neuartigen Ergebnis zu machen. Insgesamt 93 Studierende machen aktuell bei den Projekten mit, davon 72 vom D-MAVT, weitere fünf von der Elektrotechnik (D-ITET). Mit dabei sind zudem Studierende anderer Hochschulen, darunter von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, der Hochschule Luzern und der Zürcher Hochschule der Künste.

Damit es gelingt, bis zur Projekt-Abschlussveranstaltung am 30. Mai ein Ergebnis zu erzielen, müssen die Teilnehmenden innerhalb weniger Monate zu funktionierenden Teams zusammenwachsen und Fähigkeiten entwickeln, die ihnen das Studium bisher nicht vermittelt hat. Neben Know-how in Maschinenbau geht es auch um Management und Marketing. Alles mit dem Ziel, die Studierenden besser auf die Berufswelt vorzubereiten. Die ETH Zürich unterstützt die Studierenden dabei bewusst nur fachlich sowie mit Räumen und Zugang zu technischem Gerät. Sämtliche Entscheidungen zum Projekt fallen in die Verantwortung der Studierenden. «Bislang reichte es, im Studium die theoretischen Grundlagen zu verstehen», sagt Affentranger, «doch jetzt mussten wir diese Theorie anwenden, ein ganzes Projekt aufbauen und lernen, unsere Idee zu verkaufen.»

Fast 400 Firmen hat das Team Ftero angefragt, um Partner und Sponsoren zu finden. Mithilfe einer selbst entwickelten Broschüre, Crowdfunding und einer Portion Geduld kamen schliesslich alle Mittel für ihr Projekt zusammen. Das «Airborne Wind Energy System» ist inzwischen technisch so weit vorangeschritten, dass das Team es nicht nur an der Fokus-Roll-out-Veranstaltung nächste Woche an der ETH vorstellen wird, sondern auch auf das Festival «Drôle de Drone» in der Cité des Sciences in Paris eingeladen wurde.

Vergrösserte Ansicht: Ftero-Flugzeug in der Luft
Das über ein Seil mit einem Generator verbundende Ftero-Flugzeug während Tests auf dem Flugplatz Fehraltdorf. (Bild: ETH Zürich / Laurin Göller)
Vergrösserte Ansicht: Das Team von Skin Reactor
Das Gehäuse des Skin Reactors beinhaltet eine Kühlbox, zwei Inkubatorboxen für die Hautzellen sowie die Steuerung und einen Kompressor. (Bild: ETH Zürich / Lukas Bircher)

Hilfe für Verbrennungsopfer

Ist bei Ftero vor allem Ingenieurswissen gefragt, mussten die neun Studierenden des Teams externe Seite Skin Reactor zusätzlich Grundkenntnisse in Biologie erwerben. «Wir bauen eine Maschine, mit der sich künftig standardisiert Hautzellen vermehren lassen», erläutert Björn Joos, Maschinenbaustudent im sechsten Semester. Diese Haut soll später Verbrennungsopfern, vor allem Kindern, helfen. Kinder mit schweren Brandwunden mussten nämlich bisher wiederholt operiert werden, da transplantierte Haut nicht mitwächst. Im Labor gezüchtete Hautzellen versprechen Abhilfe, weil sie wie natürliche Haut mitwachsen können.

Genau diese Sinnhaftigkeit des Projekts hat die Teammitglieder bewogen, sich für Skin Reactor zu entscheiden. «Wir wollen anderen helfen», sagen alle unisono. Dennoch fiel ihnen am Anfang vor allem das interdisziplinäre Arbeiten schwer, und das obwohl extra zwei Biomedical-Engineering-Masterstudentinnen vom D-ITET Teil des Teams sind. Die Denkweise von Biologen und Medizinern war den angehenden Ingenieuren schlicht fremd. «In der Biologie gibt es viel weniger Normen», beschreibt Joos einen der Unterschiede.

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Der Trailer zur diesjährigen Fokus-Roll-Out-Veranstaltung. (Video: ETH Zürich)

«Gelernt, auf Augenhöhe aufzutreten»

Auch die Suche nach Partnern lief zunächst ins Leere. «Das Projekt ging erst ab Februar richtig voran, als wir Stiftungen um Unterstützung angesprochen haben», berichtet Maschinenbaustudentin Caroline Zalud, die sich ums Sponsoring kümmert. Neben der richtigen Zielgruppe war dabei Zaluds Auftreten entscheidend für den Erfolg. «Ich habe gelernt, Menschen auf Augenhöhe und nicht mehr als Studentin zu begegnen», erzählt sie. Inzwischen ist Skin Reactor das Fokusprojekt mit dem grössten Budget und das Team eine eingeschworene Gemeinschaft, die sich auch privat trifft.

Trotz der guten Fortschritte in den vergangenen Monaten ist die technische Lösung von Skin Reactor noch weit von einem Serienprodukt entfernt. Bis Projektende wird zumindest der Grundaufbau für die Maschine entwickelt sein. «Medizinische Projekte brauchen generell viel Zeit, bis sie eingesetzt werden können», erläutert Lukas Bircher, Maschinenbaustudent im sechsten Semester.

Trotz der vielen technischen und persönlichen Herausforderungen und zahllosen Arbeitsstunden, die weit über das normale Studienprogramm hinausgehen, bereut keiner der Studierenden von Ftero oder Skin Reactor die Entscheidung fürs Fokusprojekt. «Wir haben uns einfach gleich zu Projektbeginn einen Sponsor für eine Kaffeemaschine gesucht», meint Lorenz Affentranger schmunzelnd, und sein Teamkollege Renato Canonica ergänzt: «Ich wollte gerne etwas machen, bei dem ich mir selbst Aufgaben stellen kann». Auch Bircher ist sich sicher, dass sich all die Mühen lohnen: «Es ist eine einmalige Chance, ein Jahr lang im geschützten Raum der Hochschule etwas eigenverantwortlich ausprobieren zu können.»

Die weiteren Fokusprojekte 2016/2017

externe Seite ARC
Entwicklung einer Technologie inklusive Navigationsmethode, mit der elektrisch angetriebene Fahrzeuge autonom fahren können

Athlas
Konstruktion eines Landegestells, mit dem Helikopter sicher in steilem und unebenem Gelände landen können

externe Seite Formula Student Electric
Bau des elektrischen Rennwagens Pilatus

SeatCase
Entwicklung eines Sitzsystems in Leichtbauweise, das als Koffer und Sitz zugleich dienen kann.

externe Seite Suncar iRoadster
Bau eines elektrisch angetriebenen Forschungsfahrzeugs zur Erforschung verschiedener Fahrdynamiken und alternativer Lenkungskonzepte

Voliro
Entwicklung einer Drohne mit sechs Rotoren (Hexacopter), die sich in jede Richtung drehen können soll

3DCarb
Entwicklung eines 3D-Druck-Verfahrens für faserverstärkte Kunststoffe, mit dem sich bisher nicht realisierbare Strukturen kreieren lassen

Vorstellung der Projekte beim Fokus-Roll-out

30. Mai 2017, 14.00-17.30 Uhr

Ausstellung im ETH-Hauptgebäude, Haupthalle und Polyterrasse, ETH Zürich, Zentrum

Präsentation der Projekte im Audimax (HG F 30) von 14.00-15.55 Uhr

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